Interview mit Ministerpräsident Viktor Orbán
Vom ungarischen Erfolgsmodell lernen!
Das Brüsseler Magazin „Politico“ hat Sie zum „Spielverderber des Jahres“ gekürt. Was sagen Sie dazu?
Nun ja, wenn die Feier schlecht ist, kann ein Spielverderber ganz nützlich sein. Man sollte zur Einordnung wissen, dass diese Zeitung nicht aus Europa geleitet wird. Sie widerspiegelt vielmehr die Meinung eines großen politischen Akteurs von außerhalb Europas, die dieser zur europäischen Politik formuliert. Die Wortmeldungen aus dieser Ecke sollte man also entsprechend einordnen.
Es wurde also auf amerikanisches Geheiß formuliert, der ungarische Ministerpräsident nehme Brüssel mit seinen ständigen Vetos als Geisel, um an die EU-Gelder zu gelangen. Würden Sie uns helfen, diese Aussage zu interpretieren?
Ich kann mich an keinen derartigen Fall erinnern. Es ist nie vorgekommen, dass wir unseren Standpunkt in fachpolitischen Fragen abhängig davon formulieren, ob wir Geldmittel erhalten oder nicht. Ich bin stolz darauf, dass die ungarische Diplomatie diese beiden Dinge voneinander trennen kann. Es gibt zu jeder Zeit Finanzvereinbarungen und tiefergehende Angelegenheiten von fachpolitischer Bedeutung. Diese beiden Dinge dürfen nicht verwechselt werden. Ich habe den Sturz vieler Politiker erlebt, die nicht imstande waren, die Strategie von der Taktik loszulösen.
Nun sieht es so aus, als würde ein Teil der EU-Gelder fließen.
Das glauben wir erst, wenn wir das Geld auch wirklich sehen. Es ist ja kein Geheimnis, dass Ungarn sämtliche Wünsche Brüssels bis zu Ende verhandelt und erfüllt hat. Kein einziger Einwand bezüglich der Qualität unseres Staatswesens ist heute noch haltbar. Wir gingen sogar so weit, Lösungen zu implementieren, die überhaupt keinen tieferen Sinn haben, aber zumindest nicht schaden. Doch nun haben wir alle Hausaufgaben gemacht und verlangen nichts weiter, als das zu erhalten, was uns zusteht. Die Europäische Kommission hat uns gewissermaßen Brief und Siegel gegeben, dass unser Justizsystem absolut den europäischen Standards gerecht wird.
Die Linken können sich alle weiteren Beschwerden in Brüssel sparen. Im Übrigen hat der Umstand, wonach uns die Ungarn zustehenden Gelder vorenthalten wurden, eindrucksvoll ans Tageslicht befördert, dass unsere Volkswirtschaft auch ohne die EU-Transfers funktionieren kann.
Die Ukrainer haben von heute auf morgen mehrere Gesetzentwürfe durchgedrückt, die sich auf das Leben der nationalen Minderheiten auswirken. Sind diese Rechtsnormen aus unserem Blickwinkel betrachtet ausreichend?
Vor acht Jahren wurden die Ungarn in Transkarpatien ihrer Rechte beraubt. Wir haben vom ersten Moment an dagegen protestiert und dafür gekämpft, dass ihnen diese Rechte zurückgegeben werden. Vorläufig ist das nicht geglückt. Jetzt kam irgendwie aus heiterem Himmel ein Gesetz zustande, das Zugeständnisse an die Ungarn macht. Wir werden es genau analysieren, ohne große Hoffnungen daran zu knüpfen. Die Lösung wäre einfach, denn sie liegt auf der Hand: Die Ukrainer müssen den nationalen Minderheiten die 2015 entrissenen Rechte zurückgeben!
Die Ukraine stand auch im Mittelpunkt des jüngsten EU-Gipfels. Sie hatten im Vorfeld erklärt, es werde von ungarischer Seite keine Zustimmung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen geben. Schließlich wurde die Entscheidung doch getroffen, ohne Ungarn. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Für die Beitrittsverhandlungen sind ebenso wie für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union strenge Rahmenbedingungen niedergelegt worden, die Voraussetzungen sind genau definiert. Nur wer diesen Bedingungen gerecht wird, darf auf eine positive Aufnahmeentscheidung hoffen. Eigentlich wird diese Qualität des Bewerbers bereits für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen verlangt. Die EU bricht nun jedoch mit dieser bewährten Praxis, indem man geostrategische Belange in den Raum stellt.
Dabei befindet sich die Ukraine überhaupt nicht in dem Zustand, um in Beitrittsgespräche zu gehen, so sehr dies aus politischen Gründen auch gewünscht wird. Ich habe acht Stunden lang versucht, die anderen Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat zu überzeugen, diese überhastete Entscheidung auszusetzen und das Thema lieber später auf die Tagesordnung zu setzen. Denn wer schlecht hilft, richtet mehr Schaden an, als würde er gar nicht helfen. Aber ich blieb allein. So stand als einzige Frage im Raum, ob die anderen ihren Standpunkt Ungarn aufzwingen können. Das konnten sie nicht. Damit ist die europäische Einheit in Sachen Ukraine verloren gegangen.
Sie sagten mir, sie seien sechsundzwanzig, und ich sei allein. Ihr Hauptargument lautete, Ungarn verliere nichts, denn das letzte Wort über eine Mitgliedschaft sprechen die nationalen Parlamente. Zumal jetzt ja erst ein langjähriger Prozess in Gang gesetzt wird, bei dem die ungarische Regierung ungefähr fünfundsiebzig Gelegenheiten erhält, den Prozess jederzeit wieder zu stoppen. Schließlich verständigte ich mich mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz darauf, dass Ungarn an dieser schlechten Entscheidung nicht teilnehmen wird, weil es dafür keine Verantwortung übernehmen kann. Wir griffen zur gleichen Lösung, wie einst de Gaulle.
Warum hat Ungarn ein Veto gegen zusätzliche EU-Gelder für die Ukraine eingelegt?
Es handelt sich um 50 Milliarden Euro. Obendrein muss die EU dafür erneut Kredite aufnehmen. Damit aber haben wir ausgesprochen schlechte Erfahrungen, denn der Corona-Wiederaufbaufonds ist weitgehend gescheitert.
Es kann nicht sein, dass man die materiellen und wirtschaftlichen Folgen der falschen Entscheidung über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine auf uns abwälzen will. Sollen doch bitte jene zahlen, die diese schlechte Entscheidung getroffen haben!
Ungarn wird immer wieder die Notbremse ziehen, wenn unsere nationalen Interessen in Gefahr sind. In diesem vorgesteckten Rahmen sind wir jedoch zu Verhandlungen über Finanzhilfen für die Ukraine bereit.
Die USA wollen offenbar immer weniger Unterstützung für die Ukraine gewähren und die Finanzierung des Konflikts Europa aufhalsen. Das Drängen auf eine EU-Mitgliedschaft des Landes weist in diese Richtung.
Das sind reine Spekulationen, wobei nicht auszuschließen ist, dass diese zutreffen. Aber warum kommen überhaupt solche Spekulationen auf? Weil die Ukraine zu verlieren droht. Erinnern wir uns an die Strategie, wonach Amerika und Europa glaubten, die Ukrainer könnten den russischen Aggressor mit ihrer Hilfe an der Front besiegen. Das würde eine innenpolitische Krise in Russland auslösen und eine neue Führung in Moskau bringen, mit der man einen Frieden aushandeln wollte. Das war der Plan, der aber – wie sich Tag für Tag deutlicher zeigt – nicht funktioniert. Nun mehren sich die Eingeständnisse, die Ukraine wird nicht siegen können. Das haben wir von Anfang an gesagt.
Der Krieg ist kein Wunschkonzert, es ist eine Frage der Kräfteverhältnisse. Und nun stehen sie nackt da und wollen die Verantwortung von sich schieben. Wer will denn im Präsidentschaftswahlkampf in den USA eingestehen, nach Afghanistan auch die Ukraine vergeigt zu haben? Ein Amtsinhaber wird das natürlich nicht tun, der Herausforderer aber wird nie im Leben einen Plan finanzieren, der ganz offenkundig gescheitert ist. Es wird der Augenblick kommen, da auch die europäischen Politiker ihren Wählern gegenüber einräumen müssen, dass sie sich geirrt haben und weitere Euro-Milliarden fällig werden. Es gibt keinen Ausweg aus dieser Falle. Wir Ungarn haben von Anfang an gesagt, man sollte auf einen Waffenstillstand und auf Friedensverhandlungen hinarbeiten, statt Illusionen zu verfallen.
Ich sehe kein überzeugendes Argument, wie die Fortsetzung der jetzigen Strategie den militärischen Sieg der Ukraine bringen soll. Aber tagtäglich sterben Hunderte und Tausende. Wir erleben hier einen brutal ausgetragenen Konflikt, der in seiner Härte und Unbarmherzigkeit mit dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen ist. Ganz zu schweigen von jenen Momenten, als nicht einmal eine atomare Eskalation ausgeschlossen werden konnte.
Sind Treffen mit Wladimir Putin in dieser Situation – wie westliche Politiker meinen – kein Tabu?
Der russische Präsident wurde vom König Saudi-Arabiens mit allen militärischen Ehren empfangen, in Peking war der Führer der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sein Gastgeber. Es zeugt von einem totalen Missverständnis der internationalen Politik durch den Westen, irgendwelche moralischen Botschaften daran knüpfen zu wollen, sich nicht mit Putin zu treffen. Man glaubt selbstgefällig, das könnte ihm schlaflose Nächte bereiten. In der Politik geht es um Ergebnisse, sie handelt von Konsequenzen und der Lebenswirklichkeit vieler Millionen Menschen. Und eben deshalb muss man sich immer treffen und verhandeln, muss man in Kontakt bleiben, wenn man Konflikte aus der Welt schaffen will.
Mich hat nie interessiert, was westliche Politiker dazu sagen, ob ich mich mit dem russischen Präsidenten treffe. Die Entscheidung darüber, was für die Interessen der ungarischen Nation richtig ist, sollten sie schon mir überlassen – da hat weder Brüssel noch Berlin hineinzureden.
Ihr jüngstes Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron verlief, wie die herzliche Begrüßung zeigte, ungeachtet der abweichenden Ansichten über Europa in einer angenehmen Atmosphäre. Gibt es so etwas wie eine Orbán-Macron-Achse?
Nein, die gibt es nicht. Man sollte sich schon seiner Position, der Gewichtsklasse des Landes bewusst sein. Ungarn ist ein stolzes Land, wir haben ein gesundes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Aber Frankreich mit seinen sechzig Millionen Einwohnern ist eine Atommacht, verfügt über Raumfahrtambitionen und ein fantastisches Potenzial. Das ist eine ganz andere Kategorie.
Richtig ist jedoch, dass ich mit Präsident Macron unsere gemeinsame Liebe – Europa – teile. Da er als Präsident nicht in tägliche Kämpfe um seinen Posten verwickelt ist, kann man mit ihm über Visionen und Konzeptionen reden. Das große Bild ist Teil der Politik, aber wer ständig um sein politisches Überleben ringen muss, kann sich diesen Luxus nicht leisten. Das ungarische Volk hat mir die Chance eingeräumt, dank der Zweidrittelmehrheit perspektivische Fragen zu beleuchten. Wenn ich mit Macron verhandele, sind diese Gespräche – ungeachtet der Tatsache, ob sie mit Erfolg enden oder nicht – immer spannend. Macron sieht ein progressiv-liberales, modernes Europa vor sich, wie es das noch nie gab. Aus meiner Sicht entspringen alle Probleme genau daraus, dass wir unsere Bindung an Wurzeln und Traditionen verloren haben. Ich glaube noch immer an eine christlich geprägte Erneuerung.
Sie erwähnten unsere Gewichtsklasse, haben aber auch wiederholt betont, wie wichtig es sei, Ungarn zum Treffpunkt der modernsten Unternehmen aus Ost und West zu machen. Doch nun droht, dass ein neuer Eiserner Vorhang im wirtschaftlichen Sinne aufgezogen wird. Sind unsere Träume nicht eine Nummer zu groß?
Das ist keine Frage der Größe, sondern der geographischen Lage. Ungarn ist nun mal der ideale Ort für ein Rendezvous zwischen Ost und West. Mein politischer Direktor Balázs Orbán hat eine auf Ungarn zugeschnittene Konnektivitäts-Theorie erarbeitet, Außenwirtschaftsminister Péter Szijjártó soll diese in die Sprache der Handels- und Investitionspolitik übertragen. Beide leisten Großartiges. In der Praxis bedeutet dies, dass neben einem deutschen Automobilwerk eine Batteriefabrik aus dem Fernen Osten angesiedelt wird. Natürlich findet diese Symbiose auch auf anderen Technologiefeldern statt. Ohne diese Bestrebungen wären wir für Westeuropa nur ein uninteressantes, armes Land an der Peripherie.
Gerade hat das Parlament ein Gesetz zum Schutz der Souveränität Ungarns verabschiedet. Vor wem wollen wir uns schützen: Vor unseren westlichen Verbündeten oder aber vor potenziellen Herausforderern aus dem Osten?
Wie es gerade fällt, also im Prinzip vor jedem. Souveränität ist ein absoluter Wert. Wir standen am Grab aller Imperien, die uns einst unterwerfen wollten, wir haben sie alle überlebt. Es ist eine wichtige Mission für die ungarische Politik und die jeweilige Regierung des Landes, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Das neue Gesetz war vonnöten, weil sich unlängst herausstellte: Obgleich der Schutz der Souveränität im Grundgesetz eindeutig niedergelegt ist, taten sich doch Löcher wie in einem Schweizer Käse auf. Und schon fanden sich raffinierte Zeitgenossen, um die Gesetze auszutricksen.
Bei den Parlamentswahlen 2022 ließ sich die Linke mit Dollarmillionen ihren Wahlkampf finanzieren. Es war der unverhohlene Versuch, den Willen der ungarischen Wähler aus dem Ausland gesteuert in eine den dortigen Kreisen genehmere Richtung zu lenken. Darauf haben wir mit Gesetzesänderungen reagiert, die den Schutz unserer Souveränität nun hoffentlich lückenlos garantieren können.
Sie sprechen immer wieder von Ost und West. Müssen wir denn wirklich die Wahl treffen?
In vielleicht zwanzig Jahren werden wir zurückblickend sagen können: Das waren die Jahre des elementaren Ringens gewaltiger geistiger und materieller Kräfte, die den Weltenlauf auf lange Jahre im Voraus bestimmten. Jetzt ist nicht die Zeit zu spekulieren, heute müssen wir kämpfen, wenn wir nicht wollen, dass die Welt in das Zeitalter der Blöcke und des Kalten Krieges zurückfällt. Ich habe meine ersten 26 Lebensjahre in jener Welt verbracht, weiß also, wovon ich rede, wenn ich sage: Das ist keine gute Idee. Wir müssen eine andere Richtung einschlagen, die der Freiheit und der Konnektivität.
Wie bewerten Sie die Aussichten bei den Europawahlen, wie sehen Sie die Chancen für ein Vorpreschen der neuen Rechten?
Meine Erwartungen an die europäische Politik wurden nicht nur einmal enttäuscht. Ich hatte auf eine rechte Gruppierung gehofft, die den Mitterechtsparteien der EVP begreiflich machen könnte, dass sie nicht ständig mit der Linken Bündnisse eingehen sollen. Das rechte Lager hätte Mehrheiten in Fragen wie der Migrationskrise, dem Gender-Wahn oder der Positionierung zum Krieg. Schon mehrfach wollte ich glauben, wir stehen kurz vor dem Durchbruch, und dann gelang dieser wieder nicht. Deshalb bin ich vorsichtig, denn Sie wissen ja: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.
Erlebten Sie eine ähnliche Katharsis mit Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin der EU?
Hinter ihrer Wahl stand tatsächlich eine Übereinkunft der Südländer, angeführt von Frankreich, mit den Visegrád-Staaten (V4). Es ging darum, Herrn Weber zu verhindern, der sich bereits sicher im Sattel wähnte, und anschließend noch Herrn Timmermans. Unter den gegebenen Alternativen war dies noch immer die beste Lösung. Es ist keine glückliche Ehe, aber es hätte noch schlechter ausgehen können. Auf jeden Fall sind wir froh, dass diese fünf Jahre bald um sind.
Einer Wiederwahl würden Sie demnach nicht zustimmen?
Für wen halten Sie mich?! Wir haben Ursula von der Leyen rein gar nichts zu verdanken, was eine Unterstützung verdient hätte. Die EU erlebte fünf führungsschwache Jahre. Nun sollte besser jemand anderes das Steuer in die Hand nehmen, um eine neue Richtung vorzugeben.
Hätten Sie einen Wunschkandidaten oder ein Ideal?
Ideale habe ich immer, Kandidaten kann ich Ihnen aber keine benennen – das machen wie üblich die Großen unter sich aus. Natürlich haben auch wir eine Stimme im Rat, und natürlich ist es kein Geheimnis, dass wir uns mit anderen abstimmen, die ähnlich unzufrieden mit der jetzigen Lage sind.
Auch die ungarischen Kommunalwahlen rücken heran, wo es freilich um ganz andere Dimensionen geht. Viele Beobachter fragen sich, ob der Fidesz die Hauptstadt etwa schon aufgegeben hat?
Fidesz-KDNP sind auch in Budapest die stärkste politische Kraft. Es ist moralisch nicht tragbar, die Hauptstadt der Nation nicht ernst zu nehmen. Parteien mit unterschiedlichster Denkweise schließen sich gegen uns zusammen, um zu verhindern, dass der Fidesz als stärkste Kraft den Oberbürgermeister stellt. Das ist Teil des politischen Spiels. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass die meisten Budapester stolz auf ihre Stadt sein wollen, nicht nur weil es ihr Zuhause ist, sondern die Hauptstadt ihrer Heimat. Damit meine ich die konservative, bürgerliche Kultur von Budapest. Auch wenn diese Wählerschaft keine fünfzig Prozent erreicht, bildet sie doch die größte Gruppe. Und unsere Aufgabe ist es, diese Gruppe zu repräsentieren – also werden wir auch dieses Jahr wieder für Budapest kämpfen.
Verraten Sie uns als Vorsitzender des Fidesz womöglich den Zeitpunkt, wann Sie Ihren Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters vorstellen wollen?
Spätestens Anfang März.
Noch eine Frage zur Opposition: Fehlt Ihnen nach dreizehn Jahren mit zwei Dritteln nicht doch die Herausforderung einer Opposition, die den Fidesz ernsthafter bedrängen könnte?
Die Kraft unserer politischen Rivalen finden Sie nicht hier, sondern im Ausland. Wir hatten eine Gyurcsány-Epoche, die wir gerne ein für alle Mal hinter uns gelassen hätten. Aber einflussreiche linke Kreise in Westeuropa und Amerika wollen diesen Mann zurück an der Macht sehen. Das zeigten diese Leute nicht nur mit Gesten, dafür rollte dann auch der Dollar. Diese Armada vom Soros-Netzwerk über die kompletten linksliberalen Mainstreammedien des Westens bis hin zu Geschäftsleuten und geheimen Staatsgeldern aus dem Ausland ist zusammengenommen ein großer Brocken für ein kleines Land wie Ungarn.
Dennoch heißt es, die ungarische Opposition sei nicht eben die beste Geldanlage.
Das mag sein, aber wir müssen doch all unsere Kräfte zusammennehmen, um als David diesen internationalen Goliath zu bezwingen. Das ist ein Ringen mit offenem Ausgang. Ich kann nicht einfach abwinken angesichts einer Opposition, die heute im Parlament kein Gewicht besitzt. Entscheidend ist, wer sich hinter ihr aufreiht, und das sind gewaltige Kräfte.
Sie mögen von der Seitenauslinie ein gutes, spannendes Match sehen wollen. Aber ich bin der Kapitän der einen Mannschaft, und in dieser Eigenschaft möchte ich klare Verhältnisse, und nicht einen verbissenen Kampf, der womöglich unentschieden ausgeht.
Was sind Ihre Pläne für die ungarische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr?
Die europäische Politik basiert auf Dossiers, die Ratspräsidentschaft kann einzelne Angelegenheiten voranbringen. Dabei spielt sie eher eine ausgleichende Rolle des Friedensstifters, also nicht die bekannte Rolle des kämpferischen Ungarns, das sich für seine nationalen Interessen stark macht.
Wir haben bereits Erfahrungen im Umgang mit der Ratspräsidentschaft, denn Ungarn fiel diese Rolle schon 2011 einmal zu. Damals zeigte sich, dass unsere Diplomatie und Verwaltung mit jedem anderen Land in Europa mithalten kann. Und auch heute wieder umgibt mich ein Team exzellenter Mitarbeiter.
Wenn wir uns richtig erinnern, lautete das Motto damals „für ein starkes Europa“.
Leider wurde die EU in den letzten zehn, zwölf Jahren nicht stärker, sondern schwächer.
„Orbán führt Ungarn aus der EU heraus“, hört man von der heimischen Opposition und den Kritikern im Ausland. Stellt sich tatsächlich die Frage, ob wir in Zukunft überhaupt noch dazugehören werden?
Wir gehen nicht raus, wir gehen immer weiter rein! Mein Plan ist nicht, die EU zu verlassen, mein Plan lautet, Brüssel zu erobern. Ich sage nicht, Ungarn soll sich in die Ecke stellen, nein es soll seine Ideale, seine Werte und sein Programm vertreten und immer mehr Länder von diesen überzeugen. Deshalb sind Erfolge daheim so wichtig. Damit unser Wort Gewicht hat als das Wort eines erfolgreichen Landes. Du magst schlau sein, aber wenn du keinen Erfolg hast, wer hört dann auf dich?
Wir haben Vollbeschäftigung erreicht, wir haben unsere Wirtschaft aus der schwersten Krise geführt und nach 2010 neu aufgebaut, wir haben das Land vor der illegalen Migration bewahrt und wir betreiben hier ein konservativ-christliches politisches System, das sich das Vertrauen der Menschen verdient. Das alles sind Fakten, die unseren Argumenten in Brüssel Gewicht verleihen. Ich möchte, dass Brüssel und ganz Europa abwägen, an Stelle der linksliberalen Wahnvorstellungen nicht besser doch einmal auf Ungarn zu schauen. Vielleicht werden sie am Ende ja noch fündig und könnten etwas von dem ungarischen Erfolgsmodell übernehmen!
Viktor Orbán wurde 1963 in Székesfehérvár geboren, er ist mit Anikó Lévai verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er absolvierte die ELTE als Jurist und studierte in Oxford politische Philosophie. Im Jahre 1988 gehörte Orbán zu den Gründungsmitgliedern des Fidesz, dessen Landeswahlausschuss er bis 1993 angehörte. Seit 1993 ist er der Parteivorsitzende des Fidesz, mit einer Unterbrechung in den Jahren 2000-2003. Orbán gehört seit 1990 dem Parlament als Abgeordneter an, zwischen 1990 und 1994 war er Fraktionsvorsitzender des Fidesz. In der EVP gehörte er zwischen 2002 und 2012 zu deren Vizepräsidenten. Bis heute ist er einer der Vizepräsidenten der CDI. Im Frühling 2022 wurde Viktor Orbán bereits zum fünften Mal als Ministerpräsident gewählt.
Aus dem Ungarischen übertragen von Rainer Ackermann.
Das hier leicht gekürzt wiedergegebene Interview erschien ursprünglich zum Jahreswechsel im konservativen Wochenmagazin Mandiner.
Hier geht es zu unserem vorherigen Interview mit Ministerpräsident Viktor Orbán.
“Es wird der Augenblick kommen, da auch die europäischen Politiker ihren Wählern gegenüber einräumen müssen, dass sie sich geirrt haben und weitere Euro-Milliarden fällig werden.”
Der Moment ist doch bereits gekommen bzw. in Vorbereitung.
“Aber einflussreiche linke Kreise in Westeuropa und Amerika wollen diesen Mann zurück an der Macht sehen. Das zeigten diese Leute nicht nur mit Gesten, dafür rollte dann auch der Dollar.”
Der Mann, der Wahlbetrug (2006) und beinahe Staatsbankrott (2009) zu verantworten hat. Wie könnte es sein, diesen Mann und seine Truppe an die Macht zu lassen. So doof sind die Ungarn nicht. Die ungarische Jugend weiß auch über diesen Mann und seine Frau bescheid.
Was sind das nur für widerliche Amis, die versuchen, Gyurcsány und Dobrev zu installieren. Budapest ist nicht Kiew.
In Budapest haben ja die linken Komplizen die Mehrheit, aber gleich außerhalb der Stadt nicht.
Im Vergleich zu den Jahren der MSZP-SZDSZ-Regierung von 2002 bis 2010 ist diese Regierung geradezu genial, auch wenn man anhand von Korruption und schlechter Bezahlung für Pädagogen, Krankenpfleger …. merkt, dass die Orbán-Regierung einiges gewaltig gerade biegen muss. Ansonsten wird auch sie abgestraft.
Hier ein lustiger Artikel von der regierungsnahen Seite origo.hu
Trifft aber trotzdem in die Mitte.
Olaf Scholz hat die deutsche Wirtschaft in zwei Jahren zerstört
https://www.origo.hu/nagyvilag/20240112-scholz-leepiti-a-nemet-gazdasagot.html
Ein neuer Artikel der NZZ über Orban und Ungarn
Eine Grenze besitzt nur das Land, nicht aber die Nation!»: Ungarn hat den Verlust des alten Imperiums nicht verwunden
Die Kriege des 20. Jahrhunderts haben Europa von einem imperial geprägten Raum in einen Flickenteppich aus Nationalstaaten verwandelt. Besonders im Zentrum und im Osten des Kontinents verschoben sich Grenzen – manchmal durch Verhandlungen, oft genug durch Waffengewalt und Siegerjustiz. Der europäische Einigungsprozess seit dem Zweiten Weltkrieg hat viele Territorialkonflikte friedlich gelöst.
Revisionistische Forderungen auf Regierungsebene gibt es in der EU kaum mehr. Und doch behandelt besonders Ungarn den Phantomschmerz über die verlorene vergangene Grösse als Staatsräson. Viktor Orban weiss, dass er mit der Pflege der Empörung über den Vertrag von Trianon einem grossen Teil seiner Bevölkerung aus dem Herzen spricht.
Das am 4. Juni 1920 unterzeichnete Abkommen war ein Diktatfrieden nach dem Ersten Weltkrieg. Das Königreich Ungarn, das sich unter den Verlierern befand, wurde auf einen Schlag vom Imperium zum Kleinstaat: Es büsste 70 Prozent seines Territoriums und 62 Prozent der Bevölkerung ein. Während die Ungarn die Abtrennung der westlichen Gebiete relativ leicht verkrafteten, war vor allem der Verlust Siebenbürgens im heutigen Rumänien traumatisch. Der Karpatenbogen, zu dem auch die ukrainische Region Transkarpatien gehört, besitzt einen ähnlichen Status als «Wiege der Nation» wie Kosovo für Serbien.
Mehr hier:
https://www.nzz.ch/international/ungarn-und-trianon-orbans-imperialistische-rhetorik-und-realpolitik-ld.1762643
Phantomschmerz ?
Ich antworte mal, weil ich den Beitrag eingestellt habe. Eigentlich kann das aber nur der Autor selber erklären. Ich kann die Aussage nur aufgrund des Begriffes zu erklären versuchen.
Phantomschmerzen werden auf Veränderungen im Gehirn zurückgeführt. Sie werden in einem Körperteil wahrgenommen, der nicht mehr vorhanden ist. Also ein Schmerz ohne reale Ursache, der nur dem eigenen Hirn seine Existenz verdankt.
Also auf den konkreten Inhalt bezogen:
Weil Ungarn als Nation den Verlust der Gebiete bis heute nicht akzeptieren kann, leidet es darunter. Also der “Schmerz” über die Gebietsverluste wird durch das psychische Trauma (analog zu einem physischen Trauma = Amputation) aufrechterhalten. Solange dieses Trauma besteht, werden Ungarn den Schmerz spüren.
Ob der Autor das auch so gemeint hat, weiß ich nicht.
Das wäre meine Interpretation seiner Aussage.
Wenn, wir schauen, wie sich die Ukraine aber auch Romänien gegenüber der ungarischen Minderheit aufführen, dann ist das alles kein Phantomschmerz, sondern ein täglicher Angriff mit stumpfen, groben Waffen, die schwer verletzten.
Die NZZ scheint sich auf Orban auf Korn genommen haben:
Balkan-Experte Adnan Cerimagic: «Orban ist für den Balkan das grössere Risiko als Putin»
Im Dreieck Budapest – Belgrad – Banja Luka hat sich eine Art Bruderschaft von autoritären Spitzenpolitikern gebildet. Der Balkan-Experte Adnan Cerimagic erklärt, mit welchen Risiken das verbunden ist.
https://www.nzz.ch/international/orban-ist-das-groessere-risiko-fuer-den-balkan-als-putin-ld.1774061