Gergely Arató (DK): „Orbán verschleiert die Tatsache, dass er den Ungarn kein europäisches Leben bieten kann und will.“ Foto: MTI/Noémi Bruzák

Opposition zur Orbán-Strategie

Erregung wegen Mittelmacht-Streben

Die Opposition übte harsche Kritik an der neuen Strategie, die Viktor Orbán zu Weihnachten hinter verschlossenen Türen gegenüber Geschäftsleuten darlegte.
12. Januar 2023 10:30

Sein politischer Direktor Balázs Orbán hatte wichtige Gedanken des Ministerpräsidenten Anfang Januar in einem Beitrag für das konservative Wochenblatt „Mandiner“ zusammengefasst. So liege es nicht im Interesse Ungarns, wieder in den Kalten Krieg zu verfallen. Vielmehr bedürfe es eines alternativen Globalisierungsmodells, einer Strategie des friedlichen Handels zwischen Ost und West. Die größte Herausforderung für das Land bestehe darin, zum modernen Westen aufzuschließen sowie den Status einer regionalen Mittelmacht zu erreichen.

„Die Freiheit kommt immer aus dem Westen“

„Ungarn gehört seit tausend Jahren zum Westen“, sagte der Fraktions-Vize der DK, Gergely Arató. Ungarn befand sich immer dann in einer Krise, wenn der jeweilige Führer das Land vom Westen abspalten wollte. Arató zufolge verschleiert Orbáns „Geschwätz“ über den Status einer Mittelmacht und den wirtschaftlichen Aufholprozess nur die Tatsache, dass er den Ungarn kein europäisches Leben bieten kann und will. Und da Korruption, die Verhöhnung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa nicht geduldet werden, sucht Orbán seine Verbündeten nicht im Westen, sondern im Osten.

„Das Öl mag aus dem Osten kommen, aber die Freiheit kommt immer aus dem Westen“, zitierte Ferenc Gelencsér eine Aussage von Viktor Orbán aus dem Jahre 2007. Dieser Aussage, so der Momentum-Vorsitzende, würden auch heute noch viele zustimmen. Der Politiker zeigte sich schockiert über die „zusammenhangslose, pro-östliche Diktatur-Rhetorik“, mit der die Regierung den Grundstein für den Aufstieg Ungarns in die Reihe der Mittelmächte legen wolle.

„Zweifelsohne muss Ungarn zu den modernen Ländern aufschließen. Klar ist aber auch, dass das Wachstum, mit dem nicht einmal annähernd der erwartete Anstieg des Lebensstandards erreicht wurde, auf die Vorteile der EU-Mitgliedschaft, die Ansiedlung westlicher Multis und den freien Kapitalfluss zurückzuführen ist“, sagte der Momentum-Politiker weiter. Zur Wahrheit gehöre auch, dass die Regierung gegen die Interessen aller Ungarn die Arbeitskosten niedrig gehalten, die Vorschriften zu Arbeits- und Umweltschutz gelockert und die multinationalen Konzerne für jeden geschaffenen Arbeitsplatz, der alles andere als gut bezahlt ist, großzügig honorierte. Die Multis zahlen kaum Steuern, schaffen ihre Profite aber außer Landes.

Am Rande des Bankrotts

Márton Gyöngyösi, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Jobbik, begrüßte das Bestreben der Regierung, das Ansehen Ungarns zu stärken und sich international zu profilieren. Er ist jedoch weniger davon überzeugt, dass dies eine realistische Option ist, wenn das Land aufgrund zurückgehaltener EU-Gelder „am Rande des Bankrotts“ steht.

Ágnes Kunhalmi (MSZP): „Der Ministerpräsident gaukelt seiner Wählerschaft Illusionen vor.“ Foto: Sozialmedien

Für die MSZP-Co-Vorsitzende Ágnes Kunhalmi sei es keine Überraschung gewesen, dass Orbán den Status einer regionalen Mittelmacht anstrebt. „Seine Äußerungen der letzten Jahre haben dies deutlich gemacht, auch wenn er den Begriff zuvor nicht direkt verwendete. Wie bei seinem Großungarn-Schal erinnert er an die historische Vergangenheit und gaukelt seiner Wählerschaft Illusionen vor.“ Orbán habe sich jedoch nicht dazu geäußert, wie er den Status einer regionalen Mittelmacht erreichen will und wie sich die Nachbarstaaten dazu verhalten werden.

Über die neue Strategie des Ministerpräsidenten lesen Sie einen ausführlichen Bericht im aktuellen BZ Magazin!

Ein Gedanke zu “Erregung wegen Mittelmacht-Streben

  1. Aus dem Westen kommt Unfreiheit und Korruption, dazu nun Wirtschaftszerstörung im US-Interesse und Volksaustausch. Aufschließung zum Westen heißt nur, von den USA und deren Marionetten niedergemacht und ausgebeutet zu werden. Dafür steht der linke Parteienblock.

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