Die grüne Delegationschefin Tineke Strik fürchtet, die Budapest Pride sei nur das erste Opfer des eingeschränkten Versammlungsrechts. Fotos: MTI/ Zoltán Kocsis

LIBE-Ausschuss

Faktensammler in Budapest

Die Orbán-Regierung ist schon lange davon überzeugt, das Urteil in den politischen Verfahren gegen Ungarn stehe regelmäßig bereits vorab fest. Der Besuch einer Delegation des Europaparlaments in Budapest vor Ostern bestätigte diesen Eindruck.

Der Präsident des Amtes für Souveränitätsschutz (SzVH), Tamás Lánczi, empfing die Delegation des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Europaparlament (EP). Die Delegation stand unter der Leitung der holländischen Grünen-Politikerin Tineke Strik. „Dieses Treffen hat gezeigt, dass ein Schauverfahren gegen Ungarn in Sachen unseres Gesetzes über den Souveränitätsschutz läuft“, urteilte Lánczi. Die Delegation verweigerte den Mitschnitt des Gesprächs und wiederholte dann hinter verschlossenen Türen die eingeübten Vorwürfe jener Pseudo-NGO, die einst von USAID und nun weiter von der EU-Kommission finanziert werden, um politischen Druck auf missliebige Staaten auszuüben. Die für die EU-Zentrale relevanten NGO würden merkwürdigerweise grundsätzlich (auch) vom Soros-Imperium finanziert, mit der „Zivilgesellschaft“ abseits dieses Spektrums, z. B. mit unabhängigen konservativen NGO, würde nie das Gespräch gesucht.

„Sie wollen angeblich neutral Fakten aufdecken, was natürlich nicht ehrlich gemeint sein kann, nachdem das EP hinter einem Vertragsverletzungsverfahren steht, das in der Sache von der EU-Kommission gegen Ungarn eingeleitet wurde.“ Obendrein gehörten zur Delegation ausnahmslos politisch vorbelastete Europaabgeordnete; ein Mitglied ergriff erst vor wenigen Monaten auf der Veranstaltung einer Oppositionspartei in Budapest das Wort „und wollte sich nun in der Rolle des neutralen Beobachters gefallen“. Die rechten Parteien im EP hatten deshalb von vornherein auf eine Teilnahme an diesem „Schmierentheater“ verzichtet.

EU-Finanzierung ausländische Einmischung?

Tineke Strik beklagte auf der Pressekonferenz am Ende des dreitägigen „investigativen“ Budapest-Besuchs der fünfköpfigen LIBE-Delegation, das erste Opfer der ungarischen Rechtsnorm zur Einschränkung des Versammlungsrechts werde die Budapest Pride sein. Man wolle den EuGH zum Erlassen einer einstweiligen Verfügung drängen, damit die Pride in der ungarischen Hauptstadt legal und friedlich abgehalten werden kann. „Die Absichten von Ministerpräsident Viktor Orbán zur Regulierung der Zivilgesellschaft gefährden die freie Meinungsäußerung und die Grundwerte der EU“, hielt die Holländerin fest. Das Gesetz über den Souveränitätsschutz und das im Zuge dieser Rechtsnorm eingerichtete Amt würden auf dem Papier rechtmäßige Ziele verfolgen. In der Praxis jedoch richte man sich in dem Bestreben, Einmischungen aus dem Ausland abzuwehren, gegen Journalisten und NGO, die gerade für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts arbeiten bzw. diese kontrollieren. „Es ist ein Problem, wenn Ungarn EU-Finanzierungen als ausländische Einmischung betrachtet, erst recht wenn dieses Instrument ausschließlich zur Maßregelung der Zivilgesellschaft verwendet wird“, kritisierte die Grüne.

Unabhängige Medien unter Druck

Die belgische Europaabgeordnete Sophie Wilmés aus der Renew-Fraktion habe in Gesprächen mit Medienvertreten ihre Sorgen bestätigt gesehen, dass Pluralismus und Vielfalt in der ungarischen Medienlandschaft auf der Strecke bleiben. „Wir wissen, dass 80% der Markterlöse regierungsnahen Medien zufließen. Das dient der Stärkung von Regierungs-Narrativen, während unabhängige Medien wirtschaftlich unmöglich gemacht werden und unter Druck gesetzt werden, um ihre kritische Haltung abzulegen.“ Ebenso werde ein freier Informationsfluss behindert, wenn unabhängige Journalisten an öffentliche Daten gelangen oder mit wichtigen Staatsbeamten Interviews führen wollen. Die Belgierin verwies zudem auf die aggressive Rhetorik der Regierungs-PR, der man persönlich im Austausch mit Behörden begegnet sei.

Pole ermahnt Ungarn zu Loyalität

Der Pole Michal Wawrykiewicz (2.v.r.) von der EVP hielt fest, die Mitglieder der Delegation hätten „einstimmig“ erkannt, dass sich die Lage in Ungarn in Sachen Rechtsstaatlichkeit zunehmend verschlechtere, denn Rechtsstaatsprinzipien würden „ganz offenkundig“ verletzt, die Unabhängigkeit der Justiz gehe den Bach runter. Die Orbán-Regierung boykottiere ganz bewusst richtungweisende Urteile des EuGH. „Das Loyalitätsprinzip verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verpflichtungen innerhalb der Gemeinschaft nachzukommen, bzw. alles zu vermeiden, womit die EU-Ziele gefährdet werden können“, hielt der Parteigenosse von Ministerpräsident Donald Tusk fest.

Polen war in der Delegation gleich doppelt vertreten, wobei es dem „Neuen Linken“ Krzysztof Smiszek (2.v.l.) oblag, die Gleichheit vor dem Gesetz für die Mitglieder der LGBTQ-Bewegung in Ungarn einzufordern. In dieser Gemeinschaft sei man voller Sorge, dass die Einschränkung des Versammlungsrechts unmittelbare Auswirkungen für die Regenbogen-Familie haben werde. Er erinnerte daran, dass Ungarn die Rechte der queeren Bewegung schon bislang einschränkte, indem etwa ein Verbot der Anerkennung abweichender Geschlechtsidentitäten ausgesprochen wurde.

Baske sieht „Tyrannei der Mehrheit“

Die Kritiken der LIBE-Delegation rundete der spanische Linke Pernando Barrenza Arza ab, der Ungarn schon einmal 2021 in gleicher Funktion besuchte und seither eine massive Verschlechterung der Lage des Rechtsstaats erkennen musste. Den Basken beunruhigen insbesondere die Verletzung von Menschenrechten bei (illegalen) Migranten und Flüchtlingen, „denen es praktisch unmöglich ist, das Territorium Ungarns zu betreten“. Die Orbán-Regierung habe eine „Tyrannei der Mehrheit“ geschaffen und trete die Rechte der Minderheiten mit Füßen. Der erfahrene Politiker forderte konkrete Sanktionen gegen die ungarische Regierung, die „in der Vergangenheit ungestraft die EU-Gesetze ausspielen konnte“.

Kanzleramtsminister Gergely Gulyás kommentierte den Besuch der LIBE-Delegation auf der Regierungspressekonferenz mit dem Hinweis, weder die EU-Kommission noch der EuGH habe in Sachen Versammlungsrecht irgendwelche Kompetenzen, um sich in das ungarische Rechtssystem einzumischen. Ungarn lasse sich in Sachen Souveränität, Abwehr der illegalen Migration sowie Kinderschutzgesetz nicht hineinreden.

„Da kamen keine Beobachter nach Ungarn, die stichhaltige Fakten suchen wollten. Es waren von Tisza-Chef Péter „Brüssel“-Magyar entsandte Söldner, mit dem Auftrag, alles zu unternehmen, damit die EU in Budapest eine Marionettenregierung installieren kann.“

2 Antworten auf “Faktensammler in Budapest

  1. Da hat der Kanzleramtsminister Herr Gergely Gulyas völlig recht, die EU-Kommission und der EuGH haben keine Kompetenz, sich in das nationale ungarische Rechtssystem einzumischen.
    Z.B. die Budapest Pride ist eine unnütze LGBTQ-Bewegung, die keine Werte in irgendeiner Form schafft. Im Gegenteil nur Unfrieden stiftet.
    Deshalb sollte Ungarn unbeirrt seinen Weg fortsetzen.

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