László Ede Almásy und die Steyr-Werke
Der ungarische „englische Patient“
Die Veranstaltung, die von Prof. Dr. Ursula Mindler-Steiner (AUB) organisiert worden war, fand in der Österreich-Bibliothek an der AUB statt. Nach einführenden Worten der stellvertretenden ÖKF-Direktorin Renate Seib, die insbesondere die historischen Verbindungen zwischen Österreich und Ungarn hervorhob, und von Ursula Mindler-Steiner, nahm Prof. Iber das Publikum anhand der Lebensgeschichte des Grafen László Ede Almásy auf eine spannende Reise durch die (österreichisch-ungarische) Automobil- und Motorsportwelt des 20. Jahrhunderts mit.
Für Steyr in Ungarn und Nordafrika
Prof. Iber leitet seit dem Wintersemester 2023 den Arbeitsbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte am Institut für Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen neben der Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte unter anderem auf der Geschichte des Sports. So verstand er es bei seinem Referat auch meisterhaft, diese verschiedenen Schwerpunkte zu verbinden.
Der Vortrag beleuchtete einen bisher wenig berücksichtigten Aspekt im Leben von László Ede Almásy: Sein Wirken für die österreichische Automobilmarke Steyr, für die er in der frühen Zwischenkriegszeit als Geschäftsmann in Ungarn wie auch im nordöstlichen Afrika tätig war. Dies vermittelte Prof. Iber mittels zweier Erzählstränge: Erstens widmete er sich der Bedeutung und Entwicklung der Automobilsparte innerhalb der Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft (ab 1926 „Steyr-Werke“) nach dem Ersten Weltkrieg und präsentierte deren Werbemaßnahmen, Geschäftsstrategien und die Bedeutung des „Afrika-Geschäfts“, bei welchem Almásy eine besondere Rolle spielen sollte.
Zweitens analysierte er den Beitrag Almásys zur Popularisierung der Marke Steyr in Europa und Ägypten der Zwischenkriegszeit. Hier ging er insbesondere auf Almásys spektakuläre Wüstenfahrten und Reiseberichte ein, die schon damals zu einer gewissen Popularität beitrugen.
László Ede Almásy: Abenteurer und Wüstenforscher
Im Mittelpunkt von Ibers Ausführungen stand der Motorsportler, Pilot, Geschäftsmann, Abenteurer und Wüstenforscher László Ede Almásy (1895–1951), der als historische Figur als Vorlage für den Roman und den anschließenden Hollywood-Film „Der englische Patient“ diente und dadurch weltberühmt wurde.
Sein Leben spiegelt auch ein Stück Monarchie-Geschichte. Aus einer ungarischen Adelsfamilie stammend, wurde er 1895 im westungarischen Borostyánkő (Bernstein) geboren, das 1921 zu Österreich kam. Zeit seines Lebens war er auch international gut vernetzt. Die Burg Bernstein, auf welcher bis heute ein Zimmer nach ihm benannt ist, galt vor dem Ersten Weltkrieg als ein wichtiger Ort der ungarischen Asienforschung.
Der Abenteuergeist schien Almásy bereits in die Wiege gelegt: schon sein Vater hatte ausgedehnte Forschungsreisen nach Mittelasien und Nordchina unternommen. Auch László Almásy begab sich früh auf Reisen und ergriff verschiedene Berufe. Er besuchte in England die Schule. Bereits in dieser Zeit entwickelte er ein großes Interesse für die Automobil- und Flugzeugtechnik.
1912 erwarb er seinen Pilotenschein und unternahm ab 1914 regelmäßig Flüge nach Budapest. Im Ersten Weltkrieg diente er unter anderem als Kampfflieger an der Südfront. Beim gescheiterten Restaurationsversuch der Habsburger zu Ostern 1921 war er als Chauffeur von Karl IV. involviert. Bald nach Kriegsende nahm er an Motorrad- und Autorennen teil. So war er unter anderem Renn- und Testfahrer für die Firma Steyr und zwischenzeitlich auch Leiter einer Steyr-Niederlassung in Szombathely.
Steyr-Aushängeschild
Die Wurzeln der „Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft – Steyr-Werke“ reichen in das Jahr 1830 zurück, als Leopold Werndl im oberösterreichischen Ort Steyr eine Gewehrfabrik gründete. Das Unternehmen florierte, und bald produzierte man auch Fahrräder und ab dem Ersten Weltkrieg Automobile.
1920 kam der „Steyr II“ auf den Markt, und das Unternehmen expandierte weiter. Nachdem der Automobilmarkt in der Zwischenkriegszeit heiß umkämpft war, versuchte die Firma Steyr, den Absatz ihrer Fahrzeuge durch sportliche Erfolge anzukurbeln. Es war damals die große Zeit der Autorennen: Monza in Italien, Le Mans in Frankreich, Spa in Belgien und der Nürburgring in Deutschland.
Almásy gewann für Steyr verschiedene Autorennen. Die Firma benützte ihn daher gerne als Aushängeschild des Unternehmens. 1925 nahm er zum Beispiel an der „Polen-Rundfahrt“ teil und berichtete ausführlich über dieses Abenteuer. Dabei zeigte er sich als begeisterter Anhänger der Marke Steyr und rührte die Werbetrommel insbesondere für den „Steyr Typ VII“: „Mein Steyr zeigte jene Eigenschaften, die mir die Marke schon seit langem so wertvoll gemacht haben: Gutmütigkeit, Gehorsam, Eifer und Kampfesmut“, zitierte ihn die Allgemeine Automobil-Zeitung.
Mit dem Steyr durch die Wüste
Bald war der europäische Markt zu klein, und die Firma Steyr entschied, ab 1926 nach Afrika zu gehen, um die Produkte unter Wüstenbedingungen zu testen und Afrika, insbesondere Ägypten, als Absatzmarkt zu erschließen. So unternahm Almásy 1926 (mit Anton Esterházy de Galantha), 1928 und 1929 (mit Ferdinand Liechtenstein) drei große Wüstenfahrten für Steyr, welche Monate lang dauerten und über die er ausführliche Berichte verfasste.
Dabei setzten sie neue Maßstäbe; Almásy war der erste, der mit einem Tourenautomobil die Nubische Wüste durchquerte. Die Allgemeine Automobil-Zeitung berichtete regelmäßig über Almásys Abenteuer, bei welchen dieser immer wieder vor allem die Beständigkeit, Verlässlichkeit und das Leistungsvermögen seiner Steyr-Fahrzeuge betonte. Für diese warb er auch bei der Automobilausstellung in Kairo 1927, wo er als Vertreter der Steyr-Werke zugegen war.
Almásys Engagement führte nicht nur zu einer Popularisierung der Marke Steyr in Europa, sondern auch in Afrika, wo er ihr zu großen Erfolgen verhalf. In der ägyptischen Öffentlichkeit genoss Steyr bald ein hohes Ansehen. Almásys Erfolgssträhne erfuhr durch die Weltwirtschaftskrise jedoch ein jähes Ende. Steyr beendete sowohl die Afrika-Expansionen als auch die Zusammenarbeit mit Almásy. Dies bedeutete für ihn einen tiefen Einschnitt und führte sogar zu finanziellen Problemen.
László Ede Almásy – der „Vater des Sandes“
Ab den 1930er-Jahren wirkte Almásy als Leiter einer Flugschule bei Kairo und unternahm erneut mehrere Wüstenexpeditionen. Unterstützt vom ägyptischen Königshaus, dienten diese jedoch weniger dem Abenteuer als vielmehr der Wissenschaft: Er war an archäologischen, kartographischen und ethnographischen Forschungen beteiligt, gilt als Entdecker der Oase Zarzura und publizierte rege über seine Entdeckungen. Aus seiner Feder erschienen etwa „Az ismeretlen szahara“ (dt. „Die unbekannte Sahara“) – Budapest 1934 und „Levegőben, homokon“ (dt.: „In der Luft und im Sand“) – Budapest 1937). Sein Engagement brachte ihm den Ehrentitel „Abu Ramla“ („Vater des Sandes“) ein. Aus dieser Zeit stammt auch jenes Ereignis, das als Vorlage für den (letztlich fiktiven) Film „Der englische Patient“ diente: 1931 erlitt er bei einem Sturmgewitter einen Flugzeugabsturz, den er jedoch, ebenso wie sein Co-Pilot, unverletzt überlebte.
Almásys Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg ist bis heute umstritten, stellte er sich doch als Wüstenexperte in den Dienst der Deutschen Wehrmacht – auch die Steyr-Automobilwerke lieferten Fahrzeuge für Rommels Afrika Korps. Zu Kriegsende wurde er als Kollaborateur verhaftet. Ein Volksgericht sprach ihn zwar frei, doch hatte sein Gesundheitszustand sehr unter der Haft gelitten. Anschließend lebte er abwechselnd in Österreich und Ägypten. Seine Versuche, erneut mit Afrika-Expeditionen zu beginnen, scheiterten jedoch. 1951 starb er in Salzburg.
Steyr wieder zurück in Afrika
Prof. Iber erläuterte abschließend noch die weitere Entwicklung der Steyr-Werke, die sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in der Panzer-Produktion einen Namen machten. Weiters erwähnte er, dass in den 50er- und 60er Jahren, ähnlich Almásys Fahrten vor der Weltwirtschaftskrise, wieder Afrika-Fahrten mit Steyr-Fahrzeugen durchgeführt wurden, welche die Marke erneut popularisierten und die Exportzahlen des Unternehmens steigen ließen.
Lesen Sie dazu einen Artikel über Anton Esterházy de Galantha, einen der Reisebegleiter von Almásy, sowie einen Aufsatz über die Afrika-Bücher von László Ede Almásy.