Orbán beim Tranzit-Festival in Tihany (24.-27. August)
Orbán: Kein Ende der Zweidrittelmehrheit in Sicht
Orbán begann mit den Worten, dass die Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien seit langem bestehe und kein Ende in Sicht sei. Es gebe große Debatten darüber, ob die Zweidrittelmehrheit eine Garantie für die Einheit der ungarischen Nation sei.
Fokus auf nationalen Interessen
Orbán sieht in diesen Debatten die traditionellen Trennlinien zwischen der Rechten und der Linken überschritten. Es gehe darum, ob es in einer Demokratie unnatürlich ist, dass eine politische Partei über einen langen Zeitraum an der Macht ist, oder ob dies nichts mit der Qualität der Demokratie zu tun habe.
„Es wurden bereits Bücher veröffentlicht, deren Ansicht ich teile, wonach Geographie, Geschichte und Größe Ungarns es zu einem konstanten Phänomen machen, dass früher oder später in jeder Epoche eine große nationale Regierungspartei gebildet wird.“ Unter den enormen gegenwärtigen Herausforderungen orientieren sich die Menschen instinktiv in Richtung Einheit und suchen nach einer Partei mit dem Fokus auf nationalen Interessen. Auch international gebe es Beispiele für Parteien, die über Jahrzehnte an der Macht bleiben, wie die CSU in Bayern, die seit 40 Jahren an der Macht ist.
„Amateure und Profis“
Laut Orbán gibt es in der ungarischen Politik das gleiche Phänomen wie im Fußball: Eine klare Linie trennt die Amateure von den Profis. „Wenn ich den Unterschied zwischen der derzeitigen Regierungspartei und der Opposition aufzeigen will, dann ist das der Unterschied. Es gibt auch einen Unterschied in der Perspektive. Die Opposition stürzt sich wie eine Ente auf aktuelle Geschehnisse, während die Regierungspartei eine kurz-, mittel- und langfristige Taktik sowie eine Strategie besitzt”, unterstrich Orbán.
Und weiter: „So wie ein militärischer Befehl geplant werden muss, ist die Politik ein Mannschaftssport.“ Der Premierminister stellte fest, alle Parteien hätten Geldgeber. Es gebe Finanzgruppen mit klaren Absichten. Die Linke sei historisch nicht stark mit dem Nationalismus verbunden und versuche daher, Ungarn den großen Welttrends anzupassen. „Die Globalisten sehen im Fidesz ihren Feind, also wenden sie sich den Linken zu. Aber das ist kein ungarisches Phänomen. Verrat und nationale Selbstaufgabe gibt es auch anderswo.“
Orbán: David gegen Goliath
Der Premierminister sieht die Linke weltweit als Goliath und die Rechte als David. Bei der letzten Parlamentswahl gab es eine mehrfache Dominanz der Medien und der Finanzmacht auf der anderen Seite; dennoch gewann der Fidesz erneut die Parlamentswahlen. Orbán sagte auch, dass zuerst geklärt werden müsse, ob die Ungarn das Land als ihr eigenes betrachten und welche Beziehung sie dazu haben.
„Die EVP erfüllt ihre Aufgabe nicht“
Bei den Europawahlen gehe es darum, ob die europäische Einheit erreicht werde. Die Chancen dafür seien heute größer als vor fünf Jahren und noch größer als vor 10 Jahren. „Die EVP erfüllt ihre Aufgabe nicht, weil sie keine Alternative zur Linken aufbaue.“ Der Fidesz sei aus der EVP ausgetreten, weil diese zu sehr nach links abgedriftet sei.
In Ungarn konnte der Fidesz aus der heterogenen eine einheitliche Rechte gestalten. „Solange es ein Gleichgewicht zwischen der imperialen europäischen Tradition und dem Nationalstaat gibt, besteht kein Problem in Europa.“ Der Brexit habe jedoch das Gleichgewicht gestört und zu einer Häufung von Vertragsverletzungsverfahren u. a. gegen Ungarn geführt.
Deutsch: Durchbruch der Rechten nicht unmöglich
Ein Durchbruch der Rechten bei den Europawahlen 2024 ist nicht unmöglich, erklärte der Fidesz-Europaabgeordnete Tamás Deutsch auf dem Tranzit-Festival. Früher galten genauso die Axiome, dass ein Brexit und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten unmöglich sind. Er fügte hinzu, dass die AfD bei den Wahlen ein Ergebnis von bis zu 20% erreichen könnte. Auf eine Frage hin sagte er, das Ziel des Fidesz sei es, eine absolute Mehrheit zu erzielen und 13 Sitze zu gewinnen.
Gulyás kontra Márki-Zay
Was sind die wichtigsten Anliegen der Europawahlen? Kanzleramtsminister Gergely Gulyás (l.) antwortete darauf in plakativen Schlagworten: „Kein Krieg, kein Gender, keine Migration“. Péter Márki-Zay (r.), Vorsitzender der Bewegung „Ungarn für alle“ (MMM), hob hingegen die Vertretung christlich-konservativer Werte hervor.
Gulyás betonte, die Ablehnung der Gender-Ideologie, die Frage des Friedens, die Eindämmung der Migration und das Problem der Korruption seien die größten Herausforderungen. Das Europaparlament (EP) tue jedoch alles, um sicherzustellen, dass es keinen Platz für ein christlich-demokratisches und konservatives Denken in Europa gebe. Es bestehe kein Zweifel, dass das EP an der Spitze jener europäischen Institutionen stehe, die die Migration unterstützen. Wenn aber Europa den Schengen-Raum erhalten wolle, müssten die Außengrenzen geschützt werden!
Márki-Zay zufolge wolle seine Bewegung bei den Wahlen im kommenden Jahr selbständig antreten. Als wichtigste Zielsetzung bezeichnete er die Vertretung der christlich-konservativen Werte. „Die stärkste Parteienfamilie in Europa ist die EVP, die sich zu christlich-konservativen Grundsätzen bekennt. Leider ist der Fidesz davon ausgeschlossen worden, aber wir würden gerne dazugehören“, erklärte Márki-Zay.
Euroeinführung realistisches Ziel
„Es liegt im grundlegenden Interesse Ungarns, die Bedingungen für die Einführung des Euro so bald wie möglich zu erfüllen. Dies gilt unabhängig von der Frage, wann das Land der Eurozone beitreten will“, betonte Finanzminister Varga Mihály (M.) in Verbindung mit den Folgen der Aufgabe der nationalen Währung. Ziel der Regierung sei es, die Wirtschaft wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen; dann würden die Bedingungen für die Einführung des Euro ein realistisches Ziel. Vorerst müssen jedoch Haushaltsdefizit und Schuldenquote gesenkt werden.
Die beiden jüngsten Krisen haben bestätigt, dass die ungarische Wirtschaft weit weniger Risiken hätte eingehen müssen, wenn der Euro den Forint längst abgelöst hätte. Auch aus politischer Sicht würde die Einführung des Euro mehr Vorteile bringen. Varga wies darauf hin, dass laut einer Eurobarometer-Umfrage vom Januar 72% der Ungarn den Euro befürworten.
Als Nachteile der gemeinsamen Währung nannte er die Aufgabe einer unabhängigen Geldpolitik und die Tatsache, dass sich die Entscheidungen der EZB in erster Linie an den Kriterien der Kernländer Frankreich, Deutschland, Niederlande und Italien orientierten, Ungarn also an den Rand gedrängt werden könnte. Man sollte nicht darauf setzen, dass die Einführung des Euro alle wirtschaftlichen Probleme löst.
Gyula Pleschinger (r.), Mitglied des Währungsrates der Ungarischen Nationalbank (MNB), fügte hinzu, dass Ungarn derzeit noch weit von der Eurozone entfernt sei, da es keines der Maastricht-Kriterien erfüllen könne. Nach Schätzungen der MNB könnte dies erst in den 2030er Jahren der Fall sein.