Reiche Ernte: Runde Zucchini, Dahlien, Rukkola, Tomaten, Mais. Fotos: Privat

Gespräch mit der Permakultur-Designerin Réka Blunck

Tanz mit der Natur

Réka Blunck hat es sich zum Ziel gesetzt, Gärten auf mehr Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit zu trimmen. Permakultur heisst das dahinter stehende Konzept.
Permakultur-Designerin Réka Blunck: „In der ökologischen Agrikultur ist es das Ziel, gesunde Lebensmittel herzustellen und eine hohe Biodiversität zu erreichen.”

Was ist Permakultur?

Permakultur ist ein Planungssystem, das darauf abzielt, eine nachhaltige Umwelt zu kreieren, die auf den Gesetzen der Ökologie und der Kooperation von Menschen, Tieren und Pflanzen beruht: „Permakultur ist ein Tanz mit der Natur und die Natur führt den Tanz an“, beschrieb Bill Mollison, der das Konzept gemeinsam mit David Holmgren schon in den 1970er Jahren entwickelte.

Intention der beiden australischen Forscher war der Aufbau eines langfristig ertragreichen landwirtschaftlichen Systems als nachhaltigen Gegenentwurf zur vorherrschenden, Ressourcen verschwendenden und die Umwelt zerstörenden Agrarpraxis. Ihre Idee spiegelt sich auch im Namen des Konzepts wieder, der sich aus permanent und „agriculture“, also permanente Landwirtschaft zusammensetzt.

Wo gibt es denn Permakultur-Gebiete?

Überall auf der Welt. Es gibt Permakultur-Farmen und -Gärten im australischen Regenwald, auf dem ungarischen Land wie die Valaha Tanya eine Syrup Manufaktur, im trockenen Jordanien wie das Greening the Desert Project oder in norddeutschen Großstädten. Es gibt aber auch Siedlungen wie das australische Crystal Waters, das nach der Permakultur entworfen wurde.

Morgensonne über dem Teich.

Was ist denn das Problem mit der industriellen Landwirtschaft?

Landwirtschaft und Gartenbau leiden ganz offensichtlich erheblich unter den Folgen des Klimawandels. Doch zugleich haben diese lebenswichtigen Branchen einen bedeutenden Anteil an der zunehmenden Erderwärmung: Die Agrarproduktion verursacht aktuell mehr als ein Viertel der Treibhausgase. So wird mit der Produktion von Kunstdünger und Pestiziden, dem Export von Lebensmittelprodukten und dem Pflügen der Äcker CO2 freigesetzt. Wenn wir uns stattdessen eher darauf konzentrieren, einen gesunden Boden zu haben, speichert er nicht nur CO2, er bringt auch gesunde Pflanzen mit einem hohen Anteil an Nährstoffen hervor und vermindert Bodenerosion. Außerdem ist die industrielle Landwirtschaft einer der Hauptgründe für den Verlust an Lebensräumen, was wiederum für das dramatische Artensterben unserer Zeit verantwortlich ist.

RÉKA BLUNCK (permaculture.ecogarden@gmail.com) ist eine in Budapest lebende deutsch-ungarische Permakultur-Designerin. Sie hat einen Master in Humanökologie. Sie unterrichtet Permakultur an der ELTE-Universität in Budapest und berät darüber hinaus Interessierte beim Anlegen eines Permakultur-Gartens.

In der ökologischen Agrikultur ist es hingegen das Ziel, gesunde Lebensmittel herzustellen, eine hohe Biodiversität zu erreichen und einen gesunden, mit diversen Kleinstlebewesen bevölkerten Boden zu schaffen und zu erhalten. Es sind große Veränderungen nötig, damit Bauern und Gärtner ihre Existenzgrundlage nicht selbst vernichten – Veränderungen, die freilich allen Lebewesen zugute kämen.

Wieso ist ein gesundes Ökosystem so wichtig?

Der Zustand der Umwelt ist nicht etwas Abstraktes, was nur wichtig ist, wenn man gern wandert. Wir sind dem Ökosystem komplett ausgeliefert, denn jeder Mensch und jedes Tier profitiert alltäglich von den Ökosystemdienstleistungen, die es bereitstellt: von der Luft zum Atmen, vom sauberen Wasser oder von der Bestäubung der Nutzpflanzen durch Insekten. Wir können diese Dienstleistungen nicht selber oder mit Maschinen erbringen. Es liegt also in unser aller Interesse, dass wir bei unserer Lebensmittelproduktion viel mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen.

Silberstrich Schmetterlinge auf der Heilpflanze Ysop.

Was ist in einem Permakultur-Garten anders als in einem „normalen” Garten?

Permakultur-Gärten sind vollgepackt mit essbaren Pflanzen, sie sind Lebensraum für Wildtiere, machen weniger Arbeit als herkömmliche Gärten und sehen dabei auch noch schön aus! Außerdem wird in solchen Gärten sichergestellt, dass jedes einzelne Element mehrere Funktionen hat – genau wie in der Natur. Ein Teich beispielsweise ist schön anzuschauen, produziert aber auch für Menschen essbare Pflanzen, Wasserminze zum Beispiel, und speichert Regenwasser. Zudem bietet ein solches Gewässer vielen Lebewesen ein Zuhause und Raum für die Fortpflanzung, etwa Fröschen, Kröten oder Libellen. Anderen Tieren wie Vögeln oder Füchsen dient ein Gartenteich als Trinkstelle. Schon ein kleiner Teich von kaum mehr als einem Quadratmeter kann eine so hohe Biodiversität erreichen wie ein Naturschutzgebiet.

10 tolle Pflanzen für einen Permakultur-Garten

Holunder (Sambucus nigra) – Essbare Blüten für Menschen und essbare Beeren für Tiere.
Bitterzitrone (Poncirus trifoliata) – Essbare und winterharte Zitrone mit einem sehr sauren Geschmack; mithilfe ihrer großen Dornen können wir unerwünschte Besucher von unserem Gebiet fernhalten; sieht auch im Frühjahr hübsch aus und ist den Böden gegenüber anspruchslos.
Dattelpflaume (Diospyros virginiana) – Fühlt sich in heißen, sonnigen Gärten wohl; die Früchte werden ab November geerntet.
Felsenbirnen (Amelanchier) – Kleiner Baum mit essbaren Beeren, weißen Blüten im Frühjahr und prächtigem roten Herbstlaub.
Schlehe (Prunus spinosa) – Heimisches Bäumchen mit weißen Blüten im Frühjahr und vielseitig verwendbaren Beeren, die zu Marmelade, Gelee, Likör oder Saft verarbeitet werden können.
Schafgarbe (Achillea millefolium) – Heimische Heilpflanze, die als Trockenblume großartig aussieht; nützlich für Bestäuber ist und Trockenheit aushält.
Bärlauch (Allium ursinum) – Eine der ersten essbaren Wildpflanzen des Jahres, die unter den im Frühjahr lichten, im Sommer schattigen Stellen der Laubbäume gedeihen. Man kann ihn frisch oder als Pesto verarbeitet genießen.
Stängellose Schlüsselblume (Primula vulgaris) – Eine der ersten Blumen im Frühjahr, sie spielt eine wichtige Rolle für Bestäuber und hat essbare Blüten.
Silber-Perowskie (Perovskia atriplicifolia) – Eine wirklich wunderschöne Blume, die Bienen wie ein Magnet anzieht; Trockenheit aushält und wochenlang blüht.
Echter Salbei (Salvia officinalis) – Heilpflanze gegen Beschwerden im Hals; behält ihre silbrig-grünen Blätter auch im Winter.

+1 TIPP: Nicht nur Pflanzen sind lecker, sondern auch Pilze. Shiitake-Pilze können mit Hilfe von Totholz in die dunkelsten Stellen des Gartens integriert werden.

Auch Pilze haben einen wichtigen Platz im Ökosystem: Sie bauen zum Beispiel Totholz ab.
Digitalis Purpurea, auch Fingerhut genannt: Eine der giftigsten, aber zugleich schönsten einheimischen Blumen.

Wann kann ich meinen Garten einen Permakultur-Garten nennen?

Permakultur basiert auf drei ethischen Grundsätzen und zwölf praktischen Leitsätzen, die beim Aufbau und bei der Bewirtschaftung von Gärten und Äckern berücksichtigt werden müssen. Wenn man diese alle einhält, dann kann man sagen, dass man einen Permakultur-Garten besitzt. Die ethischen Prinzipien lauten „Sorge um die Erde“, „Sorge um den Menschen“ und „Faires Teilen“. Die ersten beiden Grundsätze schließen etwa die Verwendung von Giften wie Glyphosat vollständig aus. Der dritte Grundsatz setzt zum Beispiel im Kontext der Permakultur voraus, dass wir die Bedürfnisse anderer Lebewesen ernst nehmen und beim Entwerfen des Gebietes auf diese eingehen.

Blumen im Spätsommer: Sonnenhut, Ringelblume, Zinnie, Echtes Leinkraut.

Sind Naturgärten nicht einfach nur verwilderte Gärten?

Nein, sie werden sorgfältig gestaltet. Eines der Leitprinzipien der Permakultur ist zum Beispiel „Beobachte und handle“. Das heißt, dass Permakultur-Designer sehr viel Zeit und Energie auf das Erkunden neu zu erschließender Flächen verwenden. Durch Beobachtung erfahren sie etwa, wo sich Wasser im Garten oder auf dem Acker sammelt, oder in welchem Bereich es besonders sonnig ist. Diese Informationen sind für die Bepflanzung außerordentlich wichtig, helfen sie doch zu erkennen, welche Pflanze sich wo am wohlsten fühlen wird. Bei einem komplexeren Gartenprojekt ist es mitunter erforderlich, das Areal bis zu zwölf Monate zu beobachten, schon weil sich die Beschattung des Gartens übers Jahr erheblich verändern kann. Ziel ist es, einen sehr produktiven Garten zu erschaffen. Mit vielen essbaren Gewächsen, mit Blumen für die Bestäuber und Schmuck für unser Zuhause, mit Pflanzen zum Färben von Stoffen oder zum Würzen von Speisen. Übrigens, nicht alle Permakultur-Gärten müssen wild aussehen. Falls jemand einen Permakultur-Garten haben möchte, der sehr gepflegt wirkt, ist das absolut machbar, schließlich sollte der Garten so gestaltet werden, dass sich die Besitzer gerne darin halten.

Wieso ist es so wichtig, bei Permakultur-Gebieten wilden Lebewesen Unterschlupf zu gewähren?

Wir leben zwar auf einem Planeten der Vielfalt. Doch innerhalb der nächsten Jahrzehnte werden bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten fast oder ganz ausgerottet sein – vor allem durch den Verlust an Lebensräumen. Die Geschwindigkeit, mit der Arten aussterben, ist viel höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre. Da aber jede Spezies einen unverzichtbaren Anteil an der Stabilität unseres Ökosystems hat, ist es auch Ziel der Permakultur-Gärtner, so vielen Arten wie nur möglich, Lebensräume zu schaffen.

Bunte Tulpen und der Naturteich Ende April.

Was habe ich persönlich davon, wenn ich Tiere in meinen Garten einlade?

Einerseits kann man sich über bunte Schmetterlinge, schimmernde Libellen und zwitschernde Vögel freuen. Andererseits helfen uns Tiere vielfach: Ein einziger Marienkäfer frisst beispielsweise bis zu 100, eine Marienkäferlarve sogar bis zu 500 Blattläuse pro Tag. Mit dem Verzicht auf Pestizide und der Erschaffung von Lebensräumen für Insekten sparen wir Zeit und Geld und tun gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt.

Wie kann ich für das Wohlergehen von Wildtieren in meinem Garten sorgen?

• Anbringen von Nistkästen an Bäumen oder Gebäuden, um Vögel beim Brüten zu unterstützen. Sie sollten in einer Höhe von mindestens zwei Meter angebracht sein, um Katzen oder anderen Raubtieren das Jagen zu erschweren.
• Im Winter Vögel mit geeignetem Futter wie ungesalzenen Nüssen, Äpfeln, Birnen oder Beeren füttern. Wichtig ist, dass die Tiere ununterbrochen bis zum Frühjahr gefüttert werden.
• Keine Chemikalien wie Kunstdünger und Pestizide.
• Lebensräume für heimische Wildtiere schaffen, etwa Steinhaufen oder Steinmauern, so dass sich Eidechsen sonnen und Unterschlupf finden können.
• Kleine Totholz-Reservate, wo Insekten ihre Larven ablegen können.
• Insektenhotels an sonnigen Plätzchen.
• Gras so selten wie möglich mähen. So kann es aufblühen und den Bestäubern und anderen Insekten Nahrung und Unterschlupf bieten.

Macht ein Permakultur-Garten mehr Arbeit als ein herkömmlicher Garten?

Nein, insgesamt erfordern Permakultur-Gärten auf lange Sicht weit weniger Arbeit als ein herkömmlicher Garten, da die Natur einen großen Teil der Arbeit abnimmt. Meinen Garten in Schuss zu halten kostet mich auf das Jahr hochgerechnet etwa eine Stunde pro Woche. So gesehen ist Permakultur nicht die Methode des faulen, sondern des klugen Gärtners.

Wie kann ich die Arbeitszeit in meinem Garten verkürzen?

Etwa durch das Planzen von möglichst vielen mehrjährigen Pflanzen, da sie jedes Jahr wiederkommen, ohne immer wieder neu gepflanzt werden zu müssen. Außerdem haben sie den Vorteil, dass sie ein großes Wurzelwerk bilden, sodass sie Dürreperioden viel besser überstehen als einjährige Pflanzen.

Kostet ein Naturgarten weniger Geld als ein herkömmlicher?

Klar! In Tonnen oder künstlichen Teichen gesammeltes Regenwasser kann zur Bewässerung des Bodens genutzt, Rasenschnitt und Laub vor Ort kompostiert werden, um der nächsten Pflan­zen­generation Nährstoffe zu geben. Das spart auch Ressourcen. Abgeschnittene Äste können beispielsweise zur Herstellung von Beetmulch oder zum Befestigen von Wegen verwendet werden. Ungenutztes Totholz bietet Verstecke und Lebensraum für Insekten, Singvögel, Igel und andere Tiere.

Wie kann man den Umbau seines Gartens zu einem Permakultur-Garten in Angriff nehmen?

Beim Aufbau eines Gebietes sollte stets das ganze Areal im Auge behalten werden. Hilfreich bei der Gestaltung des Grundstückes ist zunächst, Platz für größere Gartenelemente wie einen Teich oder Gartenhäuschen zu finden, denn für diese gibt es weit weniger Optionen, wo sie gut hinpassen würden, als für kleinere Elemente wie Blumenzwiebeln.

Der Umbau sollte schrittweise und nicht überall zugleich erfolgen. Einerseits bleibt das Vorhaben so übersichtlich, andererseits können Gärtner aus Fehlern und Erfolgen für den weiteren Ausbau der Anlage lernen. Gartenbau erfordert Flexibilität und Ideenreichtum.

Wegen des milderen Klimas gedeihen mediterrane Früchte wie Feige immer besser.

Es sollten möglichst viele verschiedene essbare Pflanzen angebaut werden. Das spart auf lange Sicht auch Geld, da man so eigene Bio-Produkte ernten kann. Büsche, die keine essbaren Beeren produzieren, können durch Brombeeren, Himbeeren, Stachelbeeren oder Johannisbeeren prima ersetzt werden.

Die besten Gärten haben zudem in jeder Saison etwas Essbares zu bieten, etwa den mehrjährigen Palmkohl im Winter oder die Dattelpflaume am Herbstende.

Weitere Informationen gibt es auf Facebook oder Instagram unter Permaculture Ecogarden / Ökokert Permakultúra. Hier finden Sie auch Hinweise auf Gartentouren, Workshops, Vorträge, Konsultationen und weitere Programme.

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