Sanktionspolitik
Ministerpräsident Viktor Orbán: „Wir helfen den Ukrainern in der Not, ohne unsere eigenen Interessen aufzugeben.“ Foto: MTI/ Zoltán Fischer

UPDATE - Orbán zu Sanktionen

„Unser Widerstand ist nicht übertrieben“

Infolge der gestiegenen Energiepreise muss Ungarns Wirtschaft 6 Mrd. Euro, der Fiskus weitere 4 Mrd. Euro „wegstecken“. Dieses Geld fehlt für soziale Zwecke, erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán am Freitag, der gleichzeitig großzügige Beihilfen für die Ukraine ankündigte.

„Bei der Sanktionspolitik handelt es sich um keine prinzipielle Frage, denn sie hat die Energiepreise ausufern lassen“, wiederholte Ministerpräsident Viktor Orbán den bekannten Vorwurf, als er auf der Ständigen Konferenz der Auslandsungarn (Máért) das Wort ergriff. Es entstehe ein Defizit von rund 10 Mrd. Euro, von denen 6 Mrd. Euro die Wirtschaft schlucken müsse. Den Staatshaushalt treffe derweil eine Last von 4 Mrd. Euro oder 1.600 Mrd. Forint. „Das ist der Betrag, der dem Land für soziale Zwecke wie Lohnerhöhungen oder Steuersenkungen fehlt.“ Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheine Ungarns Widerstand gegen die Sanktionen nicht überzogen.

Bereits am Freitagmorgen im Kossuth-Radio stellte der Ministerpräsident klar, dass Ungarn die Sanktionspolitik nie befürwortete und diesen Standpunkt auch künftig nicht ändern wird. Es ginge aber auch nicht an, gegen jeden Schritt ein Veto einzulegen, weshalb Budapest immer wieder auch Zugeständnisse macht. „Wir halten jedoch an Ausnahmeregelungen fest, wenn diese für die Bewahrung unserer Interessen notwendig sind.“ In diesem Sinne habe sich Ungarn der schädlichsten Auswirkungen der Sanktionen zu entziehen vermocht. Sollte es ein 9. Sanktionspaket geben, werde Ungarn in der existenziellen Frage der Nuklearenergie eine Befreiung erreichen, zeigte sich Orbán zuversichtlich.

Ungarn hilft Ukraine bilateral

Orbán bezog vor den Repräsentanten der Auslandsungarn natürlich auch Stellung zum Ukraine-Krieg. Er bekräftigte, dass Ungarn die russische Aggression verurteilt und dem ukrainischen Volk hilft, was aber nicht gleichzusetzen sei damit, die eigenen Interessen hintenanzustellen. Es gehe Ungarn nicht darum, ob sich die Hilfe rentiert, Ungarn helfe den Ukrainern in der Not. Aber: „Wir können nicht akzeptieren, dass die EU-Mitgliedstaaten gemeinsame Schulden aufnehmen, um der Ukraine damit zu helfen.“

Besser sollte geprüft werden, wie viel Geld vonnöten sei, um diesen Betrag dann verhältnismäßig und fair untereinander aufzuteilen. Der Ministerpräsident nannte eine Summe von 60-70 Mrd. Forint (rund 150-175 Mio. Euro) jährlich, die Ungarn der Ukraine im Rahmen bilateraler Vereinbarungen aus dem eigenen Staatshaushalt zur Verfügung stellen würde. Auf diese Weise würden die ungarischen nationalen Interessen nicht grundlegend verletzt, auch wenn dieses Geld dem Fiskus natürlich fehlen wird.

Würde Ungarn stattdessen dem Druck nachgeben und einer gemeinsamen Kreditaufnahme zustimmen, wäre die EU-Schuldenunion nicht mehr aufzuhalten.

EU-Kommissar sieht politische Erpressung

Damit nahm Orbán EU-Kommissar Johannes Hahn den Wind aus den Segeln, der sich darüber echauffierte, Ungarn blockiere als einziger Mitgliedstaat die neuen Gemeinschaftsschulden für die Ukraine. Der Österreicher warf der Orbán-Regierung politische Erpressung vor, der es gar nicht um die Größenordnung der Gelder gehe. Ungarns Verhalten sei lächerlich, das eigentliche Ziel offenkundig. Der Kommissar fügte hinzu, man werde „dieses Problem lösen, ohne in anderen Fragen nachzugeben“. Hahn machte diese Äußerungen vor dem Europaparlament, obgleich Außenminister Péter Szijjártó schon Wochen zuvor seiner bundesdeutschen Amtskollegin auf ähnliche Vorwürfe entgegnet hatte, Ungarn handle nicht taktisch, sondern aus Prinzipien: Europa sollte seine Zukunft nicht in Richtung großer Schuldenberge suchen.

Vor den Repräsentanten der Auslandsungarn erteilte Orbán der von Brüssel angestrengten Schuldenunion eine Abfuhr. Foto: MTI/ Zoltán Fischer

11 Antworten auf “„Unser Widerstand ist nicht übertrieben“

  1. Die Orban-Regierung möchte also lieber Ungarn zu hohen Zinsen Kredite aufnehmen lassen, um bilateral der Ukraine zu helfen, statt zu weit besseren Konditionen gemeinsam mit den EU-Partner ein Hilfspaket zu schnüren.

    Wie soll dies zum Vorteil der ungarischen Steuerzahler sein?

    Da drängen sich andere Gründe regelrecht auf.
    Fidesz hat über die Jahre der Orban-Regierungen eine Politik betrieben, die das Vertrauen der EU-Partner aufrieb.
    Nun muss die Orban Regierung mit allen Mitteln versuchen, in kurzer Zeit die Freigabe der EU-Gelder zu erwirken.
    Denn wie sagte es doch ein hoher PiS-Politiker: Die ungarische Wirtschaft stehe vor dem Zusammenbruch.

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  2. Ungarn und auch andere Nationalstaaten wollen kein Schuldenunion. Punkt. Auch Drutschland hat heilig ausgesprochen, dass es niemals dazu kommt. Deutschland muss darüber sich freuen, dass es nicht für Schulden anderen Ländern zu Kasse gebeten wird.
    Die ” Griechenrettung” nannten sie eine Ausnahme, sehr wohl deshalb, weil die Gelder in die € Länder- in die Banken- zurückgeflossen sind, also Frankreich, Deutschland hauptsächlich ihre eigene Banken gerettet haben.

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  3. Schauen WIE LANGE GILT SCHON Landesausgleicht? Berlin wurde seit der Ewigkeit von Bayern, Hessen und Baden-Württemberg finanziert. Lesen Sie in Tichys Ansichten über die vergammelte Hauptstadt. Mit Wahlbetrug hoch 2, Schwindel – es geht nicht mehr – und großzügige Leistungen für NICHTSTUN – auf kosten anderen. Berlin ist arm, aber sexy von dem Ex Bürgermeister gilt auch nicht mehr, weit weg vom sexy. Vergammelt, abgewirtschaftet trotz Länderausgleich für die Ewigkeit. Nein, Schuldenunion bringt nichts und auch nicht – wie wir sehen -Länder Ausgleich.

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    1. Und Bayern war zu Beginn der Bundesrepublik ein Agrarland und wurde durch Baden Württemberg und NRW gepäppelt.

      Ein Stadtstaat wie Berlin, der auch noch Bundeshauptstadt ist, benötigt natürlich Zuwendungen der Flächenstaaten. Dafür kann der Schwabe sich dort dann auch mal eine Wohnung kaufen oder einfach nur seinen Urlaub verbringen.
      Andererseits bringt der TGV den Stuttgarter in 3 Stunden nach Paris – das ist die EU.

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        1. Bayern verdankt seinen heutigen Wohlstand auch dem Marschall-Plan der USA und dem Länderfinanzausgleich, von dem das Bundesland sehr lange profitiert hatte.
          In den 10 Jahren Strauß-Regierung wuchs das BIP Bayerns nicht ungewöhnlich stark.

          Die wirtschaftlich starken Regionen Ungarns unterstützen übrigens die schwächeren Regionen finanziell ebenfalls.

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    1. Die Parlamentswahl in der Ukraine 2019 ging recht eindeutig aus.

      Ein Putsch hat üblicherweise zur Folge, dass eine kleinere Gruppe die Staatsgewalt übernimmt.
      Eine demokratische Wahl ist das Gegenteil davon.

      Jede Krise bietet auch Chancen – sie födern Erneuerungsprozesse.
      Nur die Rechten reden ständig vom Niedergang der europäischen Industrie, während in der Realität neue Fabriken gebaut werden.

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      1. Ich schrieb von 2014! Ein typischer Hatzig-Trick.
        Und wenn man bedenkt, wer 2019 die Strippen zog und die mediale Macht hatte, braucht man sich über nix zu wundern.
        Dass mit den Chancen mag schon sein. Aber es ist sehr viel besser, wenn Prozesse nicht übers Knie gebrochen werden. Der Schuss kann auch nach hinten losgehen, wie die Rakete der Ukraine auf polnisches Gebiet. Zwei Menschen sind gestorben. Woanders sind es tausende. Aber als Freund des Regime-Change sieht man das natürlich anders. Wir wissen schon.

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