Pressefoto
Die Ausstellung zeigt Fotos aus den Bereichen Kunst, Architektur, Sport, Natur und Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. (Foto: Maximilian Reifig)

38. Ausstellung zum Ungarischen Pressefoto des Jahres

Aufrüttelndes und Heiteres

Sie sind beliebt und viele haben sie schon einmal besucht, die Ausstellungen zu den Pressefotos des Jahres. Weltweit, in nahezu allen Ländern finden sie statt.

Was bleibt, ist meist ein Unbehagen. Man sieht stets viel Elend, fühlt kurz und intensiv mit und nach dem Verlassen der Ausstellung lädt man den kurzfristig aufgeladenen Ballast vor der Ausgangstür wieder ab. Dennoch haben diese Ausstellungen eine wichtige Funktion. Die gezeigten Pressefotos machen auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam und schaffen eine gewisse Sensibilität für Minderheiten und Themen, die sonst nicht auf dem Radar der Mehrheitsgesellschaft auftauchen.

Ausgesperrte Roma

In diesem Jahr machte vor allem András D. Hajdú mit seiner Bilderreihe auf sich aufmerksam. Der ungarische Fotograf gewann den diesjährigen Preis für das Pressefoto des Jahres mit einer Serie von Bildern, die das Schicksal der Roma in dem Dorf Baia Mare im Nord-Westen Rumäniens zeigt. Die Minderheit wurde vom dortigen Bürgermeister von der Stadt ausgesperrt, indem er veranlasste, einen Zaun um die Siedlung zu ziehen.

Das wichtigste Bild der Ausstellung und eine Illustration des Schicksals der Roma im Dorf Baia Mare. (Foto: MTI/ András Hajdú D.)

Gründe dafür seien gewesen, dass die Roma die anderen Einwohner belästigten, nicht auf ihre Hygiene achten würden und kriminell seien. Die Leidtragenden sind vor allem die Kinder. Das wichtigste Bild der Ausstellung zeigt ein junges Roma-Mädchen, das sich, barfuß auf einem maroden Bahngleis stehend die Haare kämmt. Im Capa Museum beginnt die Fotoserie über das rumänische Dorf direkt am Eingang und eröffnet die Ausstellung.

6.079 Pressefotos von 267 Fotografen

Die Ausstellung befasst sich mit 14 Hauptkategorien wie unter anderem Fotojournalismus, Alltag, Porträt, Kunst, Architektur, Sport, Natur und Wissenschaft, Politik und Gesellschafts-Dokumentation. Aus diesen Kategorien wurden die jeweils drei besten Pressefotos von einer fünfköpfigen Jury des Verbandes Ungarischer Journalisten (MÚOSZ) ausgewählt. Insgesamt wurden 6.079 Fotos von 267 Fotografen bewertet.

Teilnehmen konnten nicht nur Journalisten großer Zeitungen, auch viele Hobbyfotografen sind in diesem Jahr mit dabei. Seit mittlerweile fast vier Jahrzehnten existiert dieser Preis. Aufgrund der Beschränkungen durch die Coronakrise wurde die Eröffnung vom Frühling auf Mitte September verschoben.

Koma

Die zweite Gewinnerin, Beáta Kovács, macht ebenfalls auf Menschen aufmerksam, deren Lebensleistung ohne ihre Bildserie „Koma“ vermutlich wenig Beachtung gefunden hätte. Es geht um den Alltag eines ungarischen Ehepaares in Sződliget, das ihre ins Koma gefallene Tochter zu Hause pflegt, nachdem sie im Alter von 16 Jahren infolge eines Autounfalls schwerste Verletzungen erlitten hatte. Seither kann sie nicht kommunizieren oder sich bewegen. Lediglich ihre Augen sind weit geöffnet.

Die beiden Gewinner erzeugen mit ihren Fotoserien bei den Betrachtern eher negative Gefühle. Es muss halt wehtun, wenn sich etwas verändern soll. So scheint der Tenor der Beiden zu sein. Die Ausstellung wird aber auch durch viele Bilder der Hoffnung und Freude bereichert. Da sind die Aufnahmen eines Rollstuhlfahrers, der während des Sziget-Festivals samt seinem Rollstuhl auf den Händen des Publikums getragen wird und sichtlich Spaß hat. Selbe Kulisse: Eine alte Frau steht während eines Konzerts vorne vor einem Wellenbrecher und setzt den mit Abstand lässigsten Blick auf.

Jubelnde Opposition

In der Kategorie Architektur wird das auf der Margareteninsel gelegene Palatinus-Bad von oben eingefangen. Die Wasserbänke, die für die Besucher aus dem Thermalbad ragen, ergeben von oben eine interessant anzusehende symmetrische Einheit. Auch die Bereiche Politik und Sport sorgen eher für positive Gefühle. Die Bürgermeisterwahl im letzten Jahr ließ ausnahmsweise einmal die Opposition jubeln. Zu sehen ist auch der neu gewählte Bezirksbürgermeister des 8. Bezirks, András Pikó, in Siegerpose. Im Bereich Sport machen vor allem die erfolgreichen ungarischen Wassersportler durch äußerst ästhetische Bilder auf sich aufmerksam.

Alles in allem ein lohnender kleiner Ausflug, für den man mindestens eine Stunde einplanen sollte. Schade ist lediglich, dass die Beschreibungen der Fotoserien nur auf Ungarisch zu lesen sind. Allerdings bleibt dann mehr Raum für die Fantasie.

Das Capa-Zentrum für Zeitgenössische Fotografie, dessen Namensgeber der ungarische Fotograf und Kriegsreporter Robert Capa ist, der unter anderem durch seine Aufnahmen vom Spanischen Bürgerkrieg und der Landung der Alliierten in der Normandie bekannt wurde, ist ein weiterer Grund, die Ausstellung zu besuchen. Hier sind auch etliche seiner Werke zu sehen.

Robert Capa
Contemporary Photography Center

Dienstag bis Freitag von 14–19 Uhr
Samstag und Sonntag von 11–19 Uhr
Montags geschlossen.
Weitere Informationen: capacenter.hu/en

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