Aus dem Parlament
Ungarns Ausnahmezustand wird beendet
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Ungarn hat am Dienstag die Beendigung seiner von den internationalen Medien heftig attackierten Notstandslage eingeleitet. Die Maßnahmen des Landes in der Coronavirus-Krise glichen im Wesentlichen jenen vieler anderer Länder, aber unterschieden sich darin, dass die Notstandslage („Gefahrenlage“) zeitlich nicht befristet war.
Epidemie unter Kontrolle
Das brachte der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán Vorwürfe vieler westlicher Medien und mancher Politiker ein, er wolle eine „Diktatur“ errichten. Die Regierung argumentierte dagegen, es gebe sehr wohl eine (indirekte) zeitliche Begrenzung: Laut dem Gesetzestext gelte die „Gefahrenlage“ nämlich nur so lange, bis die Epidemie unter Kontrolle sei. Das Parlament könne sie zudem jederzeit zurückziehen.
Das wurde jetzt am Dienstag initiiert. Die Regierungspartei Fidesz brachte einen Antrag im Parlament ein, wonach das Hohe Haus die Regierung auffordern möge, die Gefahrenlage für beendet zu erklären. Ungarn hat die Epidemie dank rechtzeitig getroffener und straffer Maßnahmen unter Kontrolle, es gibt nur noch wenige Infizierte, und gab nie viele.
Mit dem Ende der Notstandslage verlieren alle in deren Rahmen per Dekret verfügten Maßnahmen ihre Gültigkeit. Abgestimmt wird voraussichtlich im Juni – bis zum 20. Juni soll die „Gefahrenlage“ beendet sein.
Insbesondere verliert mit Beendigung der „Gefahrenlage“ auch das umstrittene Verbot des Verbreitens von Falschnachrichten und „Panikmache“ seine Gültigkeit. Das war mit hohen Haftstrafen belegt worden. In rund 100 Fällen wurden Ermittlungen eingeleitet, meist gegen „Spaßvögel“, die irre und teilweise gefährliche „Nachrichten“ auf Facebook verbreiteten – etwa, dass alle Patienten eines örtlichen Krankenhauses mit Covid-19 infiziert seien, oder dass die Hauptstadt Budapest am nächsten Tag abgeriegelt würde (was manche Budapester zur „Flucht“ in die Provinz verleitete).
Fake News-Gesetz verliert Grundlage
In zwei Fällen jedoch ging die Polizei auch gegen politisch engagierte Bürger vor, die in Facebook-Posts Ministerpräsident Orbán kritisiert hatten. Die Ermittlungen wurden noch am selben Tag als gegenstandslos abgebrochen, Justizministerin Varga und Kanzleramtsminister Gergely Gulyáas sagten öffentlich, die Polizei habe sich geirrt und falsch gehandelt. Das Fake News-Gesetz bleibt zwar weiterhin bestehen. Da aber im Gesetzestext steht, dass es nur in Zeiten einer „Gefahrenlage“ gilt, ist es mit deren Beendigung nicht mehr anwendbar.
Da aber eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen weiterhin erforderlich bleibt, wird die Regierungspartei einen Gesetzentwurf im Parlament einbringen mit einer Liste der Regelungen, die noch einige Zeit weiter gelten sollen. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft, die Beibehaltung des Covid-19-Krisenstabs (für den Fall, dass eine weitere Welle der Epidemie kommt), und eine Verlängerung der Gültigkeit ablaufender oder abgelaufener Personalausweise bis Ende des Jahres, damit nicht Zehntausende Bürger die Einwohnermeldeämter überlasten. „Zu 95 Prozent geht es da um technische Dinge”, sagt Kanzleramtsminister Gergely Gulyás im BZ-Interview, dass Sie auf den folgenden drei Seiten lesen können.