Die Grünen
Zwei der bekanntesten Bücher von Rolf Stolz.

Gespräch mit Rolf Stolz, Gründungsmitglied der Grünen

„Als Öko-Partei völlig entkernt“

Mit dem Gründungsmitglied der Grünen, Rolf Stolz, unterhielten wir uns unter anderem über den Wandel dieser Partei von einer US-kritischen Antikriegspartei hin zu einer Partei, die inzwischen im Einklang mit transatlantischen Vorgaben stramm auf Kriegskurs marschiert.

In welchen Punkten steht die aktuelle Politik der Grünen in absolutem Widerspruch zur politischen Überzeugung der Gründerpartei?

Der elementare Widerspruch wird deutlich, wenn man die Frage von Krieg und Frieden betrachtet. Die Grünen haben begonnen als Friedenspartei, wobei immer schon von Anfang an zwei Richtungen zusammenkamen. Eine Richtung, die eine begrenzte, auf Frieden orientierte Bundeswehr als unumgänglich betrachtete, und eine Richtung, die einen radikalen Pazifismus und Gewaltfreiheit vertrat. Trotzdem gab es zwischen den beiden Teilen ein einigendes Band im Bemühen um Frieden. Und in Europa stand für beide Richtungen der Frieden mit Russland im Vordergrund. Damals betraf das noch die Sowjetunion, später dann die Russische Föderation.

Der zweite grundlegende Bruch ist der, wie die Grünen dem politischen System allgemein gegenüberstanden. Petra Kelly hat die Grünen eine „Antiparteien-Partei“ genannt, aus der klaren Einsicht heraus, dass sich in der Nachkriegszeit um die Parteien herum ein bestimmter Lobbyismus entwickelte und dadurch der Einfluss von großen Wirtschaftsmächten auf die Parteien immer weiter zunahm. Diese kritische Distanz zu dem etablierten Parteiensystem ist völlig aufgegeben worden und die Grünen haben sich quasi als grüne FDP in das politische System Deutschlands eingefügt.

Der nächste entscheidende Bruch betrifft die Vorstellung, wie das Verhältnis zwischen dem Menschen, der Natur und den natürlichen Ressourcen im weitesten Sinne organisiert werden soll. Da geht es um das Artensterben, aber auch um die Frage der Energieerzeugung, die ja massive Auswirkungen auf die Natur hat. Und dort werden immer weitere Konzessionen gemacht, die mittlerweile dazu geführt haben, dass die Grünen als ökologische Partei komplett entkernt sind. Es gibt noch eine äußere Hülle und an der Basis viele sehr engagierte Leute, die sich etwa für den Tierschutz einsetzen. Aber das ändert nichts an dem Kurs, der von oben her auf der Ebene der Bundesregierung und verschiedener Landesregierungen verfolgt wird und der nur noch eine von außen diktierte Klimapolitik vertritt.

Der letzte entscheidende Bruch ist der Bruch mit dem basisdemokratischen Prinzip. Die Dinge werden inzwischen bei den Grünen von oben nach unten durchgesetzt. Es gibt intern keine wirklichen Diskussionen mehr über die Politik, die verfolgt wird. Es werden nur noch von oben her Direktiven ausgegeben, zuweilen auch regelrechte Dogmen. In der Klimapolitik hat es keine offene Debatte gegeben. Das hätte in Bezug auf das Buch „Unerwünschte Wahrheiten“ von Fritz Vahrenholt unbedingt stattfinden müssen. Diese Debatte wurde jedoch nicht geführt, stattdessen war von vornherein das Ergebnis schon festgelegt. Wir haben inzwischen parteiintern eine Entwicklung, die an sowjetische Parteitage erinnert, wo auch alles vorherbestimmt wurde.

Was war das ausschlaggebende Moment, von dem ab sich die Grünen anders entwickelt haben? Gab es da äußere Einflüsse?

Da gibt es natürlich eine ganze Menge an Faktoren, die zusammengekommen sind. Man kann kurz dazu sagen: Die Grünen sind in ihrer Anfangszeit von den anderen Parteien so bekämpft worden, wie heute die AfD bekämpft wird – als bösartiger politischer Gegner, der verschwinden und zur Not vernichtet werden muss.

Das änderte sich 1985, als es in Hessen zur ersten rot-grünen Landesregierung unter Holger Börner kam. Damals wurde Joschka Fischer Umweltminister. Der Joschka Fischer dieser achtziger Jahre war ja nicht mehr der Straßenkämpfer, der er in den siebziger Jahren gewesen war. Man kann jedoch davon ausgehen, dass mit dem Material, das man über den Fischer der siebziger Jahre bei den verschiedenen staatlichen Stellen und Geheimdiensten hatte, eine exzellente Grundlage für politische Erpressung gegeben war, die schließlich damit endete, dass er dann als deutscher Außenminister bei der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright regelrecht auf dem Schoß saß.

Es gab eine Entwicklung der Grünen in den achtziger Jahren, die zu sehr klugen politischen Deklarationen führte, die jedoch naturgemäß nicht unmittelbar umzusetzen waren. Zu diesen Forderungen gehörte beispielsweise 1986: „Deutschland raus aus der NATO!“ und „Abzug aller fremden Truppen aus Deutschland!“.

„Wir haben inzwischen in Deutschland eine Art von „Neo-SA“, die sich irrwitziger Weise „Antifa“ nennt und extrem gewaltorientiert ist.“

Andererseits herrschte damals noch die völlig irreale Vorstellung vor, es werde nach dem November 1989 zu einem eigenständigen demokratischen Sozialismus in der DDR kommen. Es gab Kräfte, die die deutsche Teilung verewigen wollten. Es gab aber auch immer eine Minderheit, zu der ich auch gehörte, die für eine Blockfreiheit und für einen Friedensvertrag eintraten. All das hat man über Bord geworfen.

Es gab daraufhin Ende der achtziger Jahre einen Wechsel innerhalb der Führung, bei dem man die sogenannten Fundamentalisten durch eine sogenannte realpolitische Führung ersetzte. Nun lag es auf der Hand, dass gewisse Mächte da nicht einfach nur zuschauten, sondern über ihre Mittelsleute intervenierten. Kennzeichnend war dann, dass die Grünen sich als letzte Partei, sogar nach der PDS, erst im April 1990 auf den Boden der Tatsachen stellten und die Wiedervereinigung zähneknirschend akzeptierten.

Welchen Einfluss hat heute das World Economic Forum (WEF) auf die Politik der Grünen? Schließlich gehören ja die Minister Habeck und Baerbock explizit zu den „Young global leaders“ dieser Organisation?

Das spielt eine große Rolle, das sind ja unterschiedlichste Kreise, die aber auch eng zusammenhängen, von den Bilderbergern bis zum WEF. Und man muss folgendes dazu sagen: Petra Kelly, mit der ich persönlich befreundet war, war eine Angestellte der EU-Bürokratie. Sie war in einer gewissen Abhängigkeit von diesem Arbeitgeber, der zunächst einmal ihren Lebensunterhalt sicherte, hatte sich aber über die Jahre eine große innere und äußere Unabhängigkeit erkämpft, und da hat es niemand gewagt, das in Frage zu stellen, was sie tat. Selbst dort, wo es eben die Machtüberlegungen bestimmter Kreise berührte.

Auf der anderen Seite brauchen inzwischen verschiedene maßgebliche Leute bei den Grünen keinen Anstellungsvertrag bei einem dieser sogenannten global players. Und es muss nicht einmal Geld über den Tisch oder unter dem Tisch durchgereicht werden, sondern es steht ein ganz klares Bewusstsein dahinter: Wir sind politisch vernichtet und weg vom Fenster, wenn wir uns gegen den Strom stellen. Auf der anderen Seite wird unsere Karriere von allen Seiten gefördert, wenn wir Applaus klatschen, und man kommt in höchste Staatsämter. Das haben Habeck und Baerbock durchaus bewiesen und das ist auch die Umschichtung, die hier in Deutschland stattgefunden hat. Es wäre nahe an einer Revolution, wenn die Grünen heute das wären, was sie einmal waren.

Jetzt hat die deutsche Politik ungefähr den Charakter wie in manchen südamerikanischen Diktaturen, wo die Macht von den Roten auf die Blauen und von den Blauen auf die Roten wechselt und es einfach nur unterschiedliche Gruppierungen sind, die diese Macht ausüben und sich dann natürlich auch selbstherrlich für ihre eigenen Interessen bedienen, wo sich aber an der politischen Grundorientierung nicht viel ändert.

Das zeigt sich nun an der großen Energiekrise, die auf dem Weg ist, zur Wirtschaftskrise zu werden. Das zeigt auch der Ukrainekrieg, bei dem eine strikte Neutralität notwendig gewesen wäre. Von den grünen Grundsätzen her hätte das nur bedeuten können, dass man mit beiden Seiten in Kontakt bleibt und versucht, sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland weiter Handel zu treiben und auch kulturellen Austausch zu treiben. Aber auf keinen Fall Waffen zu liefern, und einseitige Stellungnahmen zu verbreiten. Und vor allen Dingen natürlich keine Sanktionspolitik ins Leben ruft. Solche Sanktionen haben immer einen verheerenden Charakter, und wenn man sieht, wie sich im Fall Syriens diese Sanktionen gegen den größten Teil der Bevölkerung richten, nicht zuletzt auch gegen die orientalischen Christen, dann kann man eine solche Politik einfach nur als Verbrechen betrachten. Das gilt auch für den jetzigen Krieg in Europa.

Sehen Sie die Möglichkeit eines politischen Richtungswechsels innerhalb der Partei oder zumindest einer Veränderung an der Basis?

Die ganze Situation ist extrem festgefahren. Es ist eine Art Versteinerung durch Angst eingetreten, die dann auftritt, wenn Menschen bedroht werden mit der Pistole oder mit dem Maschinengewehr. Sie werden den Bedroher in diesem Augenblick nicht angreifen, sie werden aber auch nicht weglaufen, um nicht von hinten erschossen zu werden, sondern sie werden versteinert stillstehen. Und das ist die Situation derjenigen in der Partei, die mit dem jetzigen Kurs nicht einverstanden sind.

„Die ganze Situation ist extrem festgefahren. Es ist eine Art Versteinerung durch Angst eingetreten, die dann auftritt, wenn Menschen bedroht werden mit der Pistole oder mit dem Maschinengewehr.“

Denn derjenige, der sich dem jetzigen Kurs entgegenstellt, wird sofort als „Agent Putins“ und als „Anhänger eines russischen Militarismus“ diffamiert – ausgerechnet von Leuten, die selbst eindeutige Bellizisten sind. Das ist ein Begriff, der früher kaum gebraucht wurde, weil diese Menschensorte sich eher irgendwo versteckt hielt. Inzwischen haben wir jedoch offene, erklärte Kriegshetzer in einem Ausmaß, das man sich an die frühen vierziger Jahre erinnert fühlt.

Dahinter steckt ein ungeheurer Fanatismus. Wenn Sie bedenken, dass solche Aussagen getätigt wurden, dass Russland diesen Krieg unbedingt verlieren müsse, dass das System Putin vernichtet werden müsse, etc. Und da ist natürlich inzwischen auch zu sehen, wie die sehr asozialen Medien dafür eingesetzt werden, um Menschen zum Abschuss freizugeben. Das kann bis ins Arbeitsleben eines jeden Einzelnen reichen, das kann bis zu Übergriffen führen. Wir haben inzwischen in Deutschland eine Art von „Neo-SA“, die sich irrwitziger Weise „Antifa“ nennt und extrem gewaltorientiert ist. Also all das sind Faktoren, warum vieles untergründig bleibt und Menschen sich nicht auf die Straße trauen und die Menschen auch nicht begreifen, dass es nicht mehr darum geht, welche Partei jemand bevorzugt oder wählt. Es geht um grundlegende Menschenrechte, um Frieden und Freiheit. Jeder ist aufgefordert, entweder sich dagegen zu stellen und Farbe zu bekennen oder sich mit einer eindeutigen Erklärung für die genannten positiven Dinge einzusetzen.

 

ROLF STOLZ (geb. 1949) studierte Psychologie in Köln und Tübingen. Damals begann er auch seine politische Karriere als Aktivist in der 68er Studentenbewegung und war zeitweise sogar Mitglied in der KPD/ML. 1980 gehörte er zu den Mitgründern der Grünen und wirkte 1980 und 1981 als Mitglied des Bundesvorstandes dieser Partei. Von 1990 bis 1998 setzte er sich als stellvertretender Vorsitzender des „Friedenskomitees 2000“ für Entmilitarisierung, Truppenabzug, Blockfreiheit und Selbstbestimmung ein. Von 2003 bis 2013 war Stolz regelmäßiger Kolumnist der Wochenzeitung Junge Freiheit. Er arbeitet heute als Publizist, Schriftsteller und Fotograph und ist nach wie vor Mitglied bei den Grünen. Seine vielfältigen Sachbücher beschäftigen sich mit gesellschaftspolitischen und künstlerischen Themen. Daneben veröffentlichte er auch eine Reihe literarischer Werke.

Zu seinen bekanntesten Werken gehören:
Der deutsche Komplex. Alternativen zur Selbstverleugnung.
Straube Verlag, Erlangen/Bonn/Wien 1990
Kommt der Islam? Die Fundamentalisten vor den Toren Europas.
Herbig Verlag, München 1997/2001

2 Antworten auf “„Als Öko-Partei völlig entkernt“

  1. Interessant, aber wo ist denn hier das Thema Pharma-Industrie und Gentechnik? Sehr merkwürdig. Schließlich haben wir noch alle im Ohr: Bloß keine Gentechnik! – und dann haben diese Grünen sich das dreckige Zeug selbst gespritzt, und sie wollten auch noch andere zur Gen-Spritze gegen den Virus verpflichten. Die Zahl der Opfer der steigt. Den Amis sei auch hier insbesondere gedankt. Danke auch an die Virenlabore. Ganze Arbeit geleistet!

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  2. Rolf Stolz ist ein feiner Kerl und einer meiner Mitstreiter der ersten Stunde. Alle Versuche, ihn aus seiner Partei raus zu schmeissen misslangen grandios.

    Bis heute ist er ein Stachel im Fleisch der Grünen. Die konnten mit der Kritik am politischen Islam, wie sie Rolf Stolz in seinen Veröffentlichungen betreibt, schon damals nichts anfangen, geschweige denn heute.

    Er hat die Wandlung der Grünen von einer pazifistischen, menschenrechtsorientierten Ökopartei zu der jetzigen totalitären, bevormundenden Kriegstreiberpartei in allen seinen Entwicklungsstufen hautnah erlebt. Dabei blieb er sich in seinen Überzeugungen treu. Im Gegensatz zum dilettantischen Parteipersonal von heute.

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