Gespräch mit dem Jungwinzer Barnabás Cseri
Paukenschlag zu Jahresbeginn
Hört man den Namen Pannonhalma, so denkt man unweigerlich an die dortige tausendjährige Benediktiner Erzabtei. Andererseits ist es vielleicht nicht allgemein bekannt, dass die Abtei eine eigene Kellerei betreibt. Tatsächlich ist sie das Aushängeschild des Weinbaugebietes, das übrigens eines der kleinsten der insgesamt 22 Weinbaugebiete Ungarns ist. Die vielen kleinen Weingüter sind zwar weniger bekannt, produzieren aber durchaus bemerkenswerte Weine, die eine Verkostung wert wären.
„Bester Weißwein“
In der ersten Woche des neuen Jahres wurden nun die Preisträger des ungarischen Wein-Grand-Prix bekannt gegeben. Zum ersten Mal überhaupt erhielt eine Kellerei aus dem Weinbaugebiet Pannonhalma den begehrten Preis der unabhängigen Jury, bestehend aus ungarischen Wein-Fachjournalisten und -autoren. In diesem Jahr wurde der Riesling „Septimus“ 2019 der Weinkellerei Cseri mit dem Titel „Bester Weißwein“ ausgezeichnet.
Neugierig mache ich mich auf den Weg zum Weingut Cseri in Nyúl, um den Juniorwinzer, Barnabás Cseri zu treffen. Das malerisch gelegene Weingut, umgeben von der sanften Hügellandschaft des Sokoró (das ist der letzte nördliche Ausläufer des Bakony-Gebirges), besticht durch den soliden ländlichen Stil. Obwohl es sich um ein neues Gebäude handelt, fügt es sich stilistisch hervorragend in die Umgebung. Von der großen Terrasse bietet sich ein wunderschöner Blick über die umliegenden Hügel, bei klarer Sicht sind in der Ferne sogar die Berge um Tatabánya zu sehen.

Barnabás Cseri, ein überaus freundlicher junger Mann, begrüßt mich am Eingang und führt mich in den Gastraum. Die Einrichtung ist modern, aber elegant gehalten, die Dekoration aus alten Bilderrahmen, einem alten Fensterrahmen aus dem früheren Kelterhaus und vereinzelten Kunstobjekten zeugen von gutem Geschmack und stilistischem Anspruch. Durch das Zusammenspiel von Alt und Neu fühlt man sich sofort wohl. Ich kann mir vorstellen, wie gemütlich es ist, wenn eine Gruppe von Weinliebhabern hier zusammensitzt, eine Reihe von hervorragenden Weinen verkostet und den Ausführungen des Winzers lauscht.
Barnabás zeigt mir die Räumlichkeiten: Durch den mit einer Glastür abgetrennten modernen Verarbeitungsraum darf ich einen Blick in den langen, in den Berg hineingebauten Weinkeller werfen, wo sich Behälter und Fässer aneinanderreihen.
„Den alten, mehrere hundert Jahre alten Keller mit dem Kelterhaus erwarb unsere Familie im Jahre 2011. Seitdem haben wir ihn sukzessive erweitert und modernisiert“, erzählt der junge Winzer. „Das alte Haus mit seinen 200 Jahren war leider nicht mehr zu retten und musste dem jetzigen modernen Gebäude weichen.“
Wir nehmen an einem der kleinen Tische Platz, leider ohne „Weinbegleitung“, da wir beide noch fahren müssen, und beginnen unser Gespräch.
Der Kreis der ungarischen Wein-Fachautoren – deren Mitglieder übrigens auch international tätig sind – nominiert jedes Jahr eine Auswahl von Weiß- und Rotweinen, jeweils zwölf an der Zahl, die während des Jahres verkostet wurden und besonders interessant erschienen. Im Dezember wird dann der beste Wein der jeweiligen Kategorie mittels Blindverkostung ermittelt und mit dem Grand Prix der Wein-Fachautoren ausgezeichnet.
*
Bei einer Weinprämierung werden viele verschiedene Weine von der Jury beurteilt, zweifelsohne sind alle qualitativ hochwertig, aber wodurch sticht ein Wein aus der Reihe der Konkurrenten hervor, was macht ihn besonders?
Nun, im Falle dieses Rieslings war die in Ungarn bislang nicht übliche Art des Ausbaus ausschlaggebend. Das Gleichgewicht zwischen Säure und Restzucker verleiht ihm einen besonderen Charakter, der bei den Weinliebhabern gut ankommt. Diesen Wein ließen wir zudem vor dem Abfüllen ein Jahr lang im Fass reifen, dadurch entwickeln sich zusätzlich hervorragende Aromen.
Haben Sie mit dem Preis gerechnet oder auf eine Auszeichnung gehofft?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben es fast schon vergessen, dass wir Proben geschickt hatten. So waren wir total überrascht, als die Nachricht von unserem Erfolg kam. Jede Anerkennung ist eine große Freude, aber dieses Mal standen wir mit wirklich großen und bekannten Mitbewerbern im Wettstreit, deshalb ist dieser Grand Prix etwas ganz Besonderes. Wir sind wirklich sehr stolz auf diese Auszeichnung.
In der Öffentlichkeit wird Ihre Person mit diesem Preis in Verbindung gebracht, ist das tatsächlich Ihr persönlicher Erfolg?
Die Anerkennung ist definitiv ein gemeinsamer Erfolg, sie gebührt der Kellerei, denn wir sind ein kleiner klassischer Familienbetrieb, wir alle haben daran mitgewirkt. Dennoch ist dieser Wein irgendwie mein „Kind“, er entstand auf meine Initiative hin.

Diese Art des Weinausbaus lernte ich in Deutschland kennen, als ich nach dem Studium eine Saison als Praktikant an der Mosel auf dem Weingut Dr. Loosen zubringen konnte. In dieser Zeit habe ich eine Menge gelernt und konnte meinen Horizont erweitern, wofür ich unendlich dankbar bin. Ich war fasziniert, was für große Rieslinge dort produziert werden, und wollte nach meiner Rückkehr diese Technologie auch bei uns einführen.
Wie hat Ihr Vater die Neuerungsbestrebungen aufgenommen?
Es war nicht leicht, meinen Vater, der über eine langjährige Erfahrung verfügt, für meine Idee zu begeistern. Zu Anfang war er schon skeptisch, mahnte mich zu Vorsicht und Umsicht, bremste mich in meinem jugendlichen Enthusiasmus. Nach der Überwindung der anfänglichen Vater-Sohn-Differenzen und einiger Überzeugungsarbeit ist es mir schließlich gelungen, ihn für ein „Experiment auf Mosel-Art“ zu gewinnen.
Der erste Jahrgang – lediglich 1.000 Liter – trug den Namen Barni´s Riesling und war sofort ein durchschlagender Erfolg. Ich war überzeugt, dass unser Riesling (in Ungarn: Rajnai Rizling) bei der für diese Rebsorte idealen Bodenbeschaffenheit und den günstigen klimatischen Bedingungen dieses Weinbaugebietes ein außerordentliches Potential birgt. Warum sollten wir nicht auch qualitativ hochwertige Prädikatsweine produzieren können! Meine Hoffnungen wurden nicht enttäuscht, wie der jüngste Erfolg des „Septimus“ zeigt.
Was hat es mit dem Namen Septimus auf sich?
Meine Absicht war es, eine Rangfolge von verschiedenen Rieslingen eines Jahrgangs aufzustellen und den Weinliebhabern zu zeigen, dass je nach Zeitpunkt der Weinlese ganz unterschiedliche Weine ausgebaut werden können. Der Septimus 2019 wurde in der zweiten Oktoberhälfte gelesen, er steht in der Rangfolge ganz oben, stellt somit einen Wein der Premiumkategorie dar. Natürlich erfordert diese Technologie viel mehr Kleinarbeit und Aufmerksamkeit – wir arbeiten nur mit Spontangärung, das heißt ohne Zusatz von Hefe, deshalb achten wir unter anderem darauf, dass die Gärung räumlich streng getrennt von unseren anderen Weinen abläuft. Zum Beispiel müssen die Fässer gepflegt werden, es muss regelmäßig kontrolliert werden, wieviel verdunstet ist, und vieles andere mehr.
Auch aus diesem Grund sind wir sehr stolz auf die Anerkennung, es ist eine große Freude, wenn harte Arbeit und Engagement Früchte tragen, und das Endprodukt ein Spitzenwein ist.
Wie sind die Aufgaben in einem Familienbetrieb verteilt?
Mein Vater ist größtenteils für die Arbeit im Keller zuständig, ich bin mehr im Weinberg tätig – ich bin gerne in der Natur und fühle mich dort sehr wohl. Auch den heutigen Tag begann ich im Weinberg, um dort nach dem Rechten zu sehen, denn die Qualität des Weins entscheidet sich bis zu 80 Prozent im Weinberg. Selbstverständlich tauschen wir uns über alles aus und arbeiten eng zusammen, denn wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich gute Weine zu produzieren.
Meine Mutter managt die Firmenleitung, den Vertrieb, pflegt die Kontakte zu Händlern und Partnern. Alles, was täglich im Hintergrund zu bewältigen ist, lastet auf ihren Schultern, das ist keinesfalls zu unterschätzen.

Bei der derzeitigen Größe von 12 Hektar können wir natürlich nicht alles in Eigenleistung stemmen, deswegen beschäftigen wir zehn Mitarbeiter, die uns ganzjährig unterstützen. Bei der Weinlese arbeiten wir mit zehn zusätzlichen Mitarbeitern zusammen.
War es im Familienbetrieb von Anfang an klar, dass die junge Generation den elterlichen Beruf ergreift?
Ja, irgendwie schon, man wächst in dem Beruf auf, alles dreht sich um den Weinbau. Logisch, dass sich unsere Eltern die Zukunft ihrer Kinder im Weingut vorstellen, in das sie so viel Energie, Arbeit und natürlich auch Geld investiert haben. Trotzdem habe ich zunächst eine Fachoberschule für das Gaststättengewerbe besucht und wollte eigentlich Koch werden, ein Studium habe ich nicht angestrebt. Ich bin eher ein praktisch veranlagter Typ und hatte Bedenken wegen der vielen theoretischen Studieninhalte. Zugegeben, ich habe mich von meinen Eltern lenken lassen und habe mich dann doch um einen Studienplatz an der Hochschule für Weinbau in Gyöngyös beworben und bin prompt angenommen worden. Im Rückblick bereue ich es natürlich nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Auch meine Schwester orientierte sich Richtung Weinbau und studierte an der Fachhochschule Krems International Wine Business. Derzeit arbeitet sie an ihrer Bachelor-Arbeit und ist bei der Domäne Wachau beschäftigt. Der Grundstein für eine berufliche Zukunft im Weinbusiness ist also auch bei ihr gelegt.
Sie sind nicht nur eine kleine – aber auch feine –, sondern auch eine junge Kellerei, erzählen Sie uns bitte von den Anfängen und der Entwicklung.
Meine Eltern begannen mit dem Weinbau im Jahre 2010 und erwarben den Keller. Die erste Weinlese fand 2012 statt. Mit den ersten 5.000 bis 6.000 Flaschen starteten wir 2013 auf dem ungarischen Markt, was sich zuweilen nicht einfach gestaltete. Im Laufe der Jahre ist es uns gelungen, ein gut funktionierendes Vertriebsnetz mit verlässlichen Partnern aufzubauen. Derzeit verkaufen wir rund 80. bis 90.000 Flaschen pro Jahr, das heißt, dass fast die gesamte Menge eines Jahrgangs bis zur nächsten Weinlese verkauft wird.
Wir verarbeiten fast ausschließlich Trauben aus eigenem Anbau und müssen nur zu einem geringen Anteil zukaufen. Im vergangenen, recht niederschlagsarmen Jahr war dieser Anteil etwas größer, da unser Gesamtertrag geringer ausfiel.
Hat Ihre Kellerei eine eigene Philosophie?
Ja, wenn man es Philosophie nennen mag. Wir sind bestrebt, exzellente Weine zu produzieren. Dafür setzen wir uns selbst höchste Qualitätsstandards, sowohl was die Arbeit im Weinberg als auch im Keller betrifft.
Wir legen Wert auf die schonende Verarbeitung der Trauben, verbunden mit viel Handarbeit und maximaler Sorgfalt.
Die Liebe zum Beruf ist dabei natürlich auch ein wesentlicher Faktor. Nur wenn man mit Leib und Seele dabei ist, kann man auch schwierige Zeiten überstehen. Die Weinlese zum Beispiel erfordert ein hohes Maß an Energie- und Zeitaufwand, das geht nur, wenn man gerne tut, was man tut.
Das Motto des Weinguts Cseri lautet „Riesling ist unsere Passion“ – welche Rebsorten bauen Sie noch an?
Ja, der Riesling stellt unser Hauptprofil dar. Wenn es nach uns ginge, würden wir nur Riesling anbauen, aber wir dürfen die Vorlieben der Kunden und den Bedarf des ungarischen Marktes nicht außer Acht lassen.
Deshalb bieten wir im Weißweinsegment unter anderem auch noch Sauvignon Blanc, Pinot Blanc und Traminer. Für unsere Rot- und Roséweine kultivieren wir Merlot, Blaufränkisch und Cabernet Franc. In unserem Sortiment sind neben sortenreinen Weinen auch spannende Cuvées zu finden.

Wie sehen die Zukunftspläne der Kellerei aus?
Fest eingeplant ist eine Erweiterung der Anbaufläche auf 20 Hektar. Das bedeutet natürlich größeren Ernteertrag und höheren Platzbedarf im Keller. So haben wir schon mit der Erweiterung des Kellers begonnen, die Arbeiten laufen.
Die Erweiterung ist auf lange Sicht notwendig, um uns im Laufe der Jahre einen breiteren Erfahrungsschatz aneignen zu können, der unsere Arbeit erleichtert und unseren Erfolg sicherstellt.
Sie erwähnten vorhin schwierige Zeiten, wie ist es Ihnen während der Pandemie ergangen?
Zunächst waren wir total überrumpelt von den Geschehnissen und hatten große Sorge, wie wir die Zeit der Schließungen im Gastronomiebereich überdauern werden. Zum Glück waren unsere Vertriebspartner sehr hilfsbereit und kreativ, ihnen haben wir wirklich viel zu verdanken. Unsere Stammkundschaft hielt uns ebenfalls die Treue, und über unseren Webshop konnten wir unseren Umsatzrückgang in einem erträglichen Rahmen halten.
Wo können interessierte Weinliebhaber Ihren Weinen begegnen?
Wir sind präsent in gut sortierten Weinhandlungen und in der gehobenen Gastronomie – auch in Budapest. Des Weiteren präsentieren wir unsere Weine regelmäßig auf Messen und Festivals. Feste Termine in unserem Veranstaltungskalender sind die offenen Keller zum Vinzenz-Tag am 20./21. Januar, zu Pfingsten und an St. Martin. Darüber hinaus veranstalten wir regelmäßig thematische Weinverkostungen. Alle Termine sind auf unserer Homepage zu finden, Registration und Ticketverkauf laufen auch über unseren Webshop.
Im übrigen gehen 10 Prozent unserer Weine in den Export, außer ins europäische Ausland liefern wir in die USA und sogar nach Hongkong.
Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem Wein, ändert sich etwas durch den Grand Prix?
Die Anerkennung freut uns sehr, sie gibt Schwung und Auftrieb. Einen Änderungsbedarf sehen wir in diesem Zusammenhang jedoch nicht, auch wenn natürlich immer der Wunsch nach Entwicklung und Verbesserung besteht. Diese Auszeichnung bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und den Geschmack der Weinliebhaber und auch der Fachjuroren getroffen haben.
Weitere Informationen: cseripinceszet.hu

