Flughafen
Nach Jahren des „Fremdgehens“ ist der internationale Flughafen „Ferenc Liszt“ nun wieder in ungarischer Hand. Foto: BZ / Jan Mainka

Flughafen-Rückkauf

Wirtschaftsminister: „Damit tilgen wir eine historische Schuld“

„Wir haben den Flughafen zurückgeholt, dieser befindet sich nun wieder in ungarischer Hand.“ Mit diesen Worten feierte Wirtschaftsminister Márton Nagy laut Presseaussendung des Fachressorts die Unterzeichnung des Kaufvertrags am späten Donnerstagnachmittag. Neben dem Kaufpreis in Höhe von 3,1 Mrd. Euro übernimmt der ungarische Staat mit seinem Juniorpartner auch Kredite über 1,44 Mrd. Euro.

Die Verhandlungen dauerten über ein Jahr an, bevor am 6. Juni 2024 der Kaufvertrag über die Budapest Airport (BA) Zrt. geschlossen werden konnte. Damit gelangt der internationale Flughafen „Ferenc Liszt“ nach knapp 20 Jahren zurück in nationales Eigentum. Wie es in der Presseaussendung weiter heißt, habe die sozialistisch-liberale Gyurcsány-Regierung im Jahre 2005 den „nationalen Schatz verschleudert“, indem diese einen für den Staat extrem unvorteilhaften Vermögensverwaltungsvertrag abschloss.

Eine Hauptschlagader

„Die Kontrolle über einen Flughafen ist eine Souveränitätsfrage, denn es geht hier nicht nur um Personenbeförderung und Tourismus, auch die Güterbewegungen sind von strategischer Relevanz. Es handelt sich schlicht um eine Hauptschlagader des Wirtschaftskreislaufes“, schreibt das Wirtschaftsministerium. Deshalb habe sich die Linke mit der verfehlten Privatisierung eine „historische Schuld“ aufgeladen. Obendrein geschah der Verkauf vollkommen unnötig zu Friedenszeiten, bei Hochkonjunktur. Die Orbán-Regierung zeigte sich im Gegensatz dazu noch in Kriegszeiten imstande, diesen „unverzeihlichen Fehler“ zu korrigieren und den Flughafen „Ferenc Liszt“ in nationalen Besitz zurückzunehmen.

Anteile Achtzig zu Zwanzig

Es handelt sich um eine überaus komplexe Transaktionsserie, die den höchsten Wert unter allen derartigen Transaktionen im Nachwende-Ungarn erreicht. Die staatliche Corvinus Investment Zrt. erwirbt die BA Zrt. gemeinsam mit der französischen Vinci Airports vom Investorenkonsortium aus AviAlliance, GIC und CDPQ. Die Komplexität der Transaktion unterstreicht, dass eine Übereinkunft mit den internationalen Gläubigern getroffen werden musste, die den Flughafenbetrieb schon bislang finanzierten und dies offenbar auch weiterhin tun. Der Staat erwirbt 80% an der BA Zrt., die Vinci-Gruppe als Betreiber von mehr als 70 Flughäfen weltweit 20%. Neben dem Kaufpreis von 3,1 Mrd. Euro konnte eine Verlängerung der Kreditvereinbarung über 1,44 Mrd. Euro erzielt werden.

Mehr als 700 Mio. Euro erlöst

Das Wirtschaftsministerium erinnert daran, dass der Staat mehrere Beteiligungen veräußerte, um den Kauf des Flughafens finanzieren zu können. So wurden die an der Erste Bank Hungary Zrt. und an Yettel Magyarország gehaltenen Anteile komplett verkauft, die Geschäftsanteile an den hiesigen VIG-Gesellschaften von 45% auf 10% gesenkt. Aus diesen drei Transaktionen konnte der Staat Gesamterlöse von mehr als 700 Mio. Euro erzielen, die für den Kauf der BA Zrt. eingesetzt wurden. Zudem gewährt die staatliche Eximbank einen Kreditrahmen.

„Noch eine letzte Dividende“

Gerade erst berichteten wir, dass die BA Zrt. mit 14,7 Mio. Passagieren und einem Güterumschlag von 200.000 t im vergangenen Jahr bei Nettoumsatzerlösen von 338 Mio. Euro ein Ergebnis nach Steuern in Höhe von 78 Mio. Euro verzeichnen konnte. Die daraus ausgeschütteten 43 Mio. Euro beschrieben wir als „die vermutlich letzte Dividende“ vor dem lange angekündigten Verkauf des Flughafens an den Staat.

5 Antworten auf “Wirtschaftsminister: „Damit tilgen wir eine historische Schuld“

  1. Bei einer Verstaatlichung übernimmt der Staat die Verantwortung und den Besitz von wirtschaftlichen Institutionen, die eigentlich im Privateigentum sind. Ob Kauf oder Enteignung spielt dabei keine Rolle, nur die Besitz- oder Eigentumsverhältnisse und die Verfügungsgewalt sind dabei maßgebend.

    Siehe auch Gabler Wirtschaftslexikon:

    „Unter Verstaatlichung wird sowohl die Sozialisierung von Privateigentum als auch eine Nationalisierung von Verkehrs- und Versorgungsbetrieben in allen denkbaren Rechtsformen (z.B. Eisenbahnen, Bergbau in England) verstanden. Gegensatz zu Privatisierung.”

    Deshalb ist der Begriff Verstaatlichung hier korrekt gewählt. Man vermengt im privaten Sprachgebrauch den Begriff Verstaatlichung immer mit dem Begriff der Enteignung, was aber falsch ist.

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  2. Ich denke dass man zurecht spekulieren darf, dass deutsche Medien eben genau deshalb den Begriff “Verstaatlichen” gewählt haben, weil dieser allgemein mit dem Vorgang der Enteignung in Verbindung gebracht wird, auch wenn es sich nicht zwingend um eine Enteignung handeln muss.

    Es geht den deutschen Medien schließlich nicht erst seit gestern darum, das Ansehen der ungarischen Regierung zu beschmutzen.
    Das sollte niemanden überraschen, denn die großen Medien – ausser den ÖR, die von einer fremdgesteuerten Regierung kontrolliert werden – sind alle im Besitz von Konzernen. Und Konzerne stehen bekanntlich nicht auf der Seite derer, die Privatisierungen rückgängig machen.

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    1. Genau habe ich auch gedacht.. In Ungarn hieß es nach 1945 : Privateigentum ohne Bezahlung enteignen, verstaatlichen. Also einfach wegnehmen. Meine Großeltern und Eltern konnten darüber
      genug erzählen, was mit ihrem Eigentum geschah. Deshalb war uber den Artikel böse.

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