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Ministerpräsident Viktor Orbán: „Einst sagten uns die Deutschen, mit wem wir nicht zusammenleben dürfen, heute wollen sie uns sagen, mit wem wir zusammenleben müssen.“ Fotos: MP-Pressestelle / Vivien Cher Benkő

Orbán zu den Europawahlen

Es geht um Krieg und Frieden!

„Es ist nicht entscheidend, wer in welcher Fraktion im Europaparlament sitzt. Entscheidend ist, wie viele Europaabgeordnete für den Krieg und wie viele für den Frieden eintreten“, lautet die Botschaft des Ministerpräsidenten zu den anstehenden Europawahlen.

Viktor Orbán gab dem konservativen Nachrichtenmagazin Mandiner ein ausführliches Interview, in dem er sich selbstbewusst zeigte, dass die Regierungsparteien Fidesz-KDNP die Wahlen in Ungarn gewinnen werden, sofern es ihnen gelingt, die Menschen für die Sache des Friedens zu mobilisieren. Der Ukraine-Krieg dürfe unter keinen Umständen eskalieren, auch wenn das im Interesse der Ukrainer sei. „Aus ihrem Blickwinkel ist es nur logisch, dass sie möglichst viele Länder mit hineinziehen wollen, weil sie glauben, damit ihre Siegchancen zu erhöhen“, erläuterte der Ministerpräsident. „Unsere nationalen Interessen diktieren uns jedoch, Ungarn aus dem Krieg herauszuhalten.“

Wehrpflicht steht nicht zur Debatte

Im neuen Europaparlament sei er selbst zur Zusammenarbeit mit linken Kräften bereit, wenn diese sich für den Frieden in der Ukraine starkmachen. Die wichtigste Frage laute jedoch zu verhindern, dass die NATO ein Engagement außerhalb des Verteidigungsbündnisses vorbereitet. In Ungarn gebe es keinen Anlass, über eine gleichwie geartete „Wehrpflicht“ zu debattieren. „Weil die NATO den kollektiven Schutz ihrer Mitglieder garantiert, können wir uns den Luxus erlauben, eine Berufsarmee zu unterhalten.“ Orbán betonte erneut, die Ungarische Armee (MH) müsse selbständig und souverän bleiben.

Zurückhaltung stünde den Deutschen besser

Den Deutschen riet er zu mehr Zurückhaltung in diesen Fragen, denn ausgehend von ihrem Gewicht in der EU wirke das auf die anderen wie eine Rückkehr zur Politik der Stärke. Es bestehe eine „natürliche“ Freundschaft zwischen Ungarn und Deutschen, in sensiblen Fragen wie Holocaust, deutschen Panzern auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und illegale Einwanderung wäre aber mehr Vorsicht von Seiten deutscher Politiker angebracht. „Die Deutschen wollen uns die illegale Migration aufzwingen, wollen uns sagen, mit wem wir zu leben haben. So wie sie uns einst sagten, mit wem wir nicht zusammenleben dürfen, um dann die Juden zu deportieren.“

Eine militärpolitische Zusammenarbeit auf EU-Ebene begrüßt der Ungar dessen ungeachtet. Es gehe darum, die Modernisierung der Verteidigungsindustrie in einzelnen Mitgliedstaaten abzustimmen, den Markt zu schützen, Waffen voneinander zu kaufen, die Militärstrategien zu koordinieren und ein am Vorbild der NATO angelehntes europäisches Verteidigungsbündnis zu schaffen.

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Für Premier Viktor Orbán – hier bei einem Einwohnerforum – entscheiden die Europawahlen über Krieg und Frieden.

Orbán: EU-Kommission muss als Exekutive agieren!

Der amtierenden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warf Viktor Orbán vor, dass sie sich als Politikerin zu etablieren versuchte. „Der Kommissionspräsident ist immer noch Angestellter von 27 Ministerpräsidenten. Wie kommt Ursula von der Leyen dazu, politische Meinungen zu vertreten?“ Die EU-Kommission müsse zu ihrer Rolle als Exekutive zurückkehren, das Europaparlament in seiner heutigen Form aufgelöst werden, um erneut Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten zu delegieren.

Mark Rutte abzulehnen ist eine Frage der Ehre

In der Frage des nächsten NATO-Generalsekretärs hielt Viktor Orbán daran fest, den Kandidaten Rumäniens zu unterstützen. Es sei für Ungarn eine Frage der Ehre, Mark Rutte abzulehnen, der als Ministerpräsident der Niederlande einst davon sprach, man müsse Ungarn „in die Knie zwingen“. Weil so letztmalig die deutschen Besatzer und Stalin über die Ungarn geredet hätten, müsse Rutte nun zusehen, wie er aus dem Dilemma herausfindet, denn schließlich „fordert er Ungarns Vertrauen für diese wichtige Position ein“.

Die Person des Generalsekretärs könne Ungarn aber auch deshalb nicht gleichgültig sein, weil man eine Vereinbarung treffen will, um sich abzusichern, an NATO-Operationen in der Ukraine gegen die Russen nicht teilnehmen zu müssen, trotz NATO-Mitgliedschaft. De jure sei die Frage geregelt, „doch wir wollen, dass unsere Position auch politisch als salonfähig akzeptiert wird“.

Bemerkenswert war der Hinweis des Ministerpräsidenten, Ungarn müsse in Kriegszeiten 3% des BIP für Sicherheitsbelange aufwenden. In Friedenszeiten würden dafür 2% ausreichen – diesen Anteil am Budget hat der Verteidigungsetat gerade erst erreicht. Orbán räumte ein, es wäre ihm lieber, wenn er dieses Geld für die Stärkung der Familien verwenden könnte.

China kein Ersatz für Russland

Der Ministerpräsident unterstrich das Verlangen der Ungarn, mit allen Handel zu treiben. China sei kein Ersatz für Russland; mit den Russen wolle Budapest die nicht von den Sanktionen betroffenen Kooperationen noch vertiefen. „Wir tun das nicht insgeheim, wie manche Westeuropäer“, hielt Orbán anderen den Spiegel vor. Basis müssten in jedem Fall die eigenen nationalen Interessen sein.

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