Kizomba kann nur getanzt werden, wenn die Tänzer miteinander mental verbunden sind. Foto: Love’o‘graphy

Paartanz Kizomba aus Angola

Zwei Seelen tanzen zum Rhythmus der Musik

Vor rund drei Jahren wurde eine Reihe von Videos populär, auf denen Paare eng umschlungen, oft mit geschlossenen Augen zu sinnlichen Rhythmen tanzen. Viele glaubten damals, dass sich da eine neue Form des Tangos oder eines anderen lateinamerikanischen Tanzes wie ein Lauffeuer unter den Tanzfans verbreite. Doch weit gefehlt! Denn Kizomba, wie der Tanzstil heißt, stammt aus Angola. Auch in Budapest hat er mittlerweile eine eingeschworene Fangemeinde.

Einer, der auf Kizomba-Partys stets Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Morais Próspero Dachala. Der gebürtige Angolaner tanzt mit einer Leidenschaft, wie man sie wohl nur empfinden kann, wenn der Tanz bereits von frühester Kindheit an ein Teil des eigenen Lebens ist. „Kizomba bedeutet für mich Liebe, Hingabe und die Verbindung und Partnerschaft zwischen zwei Menschen. Schon als kleines Kind tanzte ich Kizomba bei den für Angola typischen Gartenpartys. Das Tanzen erlernte ich von meinem Vater, meinen Brüdern und Cousins“, erklärt Morais.

Ähnlich, aber anders

Was der Angolaner zuweilen in Europa vermisst, sind jedoch authentische Kizomba-Tänzer. Das Problem: Mit dem Siegeszug Kizombas schwappten auch andere Stile in die Tanzlokale des alten Kontinents, namentlich Semba, ebenfalls aus Angola, und Afro-Zouk aus Kap Verde. „Kizomba wird durch die Musik und die Rhythmen bestimmt, Semba und Zouk können ähnlich klingen, sind aber komplett unabhängige Tanz- und Musikstile”, erklärt Morais.

Morais lernte Kizomba auf den typischen Hinterhofparties in Angola.

Doch was macht Kizomba nun aus? Für den jungen Mann sind es nicht allein die sechs Grundschritte des Tanzes, sondern es geht auch um den Energiefluss zwischen den Tänzern. „Heute wird Kizomba oft so unterrichtet, dass es den Bedürfnissen der Schüler angepasst ist”, kritisiert der Angolaner, der derzeit in Budapest studiert. Fast scheint es, als mache ihn dies ein wenig traurig, weil dadurch ein wichtiges Element des Kizombas ausgelassen wird: das Gefühl.

„Auf Partys in Angola gibt es normalerweise vier Musikrichtungen, die gespielt werden, Semba und Kizomba sind langsamere, sinnlichere Stile, wohingegen Kuduro und Afro House energiegeladen und explosiv sind. Besonders Kizomba bietet einem die Möglichkeit, sich selbst als Gentleman zu präsentieren, Feinfühligkeit und Verführungskünste zur Schau zu stellen und zu beweisen, wie kreativ man in Sachen Bewegungen sein kann!”, findet Morais.

Foto: Suzie’s Art

Nicht nur ein Tanz, sondern ein Lebensgefühl

Adrienn Kiss ist aktive Tänzerin in der BKC und beschreibt Kizomba so: „Seit 2013 tanze ich Kizomba, und es ist schwer in Worte zu fassen, was es mir bedeutet. Ich mag die Einzigartigkeit des Stils und dass Kizomba nicht nur ein Tanz, sondern ein Lebensgefühl ist. Zu Beginn teilten sich Samba- und Kizombakurs noch einen Raum, und so blieb ich nach meiner Stunde da, um ein wenig zuzusehen. Einmal wurde ich dann zum Tanz aufgefordert, und obwohl ich damals noch nie zuvor Kizomba getanzt hatte, fing ich an, den Bewegungen meines Partners zu folgen.”

Mit der Zeit wurde Adrienn immer besser und nahm auch an Festivals im Ausland teil. Sie weiß, „um beim Kizomba gut zu sein, musst du Kontakt zu deinem Partner aufbauen, ohne diese Verbindung ist dieser Tanz unvorstellbar. „Kizomba ist für mich der Tanz der Seelen. Es ist wichtig, dass du deinem Partner vertrauen kannst. Außerdem ist die Musik mitreißend”, erzählt Adrienn.

Und obwohl es typischerweise der Mann ist, der führt, kann Kizomba nur getanzt werden, wenn die Tänzer einander mental verbunden sind: „Am besten, indem sich beide voll auf die Musik einlassen.” Laut Morais ist Kizomba nicht nur ein Tanz, „sondern eine Mischung aus Gefühlen und Rhythmen. Die Musik vermittelt eine Botschaft, und wenn du damit und mit deinem Partner in Verbindung treten kannst, dann ist es nicht der Mann, der führt, sondern ihr fließt gemeinsam dahin.”

Budapests aktive Tanz-Community

Diese Verbindung zwischen Tanzpartnern stellt Morais mit Leichtigkeit her. Dabei ändert sich auch seine Art, sich zu bewegen. Obwohl der Tanz von außen sinnlich und fast schon erotisch scheint, ist dies keineswegs immer der Fall. „Wenn ich beispielsweise mit meiner Mutter, Schwester, Tante oder Großmutter tanze, tanze ich natürlich vollkommen anders, als wenn ich mit meiner Freundin oder einer alleinstehenden Tanzpartnerin auf dem Parkett bin. Ja, mein Stil ändert sich eindeutig mit jeder Partnerin”, versichert Morais.

„Zugegeben, Europäern Kizomba beizubringen ist manchmal eine Herausforderung.“

Bis die Corona-Epidemie das Budapester Nachtleben zum Erliegen brachte, hatte er dazu auch genug Gelegenheit, denn die ungarische Hauptstadt verfügt über eine erstaunlich aktive Kizomba-Community. So gibt es beispielsweise die Budapest Kizomba Connection (BKC), eine mehr oder minder lose Vereinigung, die aber regelmäßig Events veranstaltet und angolanische Lehrer für Workshops in die Stadt einlädt.

Morais schätzt die BKC sehr: „Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt, die Workshops waren wundervoll und es war fast wie daheim.” Der tanzaffine Angolaner empfiehlt daher auch jedem, der sich für Kizomba interessiert, aber noch unerfahren ist, an so einer Veranstaltung teilzunehmen.

Foto: George Bufan Photography

Der zweite wichtige Kizomba-Pfeiler ist in Budapest die angolanische Community selbst: „Ich bin Mitglied der Vereinigung angolanischer Studenten Ungarn. Mithilfe der angolanischen Botschaft in Budapest haben wir ein Projekt gestartet, um unsere Kultur hier in Ungarn bekannter zu machen.” Dazu hatten die jungen Leute bereits zwei Mal die Gelegenheit, und das mit einigem Erfolg: Neben traditioneller Kost konnten Besucher dieser Veranstaltungen einen Einblick in das Lebensgefühl und die zügellose Lebensfreude der feiernden angolanischen Gemeinde erhalten. Dabei gab es auch die Möglichkeit, erste Grundlagen des Kizombas von Morais selbst zu erlernen.

„Ich fühle mich immer dann glücklich, wenn mein Herz im Rhythmus der Musik schlägt”

Auch Judit Faragó ist leidenschaftliche Kizomba-Tänzerin. „Was Kizomba für mich ist? Meine Seele. Zum ersten Mal begegnete ich dem Tanz in England, als ich noch dort arbeitete. Und obwohl ich an zahlreichen Tanzstunden und Events teilnahm, auf denen Kizomba präsent war, war mir diese Nähe, mit der Mann und Frau tanzen, einfach fremd.”

Das änderte sich schlagartig, als Judit das erste Mal den Semba-Klassiker „Carolina” von Mago de Sousa hörte. „Ich war verliebt. Ich wollte, dass immer nur Semba und Kizomba um mich herum läuft. Ich fühle mich immer dann glücklich, wenn mein Herz im Rhythmus der Musik schlägt.”

Foto: Love’o‘graphy

Obwohl Judit zahlreiche Stile ausprobiert, getanzt und gespielt hat, richtig wiederfinden kann sie sich selbst nur in dieser Musik: „Die seidigen Harmonien und all das, was in den Texten vorkommt, ist das Leben selbst – die Liebe, das Glück, die Freude und gleichzeitig auch Enttäuschung. Kizomba ist, was ich auch allein daheim tanze – entweder weil ich traurig bin oder einfach, wenn ich glücklich bin. Ich versuche, die authentische Version zu erlernen und an heimischen und ausländischen Festivals teilzunehmen, denn in solchen Momenten spüre ich, dass ich lebe.”

„Ich würde gern mehr Menschen im Kizomba unterrichten”, sagt der junge Angolaner. Erfahrungen in diesem Bereich hat er bereits und diese sind durchweg positiv: „Zugegeben, Europäern Kizomba beizubringen ist manchmal eine Herausforderung, aber meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Menschen meist schon ein wenig Vorerfahrung haben und meinen Erklärungen ausgesprochen offen gegenüberstehen.”

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