Ungarn bekommt neue Ordnungsdienste
Gegen Schulgewalt und illegale Deponien
Ungarns Regierung will gleich zwei neue, uniformierte Wachdienste einführen, um Gewalt an Schulen, insbesondere gegen Lehrer, und illegale Mülldeponien zu bekämpfen. Beides wird zumindest in Teilaspekten von liberalen Intellektuellen kritisiert, die Bevölkerung scheint es allerdings gut zu finden.
Den Schuldirektoren unterstellt
Schulwächter sollen an 500 Schulen für Ordnung sorgen. Ausgerüstet mit Gummiknüppeln, Reizspray und Handschellen. Gemäß Mitteilung des für das Bildungswesen zuständigen Ministeriums für Humanressourcen sollen diese Ordner eine juristische Grundausbildung erhalten, dürfen nicht vorbestraft sein und würden verwaltungstechnisch zur Polizei gehören. Vor Ort aber hätten die Schuldirektoren Weisungsbefugnis. Die Schulpolizisten dürfen gewalttätige Schüler in Gewahrsam nehmen. Diese Schüler machen sich strafbar, wenn sie sich ihnen widersetzen oder die Wächter tätlich angreifen – zumindest insofern sie das zwölfte Lebensjahr vollendet haben.
Ein neuer, ebenfalls uniformierter Ordnungsdienst soll zudem gegen illegale Mülldeponien vorgehen. Zur Ausrüstung sollen auch hier Gummiknüppel und Reizgas gehören, nicht aber Handschellen. Zusätzlich soll illegale Müllentsorgung mit hohen Haftstrafen belegt werden.
Gegen beide Maßnahmen gibt es Kritik: Zu hart, zu unfein. Die Gewerkschaft Demokratischer Pädagogen etwa klagt, Gewalt an den Schulen sei auf diese Weise nicht in den Griff zu bekommen. Vielmehr bedürfe es, statt einer Politik der harten Hand, psychologischer Betreuung. Außerdem brauche man mehr Lehrer, die überdies besser bezahlt werden müssten.
Von der Bevölkerung befürwortet
Die Bevölkerung scheint es anders zu sehen. In einer Leserumfrage der an sich eher regierungskritischen, größten Boulevardzeitung Blikk (herausgegeben von Ringier-Axel Springer) sprachen sich 63 Prozent der Teilnehmer für die neuen Schulwächter aus. In einem Meinungsstück der Redaktion hieß es scharfzüngig, die guten Psychologen würden von den Rabauken eher genauso Prügel beziehen wie die Lehrer. Da seien Schulwächter sicher die bessere Antwort.
Zum neuen „Müllkommando“, wie dieselbe Zeitung den neuen Ordnungsdienst gegen illegale Mülldeponien nannte, befragte sie den Umweltingenieur Balázs Kertész, der die Webseite hulladékvadász.hu betreibt. Das ist eine lobenswerte Initiative, mittels der Bürger Informationen austauschen können über illegal abgelagerten Müll in ihrer Gegend, und sich auch zusammenschließen können, um den Abfall nach Möglichkeit zu entfernen oder entfernen zu lassen.
Kertész wurde gefragt, ob mit Knüppeln und Reizspray bewaffnete Ordner nicht übertrieben, hohe Haftstrafen für Umweltverschmutzer nicht unverhältnismäßig seien. Nein, sagte er. Denn das Problem sei eine regelrechte Müllmafia mit Riesengewinnen. Es handele sich um Kriminelle, die bestraft werden müssten, und wer immer gegen sie vorgehe, der müsse sich verteidigen können, denn sie wendeten durchaus auch Gewalt an.
Die Frage ist, warum das alles nicht die Polizei regeln kann, Sicherheit an den Schulen sowie der Kampf gegen die Müllmafia. Eine Antwort ist, dass die Polizei personell chronisch unterbesetzt ist. Polizisten an 500 Schulen, die dort den ganzen Tag herumstehen, wären Polizisten, die keine Einbrecher jagen können. Und man braucht dafür auch keine voll ausgebildeten, in Nahkampf und im Umgang mit Schusswaffen trainierte Beamten.
Ordnungsdienste haben in Ungarn Tradition
Es fügt sich aber auch ein in eine gesellschaftliche Ordnungskultur, in der Bürger sich dafür engagieren, dass man im Umgang miteinander gewisse Regeln einhält. Ordnungsdienste gibt es in Ungarn schon seit der Wende für alles nur Denkbare.
So bildeten sich nach der Wende, als alles im Umbruch und unberechenbar schien, freiwillige Bürgerwachen in vielen Gemeinden. Sie waren nicht bewaffnet, wollten aber in ihren Nachbarschaften für Ordnung sorgen, ohne sich auf die mit Skepsis betrachtete, ex-kommunistische Polizei verlassen zu müssen. 1991 gab es bereits Bürgerwachen in 223 Gemeinden. In ihnen engagierten sich etwa 50.000 Bürger. Inzwischen arbeiten sie mit der Polizei Hand in Hand, sind meist schneller als diese vor Ort, wenn irgendwo ein Einbruch passiert, und schauen auch mal bei älteren Menschen in abgelegenen Häusern vorbei, ob alles in Ordnung ist. Formal sind es Vereine. Der beste Vergleich in Deutschland ist vielleicht die freiwillige Feuerwehr.
Daneben gibt es auch Feldwächter. Anders als die freiwilligen Bürgerwachen sind sie von den ländlichen Gemeinden angestellt, um – wie der Name schon sagt – über die Felder zu wachen. Jene in Staatsbesitz vor allem, davon gibt es noch recht viele. Aber sie werfen auch ein Auge auf die Felder der Nachbarn. Das ist deswegen nötig, weil in manchen Gegenden Ungarns immer noch tiefe Armut herrscht, und in teilweise großem Maßstab buchstäblich die Kartoffeln vom Acker geklaut werden. Feldwächter sollen aber auch Flora und Fauna schützen und können im Auftrag des Bürgermeisters schon mal bei den Eltern von Kindern vorstellig werden, die chronisch vom Schulunterricht fehlen.
Enge Zusammenarbeit mit der Polizei
Im Gegensatz zu den Bürgerwachen sind die Feldwächter nicht nur mit Reizgas, sondern auch mit Schrotflinten ausgerüstet, die sie aber Menschen gegenüber gesetzlich nur benutzen dürfen, um Warnschüsse abzugeben oder Schreckschussmunition zu verschießen. Sie gelten als Amtspersonen und dürfen „Zwangsmaßnahmen“ ergreifen. Bürgerwachen und Feldwächter werden von den Gemeinden teilweise mit Autos ausgestattet. Sie stehen in Funkkontakt mit der Polizei und arbeiten eng mit ihr zusammen.
Ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit rückten sie nur einmal, als während der Flüchtlingskrise 2015 ein virales Video des damaligen Bürgermeisters der Gemeinde Ásotthalom an der serbischen Grenze auf YouTube für Wirbel sorgte. Darin traten die örtlichen Feld- und Bürgerwachen auf, als wären sie Rambos, um Migranten abzuschrecken. Illegal die ungarische Grenze zu überschreiten sei „eine schlechte Idee“, sagt Bürgermeister László Toroczkai warnend im Video. Sie sei „besonders schlecht”, wenn man es bei Ásotthalom versuche.
Die Realität ist indessen weniger martialisch, wie der Autor dieses Artikels erlebte, als er einst mit ihnen auf Patrouille ging. Man fuhr an der Grenze entlang, blickte durch Ferngläser, tauschte sich über Funk mit anderen Patrouillen aus – und wenn man Migranten fand, dann fuhr man halt hin, stellte ein paar Fragen und wartete danach auf die Polizei, die allein befugt ist, Menschen in Gewahrsam zu nehmen.
Und so läuft es heute noch. Typischerweise meldet ein Nachbar oder Passant, dass im Haus von XY etwas nicht in Ordnung ist, die Bürgerwachen sehen dann nach und rufen gegebenenfalls die Polizei – während sie die Einbrecher, so es denn welche sind, in Schach halten, bis die Polizei kommt.
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Herr Kálnoky hat Recht! In einem kleinen Dorf, in Szigliget, wo ich seit 35 Jahre unser Ferienhaus habe, muss ich auch heute Tor und Tür nicht einsperren. Einmal hat mir ein Wasserschlauch abhanden gekommen. Der Bürgerwehr kennt jeden persönlich, einmal hat sogar mein Fotoapparat zurückgebracht, das ich in einem Restaurant vergessen hatte. Ich habe in meinem ungarischen Freundeskreis mehrere Lehrern. Es gibt Gegenden, wo Gewalt in der Schulen enorm groß ist. Die Lehrerschaft hat kaum Mittel Ordnung einzufordern, wenn zuhause die BILDUNG kein Stellenwert hat. Hier in Deutschland ist die Bildung zu oft auf verlorenen Posten.
Wenn man bedenkt, dass die ÄRZTE nach dem die Kommunisten sich eingenistet hatten – so viel verdienen dürften, wie die Hilfsarbeiter! So hat sich überhaupt so etwas, wie Parasolventia “HALAPÈNZ” etabliert, was die Patienten dem Arzt direkt schwarz zahlen.(gehört nicht direkt zu Sache)