Protestaktion der Richter
Unabhängigkeit in Frage gestellt
Die Landesvereinigung der Richter (MABIE) organisierte die Protestaktion gegen die Justizreform, mit der die Orbán-Regierung nach ihrer Ansicht den Spielraum der unabhängigen Richter einschränken will. Die Veranstaltung mit mehreren tausend Teilnehmern begann vor dem Parlament und setzte sich als Marsch durch die Innenstadt vor das Gebäude des Justizministeriums fort. Der als politikfrei deklarierte Protest wurde von verschiedenen europäischen Organisationen unterstützt.
Keine Demokratie ohne freie Gerichte
„Wenn ich nicht auszusprechen wage, was ich denke, dann habe ich auch kein Recht, daran zu glauben“, sagte die MABIE-Vorsitzende Katalin Boros. Die Justizreform erlebte keine echten Konsultationen, die Mitarbeiter wurden in materielle Abhängigkeiten gebracht. „Wenn die Unabhängigkeit der Richter erschüttert wird, dann sind die Rechte aller Bürger in Gefahr.“ Ein anderer Redner kritisierte am Beispiel der Gerichtssekretäre, dass für gleiche Arbeit nicht der gleiche Lohn gezahlt werde.

Mikal Sjoeberg von der Europäischen Vereinigung der Richter (EAJ) betonte, es sei nicht alltäglich, dass die Richter auf die Straße ziehen – aber wenn das geschehe, müsse man seine Solidarität bekunden. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie werden ohne freie Gerichte nicht funktionieren. Die EAJ unterstützte die MABIE fachlich bei der Formulierung von Eingaben an Justizminister Bence Tuzson. Ebenso bezeichnete der Präsident der Internationalen Richter-Vereinigung (IAJ), Duro Sessa, die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Richter als Unterpfand für die Wahrung der Menschenrechte.
Falsche Denkweise
Der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofes, András Baka, bedauerte, dass der Präsident der Kurie nicht an der Aktion teilnahm. Es sei eine falsche Behauptung, die Richter hätten kein Recht zur freien Meinungsäußerung. Das verstoße nicht gegen den Grundsatz, dass sie nicht offen politisieren dürfen. Das Verfassungsgericht sei nicht unabhängig, wenn seine Mitglieder von einer einzigen Partei bestimmt werden. Baka kritisierte heftig das Ende einer einheitlichen Gehaltstabelle und die gefährliche Differenzierung der Richterbezüge.
Unabhängige Justiz gibt es höchstens in wenigen Ländern auf der Welt, daß also die Richter selbst ihre Nachfolger ernennen. Überall oder fast überall sind es Parlamente oder Regierungen (was meist das gleiche bedeutet), die sie aussuchen und ernennen. Und wen stört es? Fast jeder in jedem Land will alle Macht für seine Wunschpartei. Aber es hätte auch nichts mit Demokratie zu tun, sollten Richter selbst ihre Nachfolger ernennen. Wenn nun Präsidenten und Parlamentarier auch selbst ihre Nachfolger ernennen würden, statt das Volk wählen zu lassen? Gäbe es aber Richterwahlen durch das Volk, würden die meisten Leute die gleiche Partei wählen wie für das Parlament, also zeigen, daß sie von Gewaltenteilung nichts halten.
So viel Richter waren wohl nicht dabei. Es wurden auch Journalisten angegriffen. Mit den Verdiensterhöhungen verdienen die Richter rund 5.000 € – höher, als EU durchschnitt.
Wenn man dazu rechnet, dass sie 15 % Einkommen Steuer zu bezahlen haben und Energiepreise die Niedrigsten in der EU sind, die Lebenserhaltungskosten dadurch nicht die Höchste in der EU sind – so wenig verdienen sie dann auch nicht.
Es ging ja auch nicht um die Höhe der Bezüge.