Ärzte und Politik
Rebellion der Kammer?
Die Hauptbotschaften der Kampagne sind jedoch an Stelle der ursprünglich geplanten 350 Plakate nur an 70 öffentlichen Plätzen in den Großstädten zu finden. Der Grund: Ein erheblicher Teil der inländischen Plakatfirmen zog sich im letzten Moment vor Beginn der Kampagne von der Verpflichtung zurück, die bereits gedruckten Plakate auszustellen. Daher habe sich der Fokus der Kampagne auf den Online-Bereich verlagert, erklärte die MOK-Führung auf einer Pressekonferenz. Die kritischen statistischen Daten, die der Staat offenkundig nicht in der Öffentlichkeit sehen wollte, sind auf der offiziellen Website der Kampagne tobbeterdemel.hu zu finden. Gleichzeitig kann jeder online mit seiner Unterschrift die Initiative der Kammer unterstützen. Ziel der Kampagne ist es, auf die Bedeutung der Gesundheitserhaltung und einer umsichtigen Patientenversorgung aufmerksam zu machen.
Eine moralische Pflicht
Dies ist nicht nur eine moralische Pflicht der öffentlichen Körperschaft, die die ungarische Ärzteschaft vertritt, sondern auch eine ihr durch das Gesetz zugewiesene Aufgabe. Anhand dessen muss die Kammer zur Gestaltung der Gesundheitspolitik, zur Entscheidungsfindung anderer den Gesundheitssektor betreffender Entscheidungen und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung entsprechend ihrem sozialen Gewicht und ihrem intellektuellen Kapital beitragen.
Zum Abschluss der öffentlichen Plakatkampagne planen die MOK und die Ärztegewerkschaft MOSZ am 8. März eine Demonstration für das Gesundheitswesen. Einzelheiten der strikt parteipolitisch unabhängigen Veranstaltung werden später bekannt gegeben. Die Veranstalter bitten jedoch, dass sich die politischen Parteien fernhalten mögen und dass die Teilnehmer eventuelle Parteisympathien bei der Demonstration nicht zum Ausdruck bringen. Die Gesundheitsversorgung sei ein gesellschaftliches Thema, das über politische Überzeugungen hinausgeht.
Fachressort reagiert empört
Obgleich dieser Aufruf kaum misszuverstehen ist, reagierte das Innenministerium empört auf die Initiative der MOK. „Wir bedauern, dass die heutige Kammerführung offen politisch auftritt“, verbreitete das Fachressort über die amtliche Nachrichtenagentur MTI. „Dieses politische Engagement der MOK-Spitze dient höchstens der Opposition, aber gewiss nicht den Patienten.“ Dem folgte eine Aufzählung, wie viel Geld die Orbán-Regierung dem Sektor zukommen lasse. So erhalte das Gesundheitswesen heute 2.500 Mrd. Forint mehr als zu Zeiten der Links-Regierungen (laut MOK fehlt aber genau so viel, um den EU-Standard zu erreichen), die Gehälter der Ärzte hätten sich verfünffacht. Heute würden schon Berufsanfängern im weißen Kittel knapp 700.000 Forint als Grundlohn gezahlt, nach 20 Berufsjahren 1,5 Mio. Forint, nach 40 Jahren 2,4 Mio. Forint pro Monat. Diese Gehaltstabelle sei auf Vorschlag der Ärztekammer implementiert worden. Die MOK sollte statt politischer Stellungnahmen zum fachlichen Dialog zurückkehren.
