Wahlen 2024
Elf Pulte im Fernsehstudio
Die Spitzenkandidatin des Linksbündnisses, Klára Dobrev, merkte am Ende denn auch an, hier hätte nur jeder einen Monolog aufgesagt, und lud ins linksliberale Nachrichtenfernsehen ATV ein, wo eine „echte“ Debatte stattfinden wird. Zuvor durften sich alle eingeladenen Politiker jeweils zwei Minuten lang zu den (vermeintlichen) Hauptthemen des Europawahlkampfes äußern. So erhielt jeder acht Minuten Redezeit – ein klarer Fortschritt im Vergleich zu früheren Wahlen, als den Oppositionsparteien beim Staatsfernsehen jeweils nur fünf Minuten eingeräumt wurden, um ihr Programm darzulegen.
Eigenwerbung in der Dauerschleife
Elf Redner (!) traten zur Debatte im Burggartenbasar an, mehrere Oppositionsparteien versammelten ihre Anhänger draußen, die über Leinwände das Geschehen drinnen verfolgen konnten. Für die grün-alternative LMP stellte Péter Ungár klar, es gehe bei diesen Wahlen nicht um die Abwahl der Orbán-Regierung, weshalb die Grünen auch nicht wie andere den Wählern die Taschen volllügen über den angeblichen Einsatz. Nichtsdestotrotz meinte der frühere Spitzenkandidat der vereinten Opposition zu den Parlamentswahlen 2022, Péter Márki-Zay, seine Volkspartei „Ungarn für alle“ (MMNP) gebe sich nicht mit einem Regierungswechsel zufrieden, sondern werde den Fidesz „bis auf den letzten Cent“ zur Rechenschaft ziehen.
Für die Regierungsparteien ging Tamás Deutsch mit der bekannten Floskel in die Diskussion, am 9. Juni würden die Bürger über Krieg oder Frieden entscheiden. Der Spitzenkandidat der Jobbik, Péter Róna, möchte stattdessen Ungarn in der EU, Russland sowie China aber „außen vor halten“. Péter Magyar begann mit Eigenwerbung für die neue Formation der Tisza-Partei, deren Auftreten erst für diese Debatte im Staats-TV gesorgt hätte. Eigentlich wollte er mit Viktor Orbán und Ferenc Gyurcsány streiten, aber die hätten sich nicht getraut. Imre Tóth von der Satirepartei MKKP und László Toroczkai von der rechten Mi Hazánk beklagten, dass alle anderen Parteien die Wahlen zum Europaparlament (EP) zur Komödie gemacht hätten. Anna Donáth von der Momentum erklärte, der Schutz der EU müsse mit der Verteidigung der europäischen Werte einhergehen. Dazu gehörten grundlegende Freiheitsrechte wie das Recht auf Sterbehilfe, für das die Liberalen wie niemand anderes in Ungarn und der EU eintreten.
Alle normalen Ungarn wollen Frieden
Im weiteren Verlauf ging Dobrev den Ministerpräsidenten an, indem sie behauptete, Orbán sei „peinlich“ für Europa, der ganz sicher nicht Brüssel erobern wird, nachdem er dort ja noch nicht einmal die Interessen der Ungarn vertreten könne. Indem Orbán eine Kriegsstimmung füttere, gefährde er die Sicherheit des Landes. Niemand wolle die jungen Ungarn in den Krieg schicken, die Wehrpflicht hätten einst die Linken abgeschafft – unter Missbilligung des Fidesz.
Tamás Deutsch sprach von einem schrecklichen Krieg in der Ukraine, mit Hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen. Die Linke aber unterstütze im Europaparlament sämtliche Vorlagen, die den Konflikt noch vertiefen, und wolle nach Waffen nun auch Soldaten schicken, als würde Ungarn mit Russland Krieg führen.
Péter Magyar hielt dem Fidesz entgegen, dass alle Ungarn „mit nüchternem Verstand“ Frieden wollen. Es sei die Orbán-Regierung, die mehrere hundert Soldaten in den Tschad schicke, wo ein blutiger Bürgerkrieg tobt. Ein Kommunikationsbluff sei, der Tisza-Partei vorzuwerfen, sich im EP den „Kriegstreibern“ der EVP anschließen zu wollen. „Jener EVP wohlgemerkt, in deren Reihen bis heute der kleine Koalitionspartner des Fidesz, die KDNP, ihr Zuhause hat.“ Für László Toroczkai gehören die EVP und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu den Kriegstreibern. Die Mi Hazánk werde deshalb einer neuen „Friedens-Fraktion“ im EP angehören, u. a. an der Seite der AfD.