Bildende Kunst: László Lakner
Zwischen Bild, Schrift und Erinnerung
László Lakner (geb. 1936 in Budapest) zählt zu den prägenden ungarisch-deutschen Künstlern der Neoavantgarde. Maler, Konzeptkünstler, Bildhauer – und ein hellwacher Analytiker von Sprache, Bild und Gedächtnis. Seit den 1960er-Jahren hat er eine künstlerische Sprache entwickelt, die internationale Anerkennung fand und ihn zu einem der bedeutendsten Mittler zwischen ungarischer und deutscher Kunstszene machte.
Erinnerung und Verdrängung
Ausgebildet bei Aurél Bernáth an der Budapester Akademie, wandte sich Lakner schon früh den Möglichkeiten fotografischer Vorlagen zu. Seine fotorealistischen, zugleich politisch aufgeladenen Gemälde – etwa Seamstresses listen to Hitler’s Speech (1960) – stellten Fragen nach Erinnerung und Verdrängung. Bald experimentierte er mit Pop-Anklängen, Hyperrealismus und schließlich mit konzeptuellen Verfahren: übermalte oder verschnürte Bücher, typografische Eingriffe, palimpsestartige „Schriftbilder“. Literatur und Kunstgeschichte, von Rimbaud bis Celan, von Rembrandt bis Duchamp, treten darin in einen dichten Dialog.
1974 kam Lakner mit einem DAAD-Stipendium nach West-Berlin – und blieb. Von hier aus begann seine internationale Karriere: Einladungen zur Biennale von Venedig (1972, 1976, 1990) und zur documenta 6 in Kassel (1977) machten ihn weithin sichtbar. In Deutschland wurde er 1977 mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet, Ungarn ehrte ihn 1998 mit dem Kossuth-Preis. Heute lebt und arbeitet er in Berlin.
Wechselspiel von Abbild und Auslöschung
Lakners Werk ist vielgestaltig und doch konsequent: Ob Gemälde, Skulpturen, Collagen, Druckgrafik oder Textarbeiten – stets geht es um das Wechselspiel von Abbild und Auslöschung, von Schrift und Oberfläche. Übermalungen, Schichtungen, eingefügte Zitate oder Diagramme machen seine Bilder zu Archiven, die Geschichte und Gegenwart zugleich sichtbar halten.
Eine besondere Rolle spielt Marcel Duchamp, der für Lakner zur Schlüsselfigur im Nachdenken über Malerei wurde. Bereits in den 1960er-Jahren zitierte er Duchamps ikonische Motive, in den 1970er-Jahren widmete er dessen Manuskripten und Objekten ganze Serien. Lakner malte Duchamps Ready-mades fotorealistisch nach und führte sie so zurück in die Sphäre der Malerei – und zugleich in die theoretische Diskussion über ihr Ende.
Wie archäologische Spuren
Die nun eröffnete Ausstellung in der Budapester Vintage Galéria stellt einen zentralen Strang dieses Werkes ins Zentrum: Lakners Duchamp-Zyklen der 1970er- und 1980er-Jahre. Zu sehen sind monokrome Schriftbilder, in deren dichten Farbschichten Fragmente aus Duchamps Notizen aufscheinen – eingeritzt, eingeschrieben, wie archäologische Spuren. „Das alles ging aus von der Lektüre Marcel Duchamps und seinen „Notes and Projects for the Large Glass, die ich in langen schlaflosen Nächten im Winter 1978 las“, erklärte der Künstler einmal. Diese Texte, zwischen Skepsis und Poesie, übersetzt Lakner in die Sprache der Malerei – und zeigt damit, dass auch das Konzeptuelle nicht ohne die sinnliche Erfahrung des Materials auskommt.

Mit der Ausstellung knüpft die Vintage Galéria, die seit 1997 zu den wichtigsten Adressen für moderne und zeitgenössische Kunst in Budapest gehört, an ihr Programm der Neoavantgarde-Positionen an. Nach großen Retrospektiven im Ludwig Museum Budapest (2004/05), in Debrecen (2022) und in Olmütz (2024) bietet sie nun einen konzentrierten Blick auf ein Kapitel, das Lakner sowohl in Deutschland als auch in Ungarn zu einer Schlüsselfigur der künstlerischen Avantgarde machte.
Lakners Kunst ist immer mehrschichtig: Sie liest sich wie ein archäologischer Schnitt durch das 20. Jahrhundert – durchzogen von persönlichen Ikonografien, politischer Bildrhetorik und kunsthistorischer Reflexion. Gerade darin liegt ihre bleibende Aktualität: Sie erinnert daran, dass jedes Bild nicht nur Oberfläche, sondern zugleich Gedächtnis ist.
László Lakner: Fragment Marcel Duchamp
Vintage Galerie, 1053 Budapest, Magyar utca 26
