Die Zerstörung der Budapester Brücken
Dem einen gelang sie, dem anderen nicht
Die Gedenkpolitik im Sozialismus rückte die Sprengung der Brücken gegen den angeblichen Großmut Stalins ins Bild, der auf den Einsatz schwerer Artillerie verzichtet haben soll, um die ungarische Stadt zu schonen. Die Brückensprengungen wurden bis in die jüngste Zeit noch in Erklärungen auf gedenkpolitischen Veranstaltungen als Nazi-Verbrechen hingestellt. Mit der nachfolgenden Schrift unternimmt der ungarische Historiker Dr. Krisztián Ungváry den Versuch, mit Hilfe bislang unbekannter Quellen dieses Bild zurechtzurücken.
Die Bedeutung der Brücken von Budapest für die deutsche Kriegsführung
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Brücken von Budapest durch Pioniere der Wehrmacht gesprengt wurden. Den Befehl dazu gab SS-General Pfeffer-Wildenbruch, Kommandant der deutschen Truppen in Budapest – wobei anzumerken ist, dass ihm Hitler mit der Führeranweisung Nummer 11 vom 1. Dezember 1944 gar keine andere Wahl ließ. Der Diktator ordnete mit seinem Befehl an, die ungarische Hauptstadt Haus für Haus zu verteidigen, was als logische Konsequenz auf lange Sicht die Zerstörung der Brücken einschloss. Es sei hinzugefügt, dass die Deutschen die Sprengungen ausgehend von ihren Möglichkeiten „minimalinvasiv“ durchführten, denn die Brückenpfeiler ließen sie unbehelligt (mit Ausnahme der Eisenbahnbrücken, wo jeweils auch ein Brückenpfeiler weggesprengt wurde). Allerdings verliefen die Sprengungen nicht in jedem Fall fachgerecht: Die in den Kammern auf der Budaer Seite der Franz-Joseph-Brücke (der heutigen Freiheitsbrücke) deponierten Sprengladungen explodierten nicht, und bei der Elisabeth-Brücke kam es nur auf der einen Seite zur Detonation der Sprengladungen, woraufhin das Stahlgerüst in sich verdreht in die Donau krachte. Die beiden letzten Sprengungen – der Kettenbrücke und der Elisabeth-Brücke – wurden am Morgen des 18. Januar 1945 beendet. Ende Oktober 1944 musste die Heeresgruppe Süd damit rechnen, dass die Sowjettruppen mit einem überraschenden Panzerangriff bis in die ungarische Hauptstadt vorstoßen könnten. Am 3. November 1944 besetzte die Rote Armee den Stadtteil Pestszentimre im Südosten; die Hauptstadt geriet in eine kritische Lage. Die Brücken wurden nun mit Sprengladungen versehen. Am 4. November um 14 Uhr wurde im Zuge dieser Operation wegen eines unbeabsichtigten Funkenflugs ein Brückenbogen auf der Pester Seite der Margaretenbrücke angesprengt, woraufhin die Druckwelle zwei weitere Bögen erfasste und in die Donau riss. Bei diesem Unfall kamen 40 deutsche Soldaten ums Leben, die gerade damit beschäftigt waren, Sprengladungen an der Brücke anzubringen. Die genaue Zahl ziviler Opfer ließ sich leider nicht exakt feststellen, doch sprach eine Untersuchung aus jener Zeit von rund sechshundert Toten.
Der deutsche Generalstab bereitete sich zugleich auf ein Szenario vor, was geschehen würde, wenn die Brücken aus irgendeinem Grund nicht länger einsatzbereit wären. Laut Bericht des Kommandanten der Pioniere der 6. Armee vom 3. Dezember 1944 standen zwischen Budapest und Vác im Falle eines Totalausfalls der Brücken folgende technische Ausrüstungen zur Verfügung: 2 ungarische Dampffähren, mit jeweils 230 Quadratmetern Transportraum und 20 Tonnen Kapazität, 8 ungarische Dampfschiffe, 2 Pionierfähren mit jeweils 450 Quadratmetern Transportraum und 75 Tonnen Kapazität, 2 ungarische Fähren im Schleppverband mit 650 Quadratmetern Transportraum sowie eine Pontonbrücke mit 8-10 Tonnen Belastbarkeit. Die hier aufgeführte Technik hätte im zehnstündigen Dauerbetrieb theoretisch das Übersetzen von insgesamt 1.500 Militärfahrzeugen, 2.000 Fuhrwerken und 100.000 Soldaten möglich gemacht – selbstverständlich nur in dem Fall, wenn der Transport ungestört hätte vorgenommen werden können und die zum Übersetzmanöver vorgesehenen Fahrzeuge beziehungsweise Soldaten in minutiöser Abfolge an den Fährstellen eingetroffen wären. Den Engpass bei den Übersetzkapazitäten stellten die Panzerwagen dar:
Diese konnten ausschließlich einzeln auf den Pionierfähren transportiert werden, so dass die tägliche Beförderungskapazität selbst im optimalen Fall nur 24 Panzer erreichte. Nach dem 12. Dezember fiel jedoch ein Teil der Fähren (jene, die bei Vác betrieben wurden) aus. Obendrein befand sich die Hauptstadt, sobald sich der Belagerungsring schloss, unter ständigem Artilleriebeschuss und war andauernden Luftangriffen ausgesetzt, was die oben genannten Kapazitäten vollkommen illusorisch wirken ließ, nachdem erst gar keine Chance mehr dafür bestand, das Übersetzmanöver geordnet, mit der Präzision eines Uhrwerks durchzuführen. Laut Bericht des IX. SS-Gebirgs-Armeekorps vom 16. Januar standen zu diesem Zeitpunkt nur noch zwei Pionierfähren und eine kleine ungarische Fähre zur Verfügung, während die Schiffskapazitäten bereits erschöpft waren. Ein vorzeitiger Verlust der Donau-Brücken hätte somit die Evakuierung der Verteidiger von Pest ganz sicher ausgeschlossen.

Sowjetische Anstrengungen zur Zerstörung der Brücken von Budapest
Dabei war nicht nur der deutschen Kriegsführung, sondern ebenso den Sowjets daran gelegen, die Brücken von Budapest zu zerstören – auch das Ausmaß dieses Interesses unterschied sich in nichts. Denn die Brücken stellten für beide Seiten Geländeobjekte dar, mit denen sie in ihren Militäroperationen kalkulieren mussten. Es sei hinzugefügt: Das trifft ebenso für die Anglo-Amerikaner zu, denn die US-Luftstreitkräfte hatten bereits im Sommer 1944 zwei Budapester Eisenbahnbrücken wiederholt bombardiert, ohne dabei größere Schäden zu verursachen. Der einzige Unterschied bei der Betrachtung der Brückenfrage bestand im Zeitpunkt, wann diese vernichtet werden sollten. Wollte die deutsche Führung die Brücken erst nach Aufgabe von Pest sprengen, hätten die Sowjets dies am liebsten noch während der Kampfhandlungen um die Stadt getan, um den Verteidigern vom Ostufer den Rückzugsweg beziehungsweise die Nachschublinien abzuschneiden.
Gleich mehrere sowjetische Befehle gingen auf die Vernichtung der Brücken ein. Den ersten derartigen Befehl gab der Oberste Generalstab der Roten Armee (also Stalin persönlich) am 26. Dezember 1944 um 22:10 Uhr aus. Darin wurde festgehalten, um den Rückzug der die Stadt verteidigenden deutschen Truppen zu verhindern, seien die Brücken „mit Artillerie aller Kaliber, selbst noch der größten, mit Luftangriffen und Sprengkommandos der Pioniere“ zu zerstören. Dieser Anweisung folgten weitere Befehle, unter denen in Punkt 2/b eines Befehls der 136. Kampfflieger-Division des 10. Bombergeschwaders aufgeführt ist, die „Donaubrücken der Stadt Budapest zu vernichten“. Laut dem IV. Kapitel des Berichts über die Kampferfahrungen der 136. Kampfflieger-Division wurde der Divisionskommandeur am 28. Dezember 1944 in den Generalstab des 10. Kampfflieger-Armeekorps gerufen, um Aufgaben und Befehle entgegenzunehmen. Der Operationsplan, mit dem die Offensive der 46. Armee auf Budapest unterstützt werden sollte, sah ununterbrochene Kampfhandlungen über vier Tage hinweg vor und verfügte den Einsatz von täglich 180 Kampfflugzeugen für die Division. Am 29. Dezember 1944 wurden die Zielpunkte festgelegt, am 1. Januar 1945 stand die Division bereit, die Operation auszuführen. Die Kettenbrücke fand sich auf der sowjetischen Belagerungskarte laut den überlieferten Schriftstücken als Objekt Nummer 66, die Elisabethbrücke als Nummer 105 und die Franz-Joseph-Brücke als Nummer 131. Die viertägigen Bombardements brachten aber nahezu kein Ergebnis. Damit lässt sich erklären, dass Stalin im Morgengrauen des 9. Januar 1945, um 2:45 Uhr mit der Direktive Nummer 11004 einen weiteren eindeutigen Befehl erteilte. Darin stand wortwörtlich, dass „die im zentralen Teil von Budapest die Donau querenden Brücken zu zerstören sind, wozu die Luftstreitkräfte und die schwere Artillerie einzusetzen sind, denen die dazu benötigten Beobachtungsstände und Feuerleitstellen zur Zielkorrektur sicherzustellen sind. Das Störfeuer auf die Brücken ist auch nach ihrer Zerstörung fortzusetzen, um den Feind an einer Wiederherstellung zu hindern“. Die 16. Durchbruch-Artilleriedivision erstellte einen ausführlichen Bericht über den Sturm auf Budapest, der mit Fotos illustriert wurde und eindeutig macht, dass dieser Armeeverband mit den Geschützen der größten Kaliber auf die Kettenbrücke, also auf das Objekt Nummer 66 zielte. Die Vernichtung des Ziels wurde den Geschützen vom Kaliber 20,3 cm des 109. Haubitzen-Regiments befohlen.

Traum und Realität: Die rumänische Luftwaffe gegen die ungarischen Brücken
Infolge des neuen Befehls häuften sich die Angriffe auf die Brücken. Das IX. SS-Gebirgs-Armeekorps gab am 13. Januar 1945 zwei Funksprüche wegen der Bombardierung der Brücken auf. Im ersten Funkspruch wurde berichtet, seit dem 12. Januar hätten auffallend viele feindliche Flugzeuge die Brücken attackiert, wobei die Miklós-Horthy-Brücke (die heutige Petőfi-Brücke) fünf und die Franz-Joseph-Brücke einen Treffer abbekam. Im zweiten Funkspruch wurde gemeldet, die Brücken würden seit dem 12. Januar auch mit Kampfflugzeugen Ju-87 und Ju-88 mit sowjetischen Hoheitszeichen angegriffen. Flugzeuge deutscher Bauart mit sowjetischen Hoheitszeichen erwähnte ebenso ein Funkspruch des IX. SS-Gebirgs-Armeekorps vom 15. Januar 1945. Aus rumänischen Quellen wissen wir, dass am 13. Januar vier Ju-88-A-4 Bomber der 2. Rumänischen Aufklärer- und Zerstörer-Staffel die Kettenbrücke sowie vier Bomber vom Typ Ju-87-D-5 die Elisabethbrücke attackierten. In der rumänischen Geschichtsschreibung führten diese Bombardierungen zur Zerstörung der Brücken, während aus den Berichten besagter Verbände genau das Gegenteil hervorgeht. Es lohnt sich aufzudecken, wie die kommunistische rumänische Geschichtsschreibung den Mythos von der Brückenzerstörung kreierte, zumal diese „Heldentaten“ in rumänischen kriegshistorischen Debatten bis zum heutigen Tage weitergetragen werden. Laut einer Monografie aus dem Jahre 1966 „stiegen am Nachmittag des 13. Januar 1945 (rumänische) Kampf- und Sturzbomber auf. (…) Noch bevor die Luftabwehr Zeit gehabt hätte, das Feuer zu eröffnen, bildeten die Sturzbomber (Junkers Ju 87D Stuka) eine Angriffsformation und begannen den Anflug auf Ziel Nummer 1 (die nördliche Brücke), über der sie ihre Bombenlast mit mathematischer Exaktheit abwarfen. Das Ziel wurde von vier Bomben mit Volltreffern vernichtet. Zur gleichen Zeit warfen die Kampfbomber (Junkers Ju 88A) über dem 2. Ziel (der südlichen Brücke) ihre Bombenlast ab, wobei zwei Bomben das Ziel trafen. (…) Der Befehlshaber und Generalstabschef der 5. Sowjetischen Luftarmee schickten eine offizielle Danksagung an die an dem Einsatz beteiligten rumänischen Piloten für die Zerstörung der beiden Ziele. Der Befehlshaber des rumänischen Fliegerkorps würdigte in seinem Tagesbefehl Nummer 8 vom 20. Januar 1945 die Waffentaten der rumänischen Bomberpiloten: „Mit bewundernswertem Mut, grenzenloser Gelassenheit, dem feindlichen Flakfeuer und seinen Abfangjägern trotzend (die es in der Region gar nicht gab, Anmerk. K.U.) bombardierten sie mit mathematischer Präzision die vorgegebenen Zielpunkte.“ Die Legende von der Brückenzerstörung wurde auch nach 1990 nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern sogar noch weiter genährt. So wurde die Elisabethbrücke laut jener Webseite, auf der die Geschichte der rumänischen Luftstreitkräfte vorgestellt wird, mit vier 500-Kilo-Bomben zerstört, während eine Maschine, die aufgrund von Motorproblemen erst später starten konnte, die Árpád-Brücke zerstört habe. Der Haken ist nur, dass die Árpád-Brücke überhaupt erst 1950 übergeben wurde. Zwar wurden die Bauarbeiten bereits 1943 begonnen, doch waren die Arbeiten weit davon entfernt, dass die Brücke für den Verkehr hätte freigegeben werden können. Einzig die Brückenpfeiler und die Zufahrten standen zu jenem Zeitpunkt. Die Zerstörung der Budapester Brücken durch die rumänischen Luftstreitkräfte ist ein gutes Beispiel für „alternative Wahrheiten“ – mit Fakten haben diese freilich nichts zu tun, eher mit einem gesellschaftlichen Bedürfnis.
Vergebliche Zerstörungsversuche
Die Brücken wurden aber nicht nur durch rumänische Bomber attackiert. Augenzeugen berichteten von nahezu unablässigen Angriffen, die jedoch überwiegend von Schlachtflugzeugen vom Typ IL-2 vorgetragen wurden. Gemessen an all diesen Begleitumständen konnte eine große Mehrheit der deutschen Verteidiger von der Pester Seite der Donau einigermaßen geordnet den Rückzug nach Buda antreten. Nur die ungarischen Truppen blieben in großen Verbänden auf der Pester Seite, was freilich nicht daran lag, dass die Brücken unpassierbar geworden wären. Es stimmt natürlich, dass die noch stehende Kettenbrücke und Elisabethbrücke vom 16. bis zum 18. Januar 1945 den bis dato schwersten Fliegerangriffen mitsamt Artilleriebeschuss ausgesetzt waren. Laut Bericht des IX. SS Gebirgs-Armeekorps vom 11. Januar 1945 war die Elisabethbrücke zu 60 Prozent beschädigt – das müssen wir allerdings mit einiger Skepsis hinsichtlich der Quelle betrachten, seitdem bekannt ist, dass Pfeffer-Wildenbruch einen erheblichen Teil seiner Berichte frisierte, um die eigene Lage bei weitem schlechter darzustellen, als diese in Wirklichkeit war. Der Befehlshaber des Panzergrenadierregiments 66, Major Georg-Wilhelm Schöning, konnte mit seinen Panzerwagen über die Elisabethbrücke gelangen, wobei er gewiss die Bombentreffer auf der Brücke umfahren musste. Das Kriegstagebuch der 10. Infanteriedivision verweist darauf, dass die Elisabethbrücke am 18. Januar vor morgens um 3 Uhr eine Weile nicht genutzt werden konnte, weil an ihr Reparaturarbeiten vorgenommen wurden. Demnach gab es Pioniereinheiten, die noch unter Dauerbeschuss durch die Artillerie bemüht waren, die Übersetzstellen in Ordnung zu bringen. Leider gibt es keine überlieferten Angaben zu den Verlusten, doch wissen wir immerhin, dass allein von den zwei in Budapest eingesetzten Bataillonen der Heeres-Pionier-Brigade 127, die der Wehrmacht direkt unterstellt war, 336 Soldaten als vermisst gemeldet wurden (die Zahl der Toten ist unbekannt). Man kann sich aber denken, welche Überlebenschancen Pioniere besaßen, die von den Brücken – ob verwundet oder nicht – in den eiskalten Strom der Donau stürzten. Es erscheint allerdings sehr merkwürdig, dass weder die sowjetischen Luftstreitkräfte noch deren Artillerie über mehr als eine Woche hinweg in der Lage waren, den Befehl zur Vernichtung der Brücken auszuführen. Was die Attacken aus der Luft angeht, lässt sich der ausbleibende Erfolg bis zu einem gewissen Grad damit erklären, dass die Bofors-Flakgeschütze der ungarischen Luftabwehr alle Angriffe dank ihrer hohen Effizienz zum Scheitern brachten (sämtliche Brücken wurden durch mehrere Flak-Stellungen geschützt), das Agieren der schweren Artillerie wiederum hätten die Verteidiger unter keinen Umständen zu behindern gewusst. Mitte Januar 1945 konnten die deutsch-ungarischen Verteidigungstruppen ein Gros ihrer schweren Waffen aus Munitionsmangel nicht mehr benutzen.

Das bedeutet, dass die schwere Artillerie der Roten Armee nur 300-500 Meter hinter der Hauptkampflinie hätte positioniert werden können; mit anderen Worten hätte sie die beiden noch verbliebenen Donau-Brücken am 15. Januar bereits vom Boráros tér an der Horthy-Brücke unter Beschuss nehmen können. Grob geschätzt hätte das einer Zieldistanz von maximal 2-3 Kilometern entsprochen, während der Aktionsradius der sowjetischen schweren Artillerie über 15 Kilometern lag und die Streuung der Geschosse nicht mehr als 20-50 Meter erreichte. Zu jenem Zeitpunkt erreichten sogar die 120-Millimeter-Granatwerfer mit ihrer Reichweite von 5,7 Kilometern die noch intakten Brücken. Obendrein musste man nicht länger befürchten, dass die Verteidiger auf der Pester Seite größere Gegenstöße unternehmen würden – im letzten Stadium des Rückzugs waren dafür keinerlei Möglichkeiten mehr vorhanden. Ausgehend davon, dass das technische Niveau der Artillerie unter dem Zaren von den Zeitgenossen wirklich hoch eingeschätzt wurde, muss es überraschen, dass der sowjetischen Artillerie die Zerstörung keiner einzigen Brücke gelang.
Fazit
Kehren wir noch einmal zu jenem Teil in dem eingangs erwähnten Stalin-Befehl zurück, wonach die Sowjetarmee die Vernichtung der Donaubrücken auch nach dem Bersten der Tragkonstruktionen fortsetzen sollte. Nicht dass der Feind diese, wie Stalin schrieb, hätte wiederaufbauen können. Der Diktator überschätzte die Möglichkeiten der Verteidiger allem Anschein nach bei weitem, ganz zu schweigen davon, dass ein Störfeuer der Artillerie vollkommen ausgereicht hätte, um einen Wiederaufbau zu verhindern. Wäre der Befehl des sowjetischen Diktators ausgeführt worden, hätte das also die Zerstörung selbst der Brückenpfeiler bedeutet. In einem solchen Fall wäre der Wiederaufbau der Brücken in ein, zwei Jahren nicht machbar gewesen. Es ist ein riesiger Glücksumstand für die ungarische Hauptstadt, dass weder die Artillerie noch die Luftstreitkräfte der Roten Armee in der Lage waren, dem Befehl Folge zu leisten. Bei der Südlichen Eisenbahnbrücke und der Freiheitsbrücke konnten die Sowjet-Pioniere bereits am 14. März 1945 beziehungsweise im April Pontonbrücken errichten, bei deren Bau sie sich der erhalten gebliebenen Pfeiler bedienten. Ebenso war eine relativ zügige Reparatur der Kettenbrücke und der Margaretenbrücke möglich. Die Vorgänge um die Budapester Brücken offenbaren zugleich Rückschlüsse auf das Denken von Stalin. So passt der Text der Direktive Nummer 11004 nicht so recht in das Bild eines weisen Führers, der in großen Dimensionen denkt. Schließlich hatte er die restlose Zerstörung von Verkehrsobjekten gefordert, die er wenig später selbst benötigen würde.

Chronologie der Brückenzerstörungen durch deutsche Pioniere
Margaretenbrücke 4. November 1944 (der Abschnitt zwischen der Margareteninsel und dem Stadtteil Pest)
Nördliche Eisenbahnbrücke 27.-29. Dezember 1944, in drei Abschnitten
Südliche Eisenbahnbrücke 31. Dezember 1944
Miklós-Horthy-Brücke (heutige Petőfi-Brücke) 14./15. Januar 1945
Franz-Joseph-Brücke (heutige Freiheitsbrücke) 16. Januar 1945
Elisabeth-Brücke 18. Januar 1945, morgens um 7 Uhr
Kettenbrücke 18. Januar 1945
Margaretenbrücke, Budaer Flügel 29. Januar 1945