Künstler im Portrait: Adekunle Jegede
Malen aus dem Geist heraus
Geboren und aufgewachsen ist Adekunle, auch genannt Junior, in London. Seit drei Jahren jedoch lebt er in Kecskemét – und hat dort viele gute Erfahrungen gemacht: „Die Menschen in Kecskemét sind sehr freundlich und offen zu mir. Ich lebe in einer Gegend, in der fast nur ältere Ungarn leben. Meine Nachbarn sind wirklich liebenswert.” Der junge Künstler schätzt die Ruhe in der kleinen Stadt: „Sicher, Budapest ist spannend und auch nicht weit entfernt, aber ich mag, dass es hier wesentlich weniger Ablenkungen gibt. So kann ich mich besser auf meine Kunst konzentrieren.”
2015 kam der junge Brite im Rahmen eines Praktikums beim namhaften Kedd Creative Studio nach Budapest und verliebte sich in Land und Leute. Also beschloss er, nach seinem fünfmonatigen Praktikum zu bleiben. „Aber Budapest ist mir zu sehr wie London, es ist zu viel los. Als ich dort lebte, habe ich mich kaum mit meiner Kunst beschäftigt, weil ich oft aus war. Es gibt einfach zu viele Ablenkungen”, erzählt Adekunle lachend.
Daher zog es den Künstler aus Budapest weg. Ungarn wieder zu verlassen, kam für ihn jedoch nicht infrage. „Ich wollte etwas erkunden, was andere noch nicht gesehen haben, einen Ort, an den Ausländer sonst nicht unbedingt hinziehen würden.” Seine Wahl fiel auf Kecskemét. In der rund 90 Kilometer südöstlich von Budapest gelegenen Stadt findet der Maler, neben der von ihm geschätzten Ruhe, auch ebenso viel Inspiration: „Ich war immer der Typ, der als erster heimgeht von Partys, weil ich lieber malen will.”
Seine Werke beanspruchen ihn: „Oft fange ich gleich zehn Bilder auf einmal an.” Doch ab dann geht jedes Bild seinen eigenen Weg: „Manchmal stelle ich ein Bild binnen zwei oder drei Monaten fertig, andere brauchen zwei oder gar drei Jahre.”
In seinen Bildern verarbeitet Adekunle die Dinge, die ihn inspirieren und die er erlebt: „Ich habe immer einen Skizzenblock in irgendeine Tasche gestopft dabei”, gesteht er. Küsst ihn die Muse, dann kritzelt er die Idee schnell nieder. Dies kann unterwegs im Bus, beim Sport oder einfach nur auf der Straße passieren. „Mich inspirieren die unterschiedlichsten Dinge”, sagt der Brite.
Die schnelle Skizze ist für Außenstehende unverständlich. „Aber für mich reicht es. Es reicht, dass ich diesen Gedanken festhalten und ihn später ausarbeiten kann.” Traurige Emotionen könne er nach eigenem Bekunden übrigens leichter umsetzen.
Außerdem habe jedes Bild ein eigenes Tempo, einen eigenen Rhythmus, in dem es sich entwickelt, fast wie Kinder, und nicht jede Inspiration bringe ihn weiter. „Ich liebe es, zu malen, aber es hängt immer von meiner Tagesstimmung ab und ob ich etwas gesehen habe, was ich in ein Bild einarbeiten möchte. Aber ich arbeite nur dann an einem Bild, wenn ich ihm auch wirklich etwas hinzuzufügen habe. Und irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem ein Bild genug Aussage hat und seine Botschaft deutlich genug ist.” Adekunle lässt jedem Bild seine eigene Zeit, ihn hetzt nichts. Nicht einmal der Wunsch nach Anerkennung.
Der Weg nach Hause
Adekunle ist bescheiden und betrachtet seine Arbeit nicht als Mittel, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Vielmehr war Kunst anfangs für ihn ein Weg, um mit seinem Vater zu kommunizieren: „Mein Vater kam als junger Mann aus Nigeria nach England, um sich als Künstler einen Namen zu machen. Er war es auch, der meine Neugier und mein Interesse an der Kunst weckte.”
Da war es nicht verwunderlich, dass Adekunle schon früh begann, neben seinem Vater zu malen: „Mein Vater ist eher wortkarg, wir haben nie viel geredet. Aber wenn wir gemeinsam malen, haben wir eine ganz eigene Sprache, eine ganz eigene Verbindung.”
So war das Malen für Adekunle immer etwas, was von innen heraus kommt und auch genau dorthin zurückkehrt.
Auch wenn seine Eltern heute wieder in Nigeria leben und er nicht mehr gemeinsam mit seinem Vater malen kann, Kunst ist für Adekunle weiterhin das beste Mittel, um sich mit seiner Heimat und seiner Kultur verbunden zu fühlen: „Ich bin in London geboren und aufgewachsen, und trotzdem wurde ich immer gefragt, wo ich „eigentlich” herkomme oder wo meine Eltern herkommen. Ich habe mich immer gefühlt, als sei ich nicht ‚britisch‘ genug”, sagt Adekunle in markant britischem Tonfall. „Ich fühlte mich dort nie zu 100 Prozent akzeptiert, ich wurde nur dort geboren.”
Ganz anders ist es für ihn in Nigeria: „Ich bin dort ein Jahr zur Schule gegangen, und obwohl es auch dort irgendwie anders war, fühlte ich mich einfach mehr zuhause. Irgendwie gibt es in Nigeria keine Barrieren für mich.”
Deswegen sind auch die Werke Adekunles stark beeinflusst von afrikanischen Motiven, Mustern und Farben, die er jedoch abstrahiert. „Afrikanische Motive und mein kulturelles Erbe in meine Kunst einzuarbeiten, ist für mich der beste Weg, um mich zuhause zu fühlen.” In seinen Bildern gelingt es Adekunle, eben diese starke Sehnsucht optisch fassbar und begreiflich zu machen. Obwohl abstrakt, sprechen seine Werke eine unmissverständlich deutliche Sprache, die universell scheint: Die Liebe zur eigenen Herkunft und die Sehnsucht nach dem Gefühl, zuhause zu sein.
Als Weltenwanderer, der bereits in zahlreichen Ländern Europas gelebt hat, ist Adekunle sehr darauf bedacht, seine Wurzeln nicht zu verlieren: „Außerhalb Englands passiert es mir oft, dass ich gefragt werde, ob ich aus Amerika sei. Wenn du dauernd von außen so definiert wirst, läufst du Gefahr, das irgendwann einmal als wahr anzunehmen, du nimmst die Identitätsmerkmale an, die dir andere zuschreiben. Manchmal merke ich, wie ich Gefahr laufe, mich darin zu verlieren.” Auch deswegen ist Kunst für ihn so wichtig, weil sie stets sein Weg zu sich selbst zurück und auch nach Hause ist. Besonders in Ungarn, wo er kaum Verbindungen zu afrikanischer Kultur hat, ist seine Kunst für ihn wichtiger denn je.
Ausgezeichnet, aber noch nicht oft ausgestellt
Derzeit sucht Adekunle nicht nur nach eben solchen Verbindungen, sondern auch nach Orten, an denen er seine Werke präsentieren kann: „Bisher wurde ich ein Mal ausgestellt. Sechs meiner Werke wurden auf digitalen Leinwänden in der Saatchi Gallery in London gezeigt. Außerdem wurde ich unter die drei besten Künstler des Wettbewerbs ‚Caribbean in/securities through creativity‘ gewählt.”
Doch die beeindruckendste Referenz seiner noch jungen Karriere ist wohl das Buch „The Girl’s Light”, eine Kindergeschichte geschrieben und illustriert von Adekunle: „Tatsächlich habe ich das Buch schon vor vier Jahren geschrieben, aber in diesem Jahr wurde es erst herausgegeben.”
Nach Veröffentlichung des Buches konzentrierte sich Adekunle jedoch wieder mehr aufs Malen. Nun hat er einen Punkt erreicht, an dem er das, was er im Geiste sieht, auch der Außenwelt präsentieren möchte: „Während meines Kunststudiums in London habe ich gelernt, das zu malen, was ich außen sehe. Mein Vater aber brachte mir bei, das zu malen, was ich in meinem Geist sehe.”
Während Adekunle früher Inspirationen aus Gegenständlichem zog – Obst, Menschen, eben die Dinge vor seinen Augen, malt er heute aus seinem Inneren heraus.
Ob seine nächste Ausstellung in seiner Wahlheimatstadt Kecskemét oder in Budapest stattfinden wird, weiß er noch nicht, doch dass es eine gute Erfahrung sein wird, scheint sicher: „Erst vergangene Woche hat mich jemand gefragt, wie es in Ungarn für mich ist, ob ich negative Erfahrungen gemacht habe. Und tatsächlich überraschte meine Antwort, denn nein, mir ist hier nichts Negatives widerfahren. Ich bin nach Kecskemét gezogen und habe Hilfe und Unterstützung von ganz unterschiedlichen Stellen bekommen.” Doch egal wo, Adekunles Werke werden sicher auch in Zukunft mit ihrer kraftvollen Präsenz begeistern.
Entdecken Sie die Werke von Adekunle Jegede auf Instagram unter www.instagram.com/juniorjegede.
Was für eine tolle (Lebens-) Geschichte! 🙂