Tag des Nationalen Zusammenhalts
Kraft aus der Trauer schöpfen
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Am Sonntag, dem 4. Juni, beging Ungarn den sog. „Tag des Nationalen Zusammenhalts“, mit dem die Nation des Friedensdiktats von Trianon gedenkt. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás hielt seine Gedenkrede in Sátoraljaújhely, wo der Rákóczi-Bund Ferienaufenthalte für Ungarn aus dem Karpatenbecken organisiert. Es sei die Aufgabe des Mutterlandes, Heimat für alle Ungarn zu sein, die Auslandsungarn aber gleichzeitig dabei zu unterstützen, dort glücklich zu werden, wo sie geboren wurden. Nach 103 Jahren des Schmerzes über die Zerstückelung des Landes dürften die Ungarn heute gleichzeitig feiern, dass sie alle Stürme der Geschichte überlebt haben. „Das letzte Jahrhundert hat gezeigt, dass die Nation über dem Staat steht“, hielt Gulyás fest. „Die Nationen sind Schöpfungen Gottes, die Grenzen aber wurden durch Menschen gezogen.“ Er warnte, dass wie einst im Kommunismus auch die heutigen Linken jeden nationalen Zusammenhalt aufgeben und verraten.
Ein neues Zeitalter
„Lange Zeit war der 4. Juni ein Tag der Trauer, aber seit 2010 wagen wir zu sagen, dass wir aus Trianon Kraft schöpfen können.“ Diese Worte sprach bereits Árpád János Potápi, Staatssekretär für Nationalpolitik im Ministerpräsidentenamt, bei einer Gedenkfeier in Dombóvár. Der Tag des Nationalen Zusammenhalts wolle die Verluste durch Trianon nicht vergessen machen, aber er solle aufzeigen, „das Ungarntum lebt und gedeiht und ist die größte Volksgruppe im Karpatenbecken“. „Sie haben das Land und Familien zerrissen, sie haben uns geschwächt und schwerste Lasten aufgebürdet, und doch sind wir wieder da und haben eine Vorstellung von unserer Zukunft“, schlug der Staatssekretär einen geschichtlichen Bogen. Für die ungarische Nationalpolitik brach 2010 ein neues Zeitalter an, das auf den Erhalt der ungarischen Nation baut. „Wie schon Graf Albert Apponyi anmerkte, muss man für den Zusammenhalt mit Hand anlegen. Es liegt an uns, welches Schicksal diesem Land widerfährt.“
Nicht fremden Mächten vertrauen!
Am Trianon-Denkmal in Zebegény warnte der Staatssekretär des Innenministeriums, Bence Rétvári: „Wem die Auslandsungarn nicht wichtig sind, dem werden irgendwann auch die Ungarn im eigenen Land nicht mehr wichtig sein.“ Vor 103 Jahren hätte sich die Führung des Landes nicht für ihre Landsleute stark gemacht, sondern auf das Wohlwollen fremder Mächte vertraut, wie diese mit den Ungarn in den historischen Landesteilen vom Burgenland bis nach Siebenbürgen umgehen wollen. „Aus dieser geschichtlichen Lektion müssen wir lernen!“
Ungarns Gebietsverluste hingen nicht vom Verlauf auf dem Schlachtfeld ab, diese ergaben sich am Verhandlungstisch. Der Staatssekretär zog den Vergleich, wonach Deutschland 70.000 km2, Österreich 40.000 km2, Ungarn aber 180.000 km2 verlor. Dabei habe Ungarn unter István Tisza den Kriegseintritt schon 1914 bis zum letzten Augenblick zu verhindern versucht, was die fehlende Souveränität unter der Habsburg-Dynastie jedoch zum Scheitern verurteilte. Tisza sagte voraus, dass Ungarn aus diesem Krieg ganz sicher keinen Nutzen ziehen wird. Genau das sei eine der wichtigen Erfahrungen, die Ungarns Standpunkt im Ukraine-Konflikt untermauern. „Im Zuge des Ringens von Weltmächten mussten wir im 20. Jahrhundert ausschließlich nationale Tragödien erleiden, ohne jeden Vorteil für die Ungarn“, stellte Rétvári klar.