Kulturminister Balázs Hankó – hier bei einem Einwohnerforum Anfang der Woche – ist überzeugt, die EU-Kommission benutze Erasmus als politisches Druckmittel. Foto: MTI/ Zoltán Kocsis

Erasmus-Skandal

Die DK sieht es anders

Die DK gibt der Orbán-Regierung die Schuld, dass Tausende Studenten an 21 Hochschulen vergeblich auf ihre Rückkehr ins Erasmus-Programm der EU warten. Derweil wirft Budapest der EU-Kommission vor, die Verhandlungen unnötig zu verzögern und politische Motive zu verfolgen.
16. November 2024 14:37

„Mehr als 30.000 Studenten an 21 Hochschulen warten vergeblich auf eine Teilnahme am Erasmus-Programm“, sagte Klára Dobrev unter Berufung auf ein Schreiben der EU-Kommission. „Die Orbán-Regierung hat keinen Finger gerührt, weshalb z. B. die Studenten und die Forscher der Budapester Corvinus-Universität, der Uni Pécs oder der Uni Szeged nicht an den Programmen teilnehmen bzw. keine Finanzierungen beanspruchen können.“

Aktivisten an der Uni

Sicher nicht unabhängig von dieser Stellungnahme der Europaabgeordneten rollte der DK-Aktivist Márton Gyekiczki am Donnerstag an der Corvinus-Universität ein Transparent aus, auf dem die Anklageschrift prangte: „Orbán hat euch Erasmus genommen!“ Der 19-Jährige, der seit diesem Herbst für die DK in der Bürgerschaft von Érd sitzt, hatte vor Wochen in Straßburg für einen Skandal gesorgt, als er die Pressekonferenz des Ministerpräsidenten am Tag vor der Debatte im Europaparlament störte, um – nach eigener Aussage – „Viktor Orbán mit seinen Verbrechen zu konfrontieren“.

Die Aktion der DK-Jugend an der Corvinus-Uni: Das Plakat prangert an, Orbán habe die ungarischen Studenten von Erasmus ausgeschlossen. Foto: Facebook/ DEL

Minister: „Brüssel lügt!“

„Brüssel lügt“, lautete die heftige Reaktion des zuständigen Ministeriums auf die Aktionen der Oppositionspartei, nachdem sich die DK in dem Konflikt auf die Seite der EU-Kommission schlug. Laut Kulturministerium liegt die Schuld, warum man bei Erasmus nicht vorankomme, eindeutig bei der EU-Kommission. Dazu werden nun Fakten aufgetischt: Bereits am 13. November 2023 hatte Ungarn Brüssel einen umfassenden Kompromissvorschlag übermittelt, um die Verhandlungen voranzutreiben. Seither kam es laut Ministerium zu mehreren persönlichen Treffen, die jedoch kaum Fortschritte brachten.

Während eines informellen Treffens der EU-Bildungsminister am 29. Februar und 1. März machte Balázs Hankó,  damals noch als Staatssekretär, die Kommission darauf aufmerksam, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten seien. Er forderte die zuständige Kommissarin Iliana Ivanova dazu auf, die Blockadehaltung aufzugeben. Auch ein Treffen am 13. Mai mit dem Vizepräsidenten der Kommission, Margaritis Schinas, brachte keine Ergebnisse.

Neue Anläufe und Enttäuschungen

Am 19. September führte Hankó – mittlerweile Minister für Kultur und Innovation – Gespräche mit den Kommissaren Iliana Ivanova und Nicolas Schmit. Thema waren die akademische Freiheit und die umstrittene EU-Entscheidung, alle ungarischen Universitäten, die von gemeinnützigen Stiftungen betrieben werden, von den EU-Programmen auszuschließen. Der Minister erklärte, Ungarns Regierung wolle das Gesetzesvorhaben im Herbst im Parlament einbringen und sei zuversichtlich, dass die Kommission endlich Stellung bezieht, um das Thema abzuschließen.

Am 18. Oktober übermittelte das EU-Ministerium den Gesetzentwurf an Generaldirektorin Stéphanie Riso. Nur eine Woche später, am 25. Oktober, fand ein weiteres Treffen zwischen Hankó sowie Markus Schulte, dem Kabinettschef von Ivanova, und Abteilungsleiter Mario Nava statt. Die Ungarn betonten, der Gesetzentwurf sei identisch mit dem bereits 2023 übermittelten Vorschlag, welcher u. a. Regelungen zu Interessenkonflikten von Kuratoriumsmitgliedern, darunter eine einjährige Karenzzeit und eine Beschränkung der Amtszeiten auf zweimal sechs Jahre enthält.

Nach all dem kritisiert das Ministerium jetzt das Verhalten der EU-Kommission scharf. Brüssel habe den Verhandlungsprozess bewusst blockiert und suche nun verzweifelt und ohne stichhaltige Argumente nach einem Ausweg. Man wirft der Kommission vor, die Verhandlungen absichtlich hinauszuzögern, um das politische Druckmittel und die Diskriminierung ungarischer Studenten aufrechtzuerhalten.

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