Wirtschaftsminister Márton Nagy: „Wir wollen, dass jemand den Sektor aus seinem Dornröschenschlaf erweckt.“ Fotos: MTI/ Szilárd Koszticsák

Regierung

Auch Versicherungen im Visier

Die Regierung schenkte bislang dem Versicherungssektor weniger Aufmerksamkeit als den Banken – das wird sich nun ändern. Das kündigte Wirtschaftsminister Márton Nagy auf einer Konferenz des Versicherungsverbands MABISZ am Mittwoch an.

Es wird mehr Abstimmungen mit der Regierung geben. Wichtig sei, dass die Kunden besser gestellt werden. Die Rede des Ministers wirbelte in der Branche recht viel Staub auf.

Staatliche Eingriffe werden in Kürze im Bereich der Wohnungsversicherungen erfolgen. Mehr Aktivitäten seien zudem bei der Selbstvorsorge der Bürger und den Gesundheitsversicherungen nötig – auch hier wird die Regierung reagieren, erklärte Nagy. Der Bereich der Dürreversicherung funktioniert nicht gut, es bestehe Bedarf an einem breiteren Schutz und einer größeren Risikogruppe.

Nach dem erfolgten Anteilserwerb von 45% an Aegon und Union könnte die Regierung vorübergehend auch in andere Versicherungsgesellschaften einsteigen. „So wie wir die MKB und die Budapest Bank gekauft haben, ist auch hier ein Einstieg denkbar. Wir werden nicht dauerhaft dabei sein, aber die Konsolidierung wird durch den Staat erleichtert.“

Kein wirklicher Wettbewerb

Ungarn war eines der wenigen Länder, in denen die Ersparnisse während der Corona-Pandemie am stärksten zunahmen, wobei die Bevölkerung bis zum III. Quartal 2022 weiter sparte. Für den Versicherungssektor ist es nicht sehr ermutigend, dass diese Gelder hauptsächlich in Investmentfonds, Bargeld und Bankeinlagen geflossen sind, zumal die letzteren beiden Segmente einem Vermögensverlust für die Privathaushalte gleichkommen.

Trotz des nominalen Wachstums schrumpfen die Ersparnisse bei den Versicherungen. Der Sektor ist zwar stabil, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es gibt keinen wirklichen Wettbewerb und keine Konsolidierung. Deswegen ist die Regierung der Auffassung, „jemand sollte den Sektor aus seinem Dornröschenschlaf erwecken“. Auf die erwerbstätige Bevölkerung kommen drei Verträge pro Kopf, was im internationalen Vergleich wenig ist. Deswegen sei es für Nagy überraschend, dass immer noch so viele Versicherungsgesellschaften am Markt agieren.

In diesem Jahr wird das BIP-Wachstum voraussichtlich zwischen 4,5% und 5% liegen. Für das nächste Jahr rechnet die Regierung mit einem Wachstum von 1% oder etwas mehr, d. h. eine Rezession könne vermieden werden, meinte Nagy.

Deindustrialisierung droht

Die Wirtschaft ist mit mehreren Schocks konfrontiert: Energieschocks, Nahrungsmittelprobleme, hohe Zinssätze und Rohstoffpreise führen zu einem verlangsamten Wachstum. Alles sei eine Frage der Energie. Europa hat an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt und sieht sich im Energiesektor einem erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber. Es drohe eine Deindustrialisierung: Die chemische Industrie verschwindet aus Europa, es gibt keine Düngemittelproduktion mehr, Glas- und Papierindustrie sind bedroht.

Auch die ungarische Wirtschaft sieht einem schwierigen Jahr entgegen, die Regierung wird jedoch nicht vom Defizitziel abweichen und die Staatsschulden weiter senken. „Die Inflation wird uns vielleicht noch ein oder zwei Jahre lang begleiten, aber dann wird sie abflauen. Ohne die Preisdeckelung für Kraftstoffe könnte die Inflation auf ein noch höheres Niveau steigen, so dass diese mögliche Lockerung negative Folgen hätte“, erklärte der Minister.

Am Rande der Belastbarkeit

Der ungarische Versicherungssektor hat die Grenze seiner Belastbarkeit erreicht, erklärte MABISZ-Präsident Mihály Erdős. Die hohe Inflation führe dazu, dass der durchschnittliche Schadenaufwand in allen Bereichen über dem Fünfjahresdurchschnitt liege. Der Sektor stehe zudem vor der Herausforderung, Klimarisiken zu bewältigen, da sich die Versicherungsansprüche aufgrund von Bränden oder Dürren verzehnfacht hätten. Die Zahlungen für dürrebedingte Schäden beliefen sich in diesem Jahr auf mehr als 40 Mrd. Forint und waren damit doppelt so hoch wie die Agrarprämien, verglichen mit knapp 10 Mrd. Forint im Jahr 2021. In diesem Jahr werden die Versicherer nach vorläufigen Zahlen rund 50 Mrd. Forint an Übergewinnsteuer zahlen.

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