Konferenz zu Fake News in den MOE-Ländern
Können Fake News bald Wahlen entscheiden?
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Darüber, was Fake News sind, herrscht zunächst nicht immer Einigkeit. Rechte und Linke bezichtigen sich mitunter gegenseitig der Desinformation oder der Darstellung von Fakten, die durch die lediglich selektive Weitergabe von Informationen verzerrt dargestellt werden und damit ihrer eigentlichen Aussage kaum mehr gerecht werden.
Strategische Einflussnahme durch falsche Nachrichten
Per Definition versteht man unter Fake News jedoch nicht die Hakeleien und Scharmützel, die unter Politikern des gemäßigten Spektrums forciert werden, sondern die strategische Einflussnahme durch falsche Nachrichten, die zum Großteil über Soziale Medien verbreitet und im Stile „echter“ Nachrichten aufbereitet werden. Im Trend liegt spätestens seit der US-Wahl 2016 auch, dass unliebsame Berichterstattung vom politischen Gegner häufig mit den Worten „Fake News“ oder – dem deutsche Äquivalent – „Lügenpresse“ quittiert werden. Auch diese vorschnelle Reaktion, um den Informationsgehalt des Gegenübers zu diskreditieren, hat mittlerweile Hochkonjunktur. Was nicht zum Vorteil der allgemeinen Debattenkultur beiträgt. Grundsätzlich gilt: Wer Fake News nicht auf den Leim gehen will, sollte die Quelle kritisch hinterfragen, die Nachricht mit anderen Quellen abgleichen und im Zweifel auch eine kurze Bilderrecherche in Betracht ziehen.
Zurück zur Konferenz: Das politische Klima ist rauer geworden. Dieser Satz wird seit einigen Jahren immer wieder bemüht, um zu verdeutlichen, dass der Meinungsstreit um Argumente radikaler geworden ist. Dazu kommt das Gefühl, dass das Niveau der Berichterstattung grundsätzlich abgenommen hat. Diese Entwicklung bestätigten auch die Experten auf dem Podium der besprochenen Veranstaltung. Viera Zuborova vom Bratislava Policy Institute konstatierte gar, die journalistische Ethik ginge verloren. Gründe dafür seien vor allem technologischer Natur, da durch die Sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Youtube und Instagram Ereignisse schneller verarbeitet werden als mittels klassischer Medien. Wobei das „Verarbeiten“ in Frage gestellt werden könne, da aufgrund des Drucks der schnellen Nachrichtenüberlieferung ein Prüfen der Fakten nicht selten zu kurz käme. Also: Wer die Nachricht am schnellsten generiert, kann sich den meisten Klicks gewiss sein, die dann durch Werbeeinnahmen honoriert werden. Die journalistische Sorgfalt steht daher vor einer Zerreißprobe: Geld oder Wahrheit, wenn man die Gemengelage zugespitzt ausdrücken würde.
Journalismus vs. Meinungsmache
Tanja Porcnik vom kanadischen liberal-konservativen Think-Tank Fraser Institute, die zuvor die Zahlen zur Presse- und Informationsfreiheit in den Visegrád 4-Ländern vorstellte, die sich insbesondere im Zeitraum 2008-2017 deutlich verbessert haben, bemängelte, dass manche Journalisten vergessen hätten, was ihre eigentliche Aufgabe sei. „Journalismus vs. Meinungsmache“, das sei ein beunruhigender Trend, von dem sich zudem keine politische Seite freisprechen könne. Aber auch die Leser und Leserinnen tragen eine Verantwortung beim Lesen. Auch hier herrschte Einigkeit auf dem Podium. Péter Krekó, Dozent an der Corvinus Universität, der dem eher regierungskritischen Budapester Think-Tank Political Capital angehört, fand dazu diese Worte: „Wir tendieren dazu, an das zu glauben, was wir als richtig empfinden. Da ist keiner von uns frei von Fehlern“. Er appellierte damit zugleich an die Verantwortung jedes Einzelnen beim Konsumieren von Nachrichten. Zudem war er sich sicher: „Fake News können Wahlen entscheiden!“
Propaganda und das Streuen von Fake News sind mittlerweile ein Mittel der hybriden Kriegsführung und daher ein großes Sicherheitsproblem. Davon können die baltischen Staaten ein Liedchen singen, deren Bevölkerung zu großen Teilen russisch spricht und daher durch russische TV-Kanäle wie Russia Today mit Informationen versorgt wird. Diese Informationen entsprechen dann häufig dem Weltbild des Kreml, was manchmal eine anderes sein kann, als das der europäischen Freunde.
Diese Vorgehensweise kennt man nicht nur bezüglich der Krim-Krise, dem Ukraine-Konflikt oder der angeblichen Wahlbeeinflussung seitens Russlands in den USA bei der Wahl 2016. Auch in Tschechien konnte Roman Máca vom Institute for Politics and Society, das vom amtierenden Präsidenten Andrej Babiš 2011 ins Leben gerufen wurde, berichten: „Neben unterschiedlichsten pro-russischen Fake News-Profilen auf Facebook, haben wir in Tschechien mit Ketten-E-Mails zu kämpfen, die vornehmlich an ältere User verschickt werden. Darin werden die absurdesten Geschichten verbreitet, dass ukrainische Nationalisten Kleinkinder und Babies essen würden. Kaum zu glauben, aber damit haben wir zu kämpfen.“
Wer produziert Fake News?
Wer solche Informationen wirklich streut, ist nicht sicher. Ob es Regierungen, vermögende Privatleute oder Hacker, die auf eigene Faust handeln, sind, das ist nur schwierig zu belegen. Máca berichtete von einem Fall in Tschechien, wo aufgedeckt werden konnte, dass ein in Dubai lebender Tscheche anti-muslimische Fake News über falsche Profile bei Facebook verbreitet hatte. Man konnte ihm keinerlei Verbindungen zu Organisationen, Regierungen oder Parteien nachweisen, er handelte nach ganz persönlichen Motiven. Dieser Fall zeigt, wie wahllos sich Menschen dieses Instruments bemächtigen und wie hilflos Politik und Medien noch im Umgang gegen den Missbrauch von Sozialen Medien sind.
Das Internet ist noch immer ein zum Großteil ungeregelter Raum, in dem jeder die Möglichkeit hat, seine eigenen Wahrheiten zu verbreiten. Der Unterschied zu klassischen Medien ist, dass Journalisten für gewöhnlich sanktioniert werden, wenn sie falsche Informationen verbreiten. Auch das ist nicht immer der Fall, aber Glaubwürdigkeit ist eine Währung und wenn diese niedrig ist, schwindet der Zuspruch. Wer jedoch im Internet privat seine Meinung preisgeben will, der kann das, solange er sich an die Netiquette hält so gut wie ungehindert tun.
Es ist nicht all zu lange her, dass Facebook als Katalysator der Demokratie wahrgenommen wurde. Facebook und andere soziale Medien waren der Wegbereiter für den arabischen Frühling. Missstände in den entlegensten Regionen der Welt können durch einen Tweet oder ein Posting eine weltweite Reichweite erlangen. Doch nun stehen Soziale Medien auch unter dem Vorwurf der Verbreitung von Fake News, die Demokratien eher verunstalten und zerstören, als sie erblühen zu lassen.
Noch größere Bedrohung durch Deepfakes
In der zweiten Podiumsdiskussion fokussierte sich die Debatte auf die Frage, ob Fake News die Parlamentswahlen 2022 in Ungarn entscheiden könnten. „Es wird gefährlich, die Gesellschaft hat kein Immunsystem gegen Fake News. Wir haben noch kein probates Mittel dagegen gefunden“, meint Dóra Ónody-Molnár vom ungarischen Polit-Magazin 168 Óra. Weniger Bedenken hatte dagegen Levente Bánk Boros vom Médiakutató Institute, der den Menschen zutraut, zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden zu können.
Schwieriger würde es jedoch, wenn sogenannte Deepfakes, also Bilder, Videos und Tonspuren so verfälschend echt in Serie produziert werden können, dass eine Möglichkeit der Prüfung für Experten Geschweige für Laien kaum noch möglich sei. Deepfakes können durch „face swapping“, also dem Reinschneiden eines beliebigen Gesichts ohne jeden Echtheitsverlust, Ereignisse komplett ad absurdum führen. Hierzu fügte Balázs Böcskei, ehemaliger Schiedsrichter und nun linker Publizist an, dass er das Borkai-Video, in dem der ehemalige Bürgermeister von Györ mit zwei Prostituierten vor der Kamera agierte, zunächst für ein Deepfake gehalten hatte. Sein Resümee: „Deepfakes sind viel gefährlicher, weil diese auch gut informierten Menschen manipulieren können, die normalerweise in der Lage sind, Fake News zu hinterfragen und zu erkennen.“