Fotos: MTI/ Attila Kovács

Notenbankpräsident

Negative Wende in der Wirtschaftspolitik

Das Parlament beriet am Mittwoch über den Jahresbericht und den Jahresabschluss 2021 der Ungarischen Nationalbank (MNB).

2021 hat die Regierung eine negative wirtschaftspolitische Wende vollzogen und das Gleichgewicht eingebüßt. Dann kamen 2022 Krieg, Sanktionen und die Debatten mit Brüssel hinzu, erklärte György Matolcsy, Präsident der Ungarischen Nationalbank (MNB), bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021. „Wir müssen verhindern, dass unsere Nachfahren im Jahr 2030 fragen, warum wir gescheitert sind, was falsch gelaufen ist. Dann müssen wir erklären, dass wir 2021 vom Weg abgekommen sind und diesen falschen Weg auch 2022 fortgesetzt haben. Bis heute ist nicht klar, ob diese Fehlentscheidung korrigiert werden kann”, sagte Matolcsy.

Notenbankpräsident György Matolcsy: „Fehler der Vergangenheit können sich durchaus wiederholen.“

MNB-Präsident übt scharfe Kritik

Die Regierung habe im Gegensatz zu den letzten zehn Jahren keine Ziele für die nächsten zehn Jahre. Zu den großen „Kunstfehlern“ zählte er die Lockerung des Haushaltsdefizits und die Einführung der Preisdeckelung. Zudem müsse die Frage gestellt werden, warum Ungarn in den vergangenen Jahren von mehreren Ländern wie Portugal und Polen überholt wurde und sich mittlerweile unter den letzten fünf in der EU befindet. Insbesondere kritisierte er beim Zufluss von ausländischem Kapital, dass „die Rendite dieses Kapitals höher ist als die von Krediten“.

Kampf gegen Inflation

Matolcsy zufolge können sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Die Krisen müssten als Chance genutzt werden, doch dies wurde versäumt. Er stellte zu seiner harschen Kritik an der Regierung klar, er sei weder verletzt noch frustriert, noch habe er Streit mit dem Ministerpräsidenten. Die Pflicht der Notenbank sei der Kampf gegen die Inflation, dazu erwarte man die Hilfe der Regierung.

Das für dieses Jahr angestrebte, wenig ehrgeizige Haushaltsdefizit von 3,9% werde Inflation generieren. Die Preisdeckelungen für Lebensmittel hätten die Situation noch verschlimmert, indem sie die Inflation um 3-4 Prozentpunkte erhöhten. Das Grundproblem: Die Produktivität der Lebensmittelindustrie ist die zweitniedrigste in der EU. Die Zinsausgaben des Fiskus werden im nächsten Jahr auf 4,6% am BIP (!) ansteigen. Damit tappe das Land in eine Falle, meinte Matolcsy.

Ausgebliebene Reformen

Das Ausbleiben von Reformen im Bildungs- und Hochschulwesen, im Gesundheitswesen und im Dienstleistungssektor sei sehr schmerzlich, da diese Bereiche Teil einer qualitativen Wende hätten sein können. Die MNB habe in den letzten Jahren regelmäßig Analysen veröffentlicht, um Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie Reformen einleitet, was jedoch nicht geschehen ist.

Notenbank wurde Aufgabe gerecht

Der Wirtschaftsausschuss des Parlaments ist der Ansicht, dass der Jahresbericht die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Die Notenbank habe auch 2021 ihre gesetzlichen Aufgaben und Ziele erfüllt. Ihre Programme konnten zum hervorragenden Abschneiden der Wirtschaft beitragen, erklärte der Vorsitzende Erik Bánki (Fidesz). Auch während der Corona-Pandemie war das Bankensystem stabil, die Banken konnten die erforderlichen Mittel bereitstellen, der Kreditbestand wuchs dynamisch.

DK: Warum spielte Matolcsy mit?

„Matolcsy ist Mitglied des Budgetrates. Wenn die Haushalte in den letzten Jahren auf diese Weise verabschiedet wurden, warum hat er sie dann unterschrieben, obwohl er ein Vetorecht hatte?“ – fragte Ferenc Dávid (DK). Als die Inflation anstieg, trat die Notenbank auf die Bremse, die Regierung jedoch aufs Gaspedal. Welche Hoffnung bleibe den Menschen, wenn die beiden Seiten eine diametral entgegengesetzte Wirtschaftspolitik verfolgen?

MSZP: Fehlende Selbstkritik

Matolcsy hatte bereits im vergangenen Dezember auf einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses „verheerend scharfe Kritik an der Regierung“ geübt und auf die verfehlte Wirtschaftspolitik sowie den zerbrochenen Einklang zwischen Notenbank und Regierung verwiesen, erinnerte Zoltán Vajda (MSZP). In seinem jetzigen Bericht machte Matolcsy namentlich Orbán für die Fehler verantwortlich. Seit der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses sind Monate vergangen, doch die Regierung habe sich die Kritik von Matolcsy nicht zu Herzen genommen. Schon damals sprach Matolcsy von einer Finanz- und Zinsfalle. Gleichzeitig übte der Notenbankchef jedoch keine Selbstkritik, denn Aufgabe der MNB sei es, die Inflation im Zaum zu halten. Ungarn hat in Europa seit Monaten die höchste Inflationsrate.

Zoltán Vajda (MSZP): „Die Regierung hat sich die Kritik nicht zu Herzen genommen.“

Jobbik: Grundsatzkonflikt zwischen Regierung und MNB

Es handelt sich um einen Grundsatz- und keinen Kommunikationskonflikt zwischen Regierung und MNB. Damit ist die Inflation nicht in den Griff zu bekommen, meinte Dániel Z. Kárpát (Jobbik). Beide Seiten müssen schnellstmöglich einen gemeinsamen Nenner finden, damit das Wirtschaftsumfeld wieder berechenbar wird. Der Politiker kritisierte, dass der Wechselkurs des Forint, der „die brutalste Sondersteuer“ für Familien ist, im Exposé nicht einmal ansatzweise erwähnt wurde. Seiner Meinung nach wurde der Forint jahrelang bewusst abgewertet, was der Regierung zugutekam, da ihre strategischen Verbündeten, die multinationalen Unternehmen, davon profitierten. Er erinnerte an den Vorschlag seiner Partei, den Schutz des Forint und seines Wechselkursniveaus im Grundgesetz zu verankern.

Dániel Z. Kárpát (Jobbik): „Die brutalste Sondersteuer der Familien blieb unerwähnt.“

Mi Hazánk: Bericht ungewohnt ehrlich

Im Vergleich zu den letzten 13 Jahren sei der MNB-Bericht ungewohnt ehrlich. István Apáti (Mi Hazánk) erklärte, dass „Matolcsy ein fast vollständiges, aufschlussreiches Geständnis abgelegt hat, aber die Verantwortung von sich weisen will, um sich als ein Opfer von Orbán darzustellen“.

2 Antworten auf “Negative Wende in der Wirtschaftspolitik

  1. Nach mehr als 12 Jahren Fidesz/Orban ist die Lage so verfahren und kritisch, dass auch ein Matolcsy nicht mehr schweigen kann.
    Die Orban-Regierung treibt die Schulden und die Zinsen für diese Schulden immer weiter in die Höhe.
    Gas wird mit Zahlungszielen in einigen Jahren auf Pump gekauft.
    Das neue AKW wird russischen Krediten finanziert.

    Und gegengerechnet wird mit illusorischen Wachstumsraten.

    Statt dass die Staatseinnahmen durch hohes Wirtschaftswachtsum steigen, steigen die Zinssätze, die Ungarn für die Staatsschulden aufbringen muss.
    Dabei profitiert aktuell der Staat durch höhere Einnahmen aufgrund der Inflation – bei jeder Preiserhöhung verdient der ungarische Staat so sehr mit, wie sonst kein anderes Land in der EU – zu 27%.
    Aber die höheren Preise werden auch auf den Staatshaushalt durchschlagen – auch der Staat wird seinen Beschäftigten höhere Löhne bezahlen müssen.

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