EU-Gelder
„Wo liegt das Problem?“
„Berühmt“ wurde der Ort Nyírmártonfalva durch einen Artikel des Enthüllungsportals atlatszo.hu. Das Portal machte sich vor wenigen Wochen über den Baumkronenpfad inmitten einer „Puszta“-Landschaft lustig. Bürgermeister Mihály Filemon forderte unverzüglich eine Richtigstellung des Artikels, denn die besagten EU-Gelder (60 Mio. Forint, zu heutigen Preisen rund 155.000 Euro) seien noch gar nicht geflossen. Außerdem sei der angelegte Holzsteg (auf den Fotos) nicht nur 50 Meter lang, wie atlatszo.hu fälschlich behauptete, sondern erstrecke sich über 80 Meter.
Bäume waren keine Bedingung
Warum rings um den Baumkronenpfad keine Bäume stehen, habe mit den seit Jahren ausbleibenden Fördermitteln zu tun: Das Geld für das Projekt habe er 2017 gewonnen, der vorhandene Wald sei aber in der Zwischenzeit so hoch gewachsen, dass dieser reif zum Abholzen gewesen sei. Das geschah 2022, also parallel zu den Bauarbeiten für den Baumkronenpfad, der nun ungefähr zehn Jahre warten muss, bis die Neuanpflanzungen eine „ansehenswerte“ Höhe erreichen. Tatsächlich soll der Unternehmer 2017 in einer zweiten Ausschreibung sogar 600 Mio. Forint für Aufforstungsprogramme gewonnen haben (auch diese Summe bestreitet er). Wo der neue Wald angepflanzt werden sollte, bleibt undurchsichtig.

Filemon ist seit Jahrzehnten als Unternehmer aktiv, der erfolgreich EU-Gelder für verschiedenste Projekte abschöpft. Vor drei Jahren wurde er zum Bürgermeister des Dorfs mit rund 2.000 Einwohnern gewählt. Er hält seinen Kritikern am Projekt des Baumkronenpfads entgegen, es sei keine Bedingung für die Investition in den Holzsteg gewesen, dass dieser durch einen Wald verlaufen müsse.
Nyírség vielleicht nicht der ideale Ort
Der Unternehmer-Bürgermeister erklärt, wenn die EU etwas ausschreibt, müsse man das nutzen; die Ausschreibungen seien sehr gut, die Kriterien sehr streng. Geflossen sei allerdings bis heute kein Geld. Oppositionspolitiker monierten, dass im Umkreis von 15 km gleich vier Baumkronenpfade angelegt wurden. Dazu meinte Filemon gegenüber dem regierungskritischen Privatsender RTL: „Wenn es eine Ausschreibung gibt, darf sich jeder daran beteiligen. Ich verstehe nicht, was hier das Problem sein soll.“
Bei einem Baumkronen- oder Baumwipfelpfad stellt man sich Konstruktionen in luftigeren Höhen von einigen zig Metern vor, in Deutschland sind die bekannten Naturpfade in 25-45 Metern Höhe angelegt. Die Länge bewegt sich gewöhnlich um einige hundert Meter, in Ausnahmefällen sind es mehr als tausend Meter. Gezeigt werden besondere Baumbestände in Naturparks oder anderen Naturschutzgebieten.
Das alles findet sich in der Nyírség nicht. Allerdings ist diese Gegend für Kenner der skurrilen Vergabe von EU-Geldern schon längere Zeit bekannt. Denn noch vor dem Boom mit den Baumkronenpfaden wurden dort allerhand Aussichtstürme ohne Aussicht gebaut – es ist halt Flachland.

Erst neulich war ich auf solch einem Aussichtsturm. Er war versteckt an Rande eines Feldes und schon etwas zugewuchert. Alt war er nicht, aber schon reichlich beschädigt und langsam verfallend. Immerhin war er stand er an einem Waldrand und bot einen Blick auf Bäume und auf einer Seite auf Felder.
Auch EU-Mittel kann man nur einmal ausgeben – man muss sich schon fragen, warum für einen Turm, um den sich niemand kümmert und den niemand nutzt.