Budapester Bürgerschaft
Experiment Demokratie
Eine knappe Mehrheit (16:14) stimmte gegen die Vorlage des linksliberalen Oberbürgermeisters zur Satzung des Gremiums. Dabei hatte Karácsony bereits mehrere Anträge verschiedener Fraktionen in das Dokument eingebaut, mit dem die Sitzungsordnung und Führungsstrukturen der Hauptstadt geregelt werden. Letztlich einigte sich die Bürgerschaft jedoch mit 18:3 Stimmen bei 10 Enthaltungen auf einen „Mindestkompromiss“. Dabei wurden die Strukturen der neu aufgestellten Ausschüsse an Personalentscheidungen gekoppelt.
Schüler politisch aktiv
„Die Budapester haben eine vielfältigere Bürgerschaft gewählt, die ohne eine eindeutige natürliche Mehrheit auskommen muss“, kommentierte der OB von der linken Splitterpartei Párbeszéd. Eine deutliche Mehrheit von 21 Stimmen erhielt jedoch ein Maßnahmenplan zur Umsetzung des Programms „Unser Budapest“. Hinter diesem Programm stehen die Schülerbewegungen ADOM, EDF und Fridays for Future (FfF). Erstere profilierten sich bei landesweiten Solidaritätskundgebungen für eine Besserstellung der Pädagogen, FfF ist hierzulande noch wenig massenwirksam in Erscheinung getreten.
Der OB verwies in der Debatte auf seine Position, er werde die Initiative für eine bessere Zukunft von Schülern und Studenten nicht einfach deshalb vom Tisch fegen, nur weil es sich um „systemkritische Schülerbewegungen“ handelt. Von Seiten Fidesz-KDNP lautete die Kritik, man dürfe nicht Schüler und Zivile als politische Akteure deuten. Für die Podmaniczky-Bewegung erklärte deren Vorsitzender Dávid Vitézy, man habe nicht mit den Schülern Probleme, sondern mit dem Niveau der Vorlage. Die Tisza-Partei beanspruchte für sich, die Schüler hätten ihren Vorschlag berücksichtigt, Konsultationen auf breiter Basis zu führen.
S-Bahnen und soziale Wohnungen
Mit 18 Ja-Stimmen bei 13 Enthaltungen wurde die Podmaniczky-Initiative unterstützt, eine Strategie für die Modernisierung der S-Bahnlinien zu erstellen und das Projekt mit Förderung durch die Regierung schnellstmöglich umzusetzen. Des Weiteren beauftragte die Bürgerschaft den Oberbürgermeister, mit der Regierung über den sozialen Wohnungsbau zu verhandeln und in die Programme EU-Gelder einzubeziehen. Budapest möchte zudem ein mindestens zweijähriges Moratorium für Immobilienkäufe ausländischer Investoren aus Drittstaaten einführen. Die Tourismus-Pauschalsteuer für das Vermieten von Wohnungen soll halbiert bzw. komplett gestrichen werden, wenn der Mietvertrag auf mindestens 2 bzw. 3 Jahre angelegt ist.
Koalition aus Fidesz und DK?
Die Entwicklungen in der Budapester Bürgerschaft bewerteten die Parteien verständlicherweise unterschiedlich. Die Tisza-Partei erklärte, es sei zusammengewachsen, was zusammengehört. Damit meinte man die „Einheitsfront“ von Fidesz und DK mit dem Oberbürgermeister, um dem Imperium des Oligarchen und Orbán-Schwiegersohns István Tiborcz das altehrwürdige Gellért-Hotel „unterm Preis“ zuzuspielen. Diese Koalition habe auch Anträge verhindert, die „Allmacht“ des Oberbürgermeisters zu beenden. „Aus irgendeinem Grund wollen Fidesz und DK nicht, dass die Abgeordneten Einblicke und Einfluss auf die leitenden Gremien der Kommunalbetriebe gewinnen“, kommentierte Péter Magyar.
Die Fidesz-Fraktionsvorsitzende Alexandra Szentkirályi beklagte derweil, die Tisza-Partei sei auch in Budapest die Stimme Brüssels. Weil die Liberalen Marktpreise für die Energie durchdrücken wollen, wurde der Antrag des Fidesz abgelehnt, symbolisch zur Politik der gesenkten Energiekosten zu stehen. Ebenso habe die „liberale Regenbogenkoalition“ den Vorschlag abgelehnt, soziale Mietwohnungen nicht an Migranten zur Verfügung zu stellen, wie das in westlichen Hauptstädten gang und gebe sei. Die Führung von Budapest sei nicht imstande, die Wohnungskrise zu beenden, die Regierung sei jedoch bereit zu helfen.