Gleich in der ersten Reihe beim „Marsch des Lebens“ dabei waren an der Seite von Organisator Gábor Gordon (3. v. r.) die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, Deutschlands Botschafterin Julia Gross sowie US-Botschafter David Pressman. Fotos: MTI/ Attila Kovács

Marsch des Lebens

„Nichts ist schlimmer, als schweigend zuzuschauen“

Der „Marsch des Lebens“ gedachte an diesem Sonntag besonders der Opfer des Arbeitsdienstes.

„Bei den Gedenkveranstaltungen für den Holocaust wird nur selten der Menschen im Arbeitsdienst gedacht“, sagte Gábor Gordon. Dabei seien, wie der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung „Marsch des Lebens“ hinzufügte, seit 1939 mehr als einhunderttausend Juden und Nichtjuden zum Arbeitsdienst eingeteilt und in Arbeitslager deportiert worden. Die grausame Behandlung und die unmenschlichen Zustände überlebten 60.000 von ihnen nicht.

Vom Mut, die Stimme zu erheben

„Wir müssen der Opfer gedenken, damit sich so etwas nie wieder wiederholen kann!“ Diese Mahnung sprach Katharina von Schnurbein aus, die aus Bayern stammende Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission. „Und wir müssen uns auch an jene wahren Menschen erinnern, die den Opfern beistanden. Ihr Mut, die Stimme zu erheben, als alle anderen schwiegen, kann auch heute als Vorbild dienen.“ Sie sprach von einem erstarkenden Antisemitismus in diesen Tagen. Während in Budapest ein überaus lebendiges jüdisches Leben anzutreffen sei, mit einer bunten und aktiven Gemeinschaft, würden acht von zehn befragten ungarischen Juden den Antisemitismus als Problem ansehen. von Schnurbein erinnerte an die von der EU-Kommission im Oktober 2021 erstellte Antisemitismus-Strategie, die knapp 100 Initiativen fördert. Es sei erfreulich, dass auch die ungarische Regierung an einer eigenen, nationalen Strategie arbeite.

Die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, begrüßte, dass die Orbán-Regierung an einer nationalen Antisemitismus-Strategie arbeitet.

Triviale Alltagsroutine half den Nazis

US-Botschafter David Pressman würdigte den hohen Stellenwert der jüdischen Gemeinschaft in Ungarn, mit Hinweis auf die größte Synagoge Europas unweit von der Wegstrecke beim „Marsch des Lebens“ und auf die viertgrößte Synagoge in Szeged. Er forderte, die Erzählung des Holocaust nicht nur auf den unermesslichen Verlust der Millionen Opfer, auf ihre Befreier und die wunderbaren Geschichten der Überlebenden zu beschränken. Man müsse auch über jene Menschen sprechen, die es den Nazis mit ihrer trivialen Alltagsroutine erlaubten, mehr als 6 Mio. Juden und ungezählte Homosexuelle, Roma und andere zu töten.

„Antisemitismus, Rassismus, Xenophobie und andere Formen der Diskriminierung verschmutzen erneut unsere Welt“, warnte Israels Botschafter, Yakov Hadas-Handelsman. Um den Antisemitismus aus den Köpfen zu verbannen, komme der Bildung eine herausragende Rolle zu. Dass sich die jungen Menschen über die während des Holocaust begangenen Verbrechen im Klaren sein müssen, werde noch relevanter, wenn in Kürze die letzten Überlebenden als lebendige Klammer zur Vergangenheit von uns scheiden. Dieser Marsch wende sich gegen Ungleichheiten und Intoleranz. „Nichts ist schlimmer, als schweigend zuzuschauen, wenn Unrecht geschieht.“

Der 19. „Marsch des Lebens“ zog an diesem Sonntagabend vom Koltói Anna tér im 8. Stadtbezirk zum Bethlen Gábor tér im benachbarten 7. Bezirk – beide Orte verbinden Denkmäler für die Opfer des Arbeitsdienstes.

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