Fruzsina Skrabski 2019 bei der Galaveranstaltung zur Vergabe des Preises „Familienfreundliches Unternehmen des Jahres“. Foto: Privat

Erlebnisbericht | So entstehen die denunzierenden Artikel über Ungarn

Wie aus mir eine verblendete Hinterwäldlerin wurde

Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich von Cathrin Kahlweit, einer Journalistin der Süddeutschen Zeitung, angesprochen, um zur Situation der Frauen und zur Familienpolitik der ungarischen Regierung Stellung zu nehmen.

Die Hauptfigur des Artikels, die feministische Schriftstellerin Noémi Kiss, empfahl Frau Kahlweit, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Noémi ist eine Kritikerin des ihrer Meinung nach übermäßig dominanten und patriarchalischen Familienbildes des Fidesz.

Ich jedoch bin der Meinung (was aber auch wissenschaftlich nachgewiesen ist), dass die sogenannte klassische Familie, in der die Ehepartner einander lieben und zusammen so viele Kinder aufziehen, wie sie geplant haben, die gesündeste und glücklichste Form des Zusammenlebens ist.

Eine interessante Gelegenheit

Es erschien mir eine interessante Gelegenheit, sich darüber auszutauschen, was Familie bedeutet und warum der Staat im Grundgesetz festgeschrieben hat, dass der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau ist, also habe ich die Einladung angenommen.

Ich habe früher sehr schlechte Erfahrungen mit ausländischen Journalisten gemacht. Einmal schrieb eine deutsche Journalistin über meine Mutter, Mária Kopp, Professorin für Medizin und Psychologie, und bemerkte in ihrem Text, dass sie verschwitzt zum Interview erschienen war.

Ich habe das seither als die unterste Schublade des journalistischen Niveaus angesehen; selbst wenn die Beobachtung gestimmt hätte, ist das Mitteilen dieses Umstandes grob unethisch. Das ist erniedrigend für eine Frau, und damit wurde (in diesem Fall mit voller Absicht) von einer Minute auf die andere aus einer international anerkannten Professorin eine hinterwäldlerische, einfache Ungarin gemacht.

Auch eigene negative Erfahrungen

Neben meiner Mutter hatte auch ich schon so manche böse Überraschung erlebt. Mit der „Drei Prinzen und drei Prinzessinnen“-Bewegung (ung.: Három Királyfi, Három Királylány Mozgalom) arbeiten wir daran, jungen ungarischen Familien zu helfen, so viele Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, wie sie sich wünschen. Eine entsprechende Erklärung wurde 2013 von allen fünf Fraktionsvorsitzenden des ungarischen Parlaments unterzeichnet, wir werden also von allen politischen Seiten unterstützt. Wir arbeiten als eine echte Zivilorganisation, die eine gemeinsame Sache und einen nationalen Konsens repräsentiert.

Vor Kurzem kamen Mitarbeiter des Fernsehsenders Arte auf mich zu. Sie wollten eine Sendung zur Familienpolitik Ungarns machen, aber erreichten niemanden von der Regierung für eine Stellungnahme. Sie suchten eine Familie, die ihnen erzählen sollte, wie sie über die ungarische Familienpolitik denkt – darüber hinaus wollten sie an einem Sonntagnachmittag mitten in der Corona-Pandemie diese Familie zu Hause filmen.

Fruzsina Skrabski: „Ich bin der Meinung, dass die klassische Familie, in der die Ehepartner einander lieben und zusammen so viele Kinder aufziehen, wie sie geplant haben, die gesündeste und glücklichste Form des Zusammenlebens ist.“ Foto: Privat

Ich weiß, wie schwer es ist, einen guten Interviewpartner zu finden, also habe ich dafür gesorgt, dass das Team von Arte den Sonntagnachmittag mit der Familie eines unserer Freiwilligen verbringen konnte. Ich habe nur darum gebeten, dass auch unsere Organisation in wenigen Sätzen vorgestellt wird – was in der Sendung jedoch letztlich nicht geschah. Noch dazu wurden die bei der Familie entstandenen Filmaufnahmen lediglich als rein visuelle Illustration bei dem Beitrag verwendet, der ansonsten die ungarische Familienpolitik komplett negativ darstellte.

Korrektes Interview

Ich schildere meine schlechten Erfahrungen nur, um zu zeigen, dass ich nicht völlig naiv an die Sache herangegangen war. Aber Noémi Kiss, die andere Interviewpartnerin, versicherte mir, dass diese Journalistin interessiert und offen sei.

So gab ich Cathrin Kahlweit ein einstündiges Skype-Interview, sie stellte gute Fragen und war informiert. Sie hat mir meine Sätze, welche im Bericht erscheinen sollten, vorab zugeschickt. Diese bedeuten allerdings an sich nichts, wenn sie nur für sich stehen, weil ihre Bedeutung wesentlich durch den Kontext geprägt wird. Die Sätze waren in Ordnung und ich bestätigte sie.

Böse Überraschung

Dann kam der „Artikel“ heraus! Ich würde den Text nicht einmal als einen Artikel bezeichnen, eher als eine Art Verleumdungspamphlet. Das Lead, der Titel – alles diente der Stimmungsmache, der Beeinflussung und versuchte den Eindruck eines Landes zu vermitteln, in dem dunkle, mittelalterliche Bedingungen herrschen, und eine Diktatur, in der Frauen zum Gebären gezwungen und Minderheiten unterdrückt werden.

Objektiver und unabhängiger Journalismus ist zwar schon seit Langem nur noch ein Wunschtraum, aber einen so manipulativen Artikel traut man höchstens dem Portal Kurucinfo (Anm.: ein rechtsextremes Hetzportal) zu. Dagegen sind sogar noch unsere Propagandamedien wesentlich moderater.

Man kann in einer Publikation voreingenommen sein, aber in einer Reportage kann es nicht sein, dass die Aussagen von befragten Personen nur als Ornamente dienen, um eine vorgefasste Meinung auszuschmücken – in diesem Fall, dass Orbán und seine Bande Monster sind, die Frauen unterdrücken. Wenn jemand auf Fragen geantwortet hat, dann gehört es sich, genau diese Antworten auszuwählen, die mit Blick auf das Wesen des Textes relevant sind. Genau das geschah in meinem Fall jedoch nicht.

Tendenziöse und selektive Wiedergabe des Gesagten

So wurde beispielsweise meine Bemerkung ignoriert, dass Ministerin Katalin Novák die Ansicht vertritt, dass Frauen nicht mit Männern konkurrieren, sondern zusammenarbeiten sollten.

Außerdem hatte ich gesagt, dass die Familienpolitik der Regierung Frauen ausdrücklich nicht an den Herd fesseln will, sie unterstützt sowohl Teilzeitarbeit als auch Homeoffice. Ebenso, dass auch Männer beim Kind zu Hause bleiben können. Der Staat schafft zudem zusätzliche Kinderkrippen- und Kindergartenplätze. All das kam im Artikel jedoch nicht vor. Stattdessen war dort zu lesen: „Die Frau hat eine Aufgabe: möglichst viele Kinder kriegen. Und wehe denen, die aus dem Raster fallen.”

Ich habe auch eine Aussage dazu gemacht, dass jeder, der Kinder haben will, Kinder bekommen sollte. Ungarische Jugendliche wünschen sich im Durchschnitt zwei bis drei Kinder, aber es werden nur ein bis zwei geboren. Also fehlt in jeder Familie ein Wunschkind. Auch das steht natürlich nicht in diesem diskreditierenden Pamphlet.

Irreführende Bemerkungen

Es wurde auch irreführend über unsere Bewegung geschrieben. Obwohl die Autorin wusste, dass diese die Unterstützung von fünf Parteien genießt, und unsere Babyflagge sowohl vom oppositionellen Oberbürgermeister als auch vom Büro des Premierministers gehisst wurde, hielt sie es für wichtiger zu schreiben, dass ich den Fidesz unterstütze.

Es hat sie nicht interessiert, dass ich ihr sagte, dass unsere Bewegung ein sehr gutes Verhältnis zu Fachpolitikern aller Parteien hat. Sie hören uns zu, und sie schätzen unsere Arbeit. Gibt es einen besseren Weg, die Unabhängigkeit einer Zivilorganisation zu beweisen, als mit allen Parteien zusammenzuarbeiten?

Meine Mutter ließ übrigens nicht die „illiberale Demokratie” hochleben (was immer das auch heißen mag), sondern lebte für ihre wissenschaftliche Arbeit. 2010 wurde sie vom WHO-Regionalbüro für Europa gebeten, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Gender und Gesundheit” zu leiten und eine Strategie für 2012 sowie eine langfristige Strategie bis 2020 auszuarbeiten.

Offene Diffamierung

Es ist wirklich ein schlechter Witz, dass diese Journalistin die „Drei Prinzen und Drei Prinzessinnen“-Bewegung als einen Dating-Service bezeichnete. Wir betreiben zwar auch eine Partnervermittlungsplattform, das ist aber nur eine unserer zahlreichen Aktivitäten.

Ich will nicht aufschneiden, sondern einfach nur festhalten, wie breit das Spektrum unserer Bewegung ist: Wir verleihen die Auszeichnung „Familienfreundliches Unternehmen des Jahres“ und das Label „Familienfreundliches Krankenhaus”, wir geben Vater-, Großeltern- und Geschwisterbroschüren heraus, wir führen öffentliche Debatten, wir halten Vorträge über „Familie und Karriere” und produzieren unterstützende Videos unter dem Titel „Dankbarkeit statt Kämpfen”. Unsere lokalen Organisationen befinden sich überall im Land.

Die Autorin dieses Artikels, Cathrin Kahlweit, ist eine populäre Meinungsmacherin in Deutschland. Sie stört sich nicht daran, dass durch sie und ähnlich arbeitende Kollegen im Westen ein total verzerrtes Bild über meine Heimat entsteht.

Sie bereut auch nicht, dass sie vor zehn Jahren einen so einseitigen, voreingenommenen und diskreditierenden Artikel über meine Mutter geschrieben hat, wie jetzt, mich benutzend, über Ungarn. (Ich bemerkte zu meinem Leidwesen übrigens erst nachträglich, dass meine Mutter und ich derselben Journalistin „zum Opfer“ gefallen waren.)

Cathrin Kahlweit bereut all dies nicht. Sie betrachtet es als ihre Aufgabe, uns mithilfe der Medien anzugreifen und zu schädigen. Ich habe ihr geschrieben. Sie hat geantwortet. Aber sie versteht nicht, worum es geht.

So wurde wohl nun auch ich in ihren Augen zu einer verblendeten und hinterwäldlerischen Person aus der verrottenden Halbperipherie Europas.

Aus dem Ungarischen von Andrea Martin.

Die Autorin, Fruzsina Skrabski, ist Leiterin der „Drei Prinzen und Drei Prinzessinnen”-Bewegung, Regisseurin und Produzentin. Der Artikel erschien am 3. Februar auf dem Online-Nachrichtenportal Index.

Die deutsche Version dieses Artikels entstand in Zusammenarbeit mit dem Blog Ungarn-Real der ungarischen Journalistin Irén Rab. Auf diesem Blog postet sie regelmäßig deutschsprachige Artikel über Ungarn aus dem konservativen Lager.

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