Parlament
Haushaltsplan – von verantwortungsvoll bis ungerecht
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Die Regierung rechtfertigte ausgerechnet mit dem „Schatten des Krieges“ und dessen Unberechenbarkeit, dass eine frühe Verhandlung des Haushaltsplans für das nächste Jahr Voraussicht und Stabilität bringe. „Wie können Sie von einem restriktiven Budget für die Familien sprechen, wenn allein 1.300 Mrd. Forint für den Erhalt der niedrigen Energiekosten bereitgestellt werden?“ – fragte Finanzstaatssekretär Péter Benő Banai an die Opposition gewandt. Mit genauso viel Geld werde der Verteidigungs-Sonderfonds ausgestattet, was wegen des Ukraine-Kriegs aber kein Gegenstand von Kritiken war. Für die verschiedenen familienpolitischen Programme stelle die Regierung derweil insgesamt 3.300 Mrd. Forint oder 4% am BIP bereit.
Zwei gegenläufige Ansprüche prallen aufeinander
Allerdings räumte der Staatssekretär ein, mit den Verlusten der Notenbank müsse man etwas anfangen. Er erinnerte daran, dass die Neuverschuldung zu Zeiten der Corona-Pandemie auch durch die EU-Kommission ausdrücklich begrüßt wurde, um Arbeitsplätze zu erhalten. Nun aber müsse man die Schuldenquote drücken, während der Kampf der Notenbanken gegen die Inflation überall in Europa enorme Verluste in deren Bilanzen beschere. Hier würden zwei gegenläufige Ansprüche – die Konsolidierung des Haushalts und die Begleichung der Notenbankverluste – aufeinanderprallen. Banai bezifferte die zu begleichenden Verluste auf rund 400 Mrd. Forint. Doch egal wie hoch diese Verluste am Ende ausfallen, müsse das Budgetdefizit unter 3% gesenkt und die Schuldenquote weiter abgebaut werden.
„Brüssel will das Land aushungern“
Die Opposition hatte logischerweise eine andere Sichtweise der Dinge: Praktisch alle Parteien halten die frühe Verabschiedung des Haushaltsplans im Parlament für verantwortungslos. Für die Mi Hazánk verwies István Apáti auf den Umstand, dass Ungarn mindestens noch ein weiteres Jahr ohne EU-Mittel wird auskommen müssen. Es sei offenkundig, dass Brüssel bis zu den Europawahlen ganz sicher kein Geld überweisen wird, um das Land auszuhungern und Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu stiften. Es stelle sich die Frage, ob Ungarn seinen Einzahlungspflichten von 700-800 Mrd. Forint unter diesen Rahmenbedingungen nachkommen müsse. Noch überweise die EU die Agrarbeihilfen – sollten auch diese Zahlungen eingestellt werden, müsse Ungarn den Sinn einer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft ernstlich in Frage stellen.
Durch Lügenfabriken am Leben erhalten
Von einer durch Lügenfabriken am Leben erhaltenen Diktatur sprach Zsolt Gréczy (DK). Er beanstandete, dass die Kultur eindeutiger Verlierer des Haushalts 2024 sei. Sein Parteikollege László Varju forderte die Regierung auf, noch in der kommenden Woche dem NATO-Beitritt Schwedens zuzustimmen. Ungarn erreiche die größte Sicherheit innerhalb der internationalen Gemeinschaft, nicht als Diener Russlands. Die Schattenregierung der DK habe einen umfassenden Haushaltsplan vorgelegt, der nicht auf Preiserhöhungen, sondern auf Lohnerhöhungen abstelle.
Die Sozialisten sehen keine Verbindung des Haushaltsplans mit der Realität, erst recht weil die Haushaltszahlen für 2022 noch gar nicht abschließend beurteilt wurden. So werde die Regierung wieder mit Hunderten von Verordnungen und Beschlüssen herumdoktern, um das von vornherein realitätsferne Budget nach ihrem Belieben umzuschreiben. Sándor Szabó beanstandete die viel zu gering angesetzten Haushaltsreserven, die unsicheren Planungsgrundlagen und die steigenden Zinsausgaben. Weil die Inflation in Wirklichkeit weit über 6% ausfallen wird, müssten Bildung, Gesundheitswesen, Soziales und Landwirtschaft real ohne mehr Mittel auskommen.

„Ungarn leben heute schlechter“
Für die Jobbik merkte Zoltán Sas zur Höhe des Verteidigungsetats an, die Orbán-Regierung rechne offenkundig mit einer Fortsetzung des Ukraine-Kriegs auch 2024. Es sei respektabel, dass Ungarn mehr Geld für diese Zwecke ausgebe, als von der NATO vorgeschrieben. Sein Kollege Péter Balassa forderte die Regierungsparteien auf, zurückzukehren in die Wirklichkeit, in der die Ungarn heute schlechter leben. „Jeder Haushalt ist nur so viel wert, wie davon eingehalten wird. Diese Regierung hat in der Vergangenheit extrem oft in die Haushaltsplanung eingegriffen“, kritisierte der Oppositionspolitiker.

Von einem geradezu ungerechten Haushaltsplan sprach die LMP. Der größte Verlierer dieser neoliberalen Wirtschaftspolitik sei der Mensch, äußerte Máté Kanász-Nagy. Es stehe Geld zur Genüge bereit, aber nur für die ohnehin Reichen, für Großunternehmen, Multis, Automobilwerke und Batteriefabriken. Letztere würden Zustände wie in einem Steuerparadies vorfinden.