Internationaler Tag der Luftfahrt und Militärtechnik in Kecskemét
Große Beteiligung deutscher Unternehmen
Dafür wurden sie am letzten August-Wochenende auf der Militärbasis Kecskemét mehr als entschädigt. Über 120.000 Enthusiasten und Fachbesucher überschwemmten förmlich die Zufahrtsstraßen und das Gelände des Luftwaffenstützpunkts.
Ein erster Höhepunkt der Flugshow war der Formationsflug der ungarischen Luftwaffe mit einem Airbus A319 und einer Dassault Falcon 7x, jeweils eskortiert von zwei Kampfflugzeugen Saab JAS-39 Gripen. Das Besondere an diesem Programmpunkt: der A319 und die Falcon waren wenige Tage zuvor noch an der erfolgreichen Evakuierungsaktion der ungarischen Streitkräfte in Kabul beteiligt.
Hochmoderne Militärtechnik zum Anfassen
Neben der Air Show mit Teilnehmern aus 15 Ländern, welche historische und moderne Flugzeuge in Einzel- und Formationsflügen vorführten, beeindruckte die Vielzahl an ausgestellter hochmoderner Militärtechnik am Boden. Sowohl in imposanten Flugzeughangern, als auch auf dem großzügigen Freigelände konnten die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes Panzer, Gefechts-, Transport- und Spezialfahrzeuge sowie auch Flugzeuge anfassen.

Lange Schlangen bildeten sich an den Flugzeugen, wo man die einmalige Gelegenheit hatte, sich wie ein Pilot in das Cockpit zu setzen. Für einen Besucher aus Deutschland war die Begeisterung bemerkenswert, mit der Väter und Mütter ihren Kindern das Thema Militärtechnik näher brachten. Begeisterung löste bei den Besuchern auch die Möglichkeit aus, zum Beispiel auf dem Stand der deutschen Firma Dynamit Nobel Defence GmbH Simulatoren und Trainingsgeräte für Panzerabwehrwaffen zu bedienen.
Großer Auftrieb durch deutsche Wehrtechnik
Dem aufmerksamen Leser der Budapester Zeitung dürfte nicht entgangen sein, dass in den letzten zwei Jahren eine Reihe von Verträgen zwischen deutschen Wehrtechnikunternehmen und der ungarischen Regierung unterzeichnet wurden. Alle diese Aktivitäten sind Bestandteil bei der Umsetzung des Programms „ZRINYI 2026“ zur Modernisierung der Ausrüstung der ungarischen Streitkräfte und gleichzeitig der Stärkung der Verteidigungsindustrie durch die gemeinsame Entwicklung und Fertigung von attraktiven, auch für den Export geeigneten Systemen.
So war es dann auch keine Überraschung, neben den Schwergewichten Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) auch Mittelständler, wie Dynamit Nobel Defence anzutreffen. Ihnen gemeinsam ist, wo sie die Schwerpunkte der Zusammenarbeit sehen: in der zügigen, termingerechten Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen und der Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Technologien. Davon machte sich auch Generalmajor Dr. Romulusz Ruszin-Szendi, Kommandeur der ungarischen Streitkräfte, beim Besuch der deutschen Unternehmen ein Bild.
Wie weit die Zusammenarbeit inzwischen angelaufen ist, machte Rheinmetall mit einem speziellen Infostand deutlich. Hier konnten sich Interessenten auch über die Bedingungen informieren, bei dem Unternehmen eine berufliche Perspektive zu finden. Laut Aussage von Paul Walf, Head of Corporate Coordination Central Europe, sucht das Unternehmen Rheinmetall Hungary Zrt. zum Aufbau der Fertigung am Standort Zalaegerszeg bereits heute Schweißer, Softwareentwickler, Elektroniker und andere Fachleute.
Das Werk, welches nach seiner Fertigstellung jährlich etwa 50 Stück des hochmodernen Schützenpanzers Lynx mit etwa 500 Mitarbeitern produzieren soll, wird bereits Mitte September Richtfest feiern. Mit dem Produktionsstart rechnet das Unternehmen zu Jahresbeginn 2023.
Enge Partnerschaft mit der Bundeswehr
KMW war in Kecskemét unter anderem mit dem Panzer Leopard 2A7, der Panzerhaubitze 2000 und dem Pionierpanzer Wisent der Firma Flensburger Fahrzeug GmbH präsent. Alle diese Fahrzeuge werden nach Informationen von Regional Sales Director Thomas Fritsch im Rahmen des Modernisierungsprogramms Zrínyi 2026 in den nächsten Jahren in die ungarischen Streitkräfte eingeführt.
Die Präsentation der Fahrzeuge für die Bevölkerung wurde von den Soldaten der 25. InfBrig „György Klapka“ aus Tata übernommen, die teilweise schon durch die deutsche Bundeswehr und von KMW an dem betreffenden Gerät ausgebildet wurden. Dadurch konnte den einheimischen Besuchern deutlich vermittelt werden, dass es sich bereits um „ihr“ Equipment handelt und dass die Partnerschaft der ungarischen Streitkräfte mit der Bundeswehr und der deutschen Verteidigungsindustrie hervorragend funktioniert.
Intensiv arbeitet man auch bei der Firma Dynamit Nobel Defence an der Umsetzung der Vereinbarung mit Ungarn, welche CEO Michael Humbek und der Regierungsbeauftragte für die Entwicklung der Verteidigungsindustrie, Dr. Gáspár Maróth, am 13. Oktober 2020 unterzeichnet haben. Aktuell geht es darum, als ersten Schritt die Voraussetzungen zu schaffen, um in Ungarn die Teilefertigung für moderne Panzerfäuste aufzunehmen. Humbek, der auch auf der Veranstaltung in Kecskemét anwesend war, ist wie seine für das Projekt verantwortlichen Mitarbeiter angenehm überrascht von der Zielstrebigkeit und Motivation der ungarischen Partner.
Traditionen
Eines muss man den ungarischen Veranstaltern lassen, ihr gesundes Verhältnis zur eigenen Geschichte, welche bekanntlich auch nicht frei von Umbrüchen war. Die Air Show in Kecskemét war ein Event, bei dem das Thema Tradition nicht ausgespart wurde. Ein ganzer Hangar war dem Thema gewidmet. Als Blickfang stand davor eine wunderbar gepflegte MiG-21 MF, ausgerüstet mit 3x500l Zusatzbehälter und den nicht häufig zu sehenden Mehrfachbombenträgern. Weitere Flugzeuge, alle in einem exzellenten Zustand, ausgebaute Bordbewaffnungen, Poster, Bücher und T-Shirts fanden eine große Aufmerksamkeit. Gerade die Flugzeuge sind Ausdruck einer großen Liebe zu technischen Details und der vielen Stunden, die von den Mitgliedern der Traditionsvereine in ihrer Freizeit investiert werden.
Organisatorisches
Als häufiger Teilnehmer ähnlicher Veranstaltungen, wie zum Bespiel bei den NATO-Days im tschechischen Ostrava mit etwa ebenso vielen Besuchern, erlaube ich mir jedoch auch einige kritische Bemerkungen: Das System der Registrierung von Pressevertretern, die ja als Multiplikatoren wirken sollen, ist verbesserungswürdig. Hier machte sich offensichtlich die fehlende Routine durch die lange Unterbrechung bemerkbar. Die Versorgung mit Getränken und Verpflegung für die Besucher ist gerade im gastfreundlichen Ungarn ebenfalls verbesserungswürdig. Hier hatte man wohl den Besucheransturm unterschätzt.
Gleiches kann man über die Lenkung des Individualverkehrs sagen. Die Organisation eines kostenlosen Bustransfers von um die Stadt Kecskemét angelegten Parkplätzen zum Veranstaltungsort war eine gute Idee. Die nicht zu beneidenden Polizisten waren freundlich und versuchten, den Besucherstrom in den Griff zu bekommen. Und nicht unerwähnt bleiben soll, dass auf allen kleinen Anhöhen oder anderen Plätzen mit freier Sicht um den Austragungsort herum nochmals hunderte Flugbegeisterte die Vorführungen am Himmel bestaunten.
Fazit
„Kecskemét 2021“ war ein gelungenes Event und macht Appetit auf mehr. Selbst der Wettergott hatte mitgespielt, denn entgegen den Prognosen regnete es nicht und es war gutes Flugwetter. Die große Zahl der Besucher, deren Interesse sich nicht nur auf die Air Show, sondern auch auf die ausgestellten modernen Systeme für die künftige Ausrüstung der ungarischen Streitkräfte bezog, gab der Veranstaltung ihren besonderen Anstrich. Auch sollte der industriepolitische Aspekt nicht unter den Tisch fallen. Der Aufbau einer modernen, exportorientierten Verteidigungsindustrie, auch unter Einbindung von Ergebnissen universitärer Forschung, ist ein wesentlicher Aspekt zur wirtschaftlichen Entwicklung Ungarns.
Der Autor ist Oberstleutnant a.D. der Luftwaffe. Seit 2000 berät er als selbstständiger Unternehmensberater in Osteuropa und Zentralasien tätige deutsche Wehrtechnikunternehmen.