Grundrechte-Webinar über die Zeit nach der Krise
Kampf um die individuellen Freiheitsrechte
Das von der „Free Market Road Show“ mit dem Titel „Privatsphäre und individuelle Freiheiten“ organisierte Webinar brachte wieder Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Ländern online zusammen. Während die „Show“ erneut von Pietro Paganini von Rom aus moderiert wurde, diskutierten – über viele Grenzen hinweg – die rumänische Rechtsexpertin Georgiana Constantin-Parke, der schwedische Berater Anders Ydstedt und der italienische Rechtsanwalt Luca Bolognini über die möglichen Folgen der Pandemie für unsere Freiheitsrechte und was wir dafür tun können, um diese in die Zeiten nach der Krise hinüberretten zu können.
Ist unsere Privatsphäre in Gefahr?
Die Schwierigkeiten, die beim ersten Webinar eine Woche zuvor mit der Technik auftraten, waren dieses Mal von Anfang an behoben: Der Moderator der Veranstaltung Pietro Paganini, Professor an der Temple University of Philadelphia und Präsident des Thinktanks „Competere – Policies for Sustainable Development“ wartete zunächst noch einen kurzen Moment, während die Teilnehmerzahl weiter anstieg. Unterdessen konnte man hinter ihm ein großes Gemälde im Stile des abstrakten Expressionismus betrachten.
„Es existiert keine Pandemie, die uns stoppen könnte“, begann Paganini schließlich und verwies darauf, dass das Webinar parallel auch auf YouTube stattfinden würde. „Der Zweck dieses Treffens“, so Paganini, bestehe darin, „dass wir zusammenkommen, unser Netzwerk stärken und das Wissen verbreiten.“ Das sei umso wichtiger, da die Krise „eine große Bedrohung für unsere Freiheit“ darstelle. „Ist speziell unsere Privatsphäre in Gefahr?“, wandte sich Paganini mit seiner Frage an Georgiana Constantin-Parke, die kurz darauf vor einer großen Weltkarte stehend auf dem Monitor erschien.
Schon als sie in die USA kam, sei sie sehr über den dortigen Umgang mit der freien Meinungsäußerung „geschockt gewesen“, erinnerte sich die an der Liberty University’s Helms School of Government in Virginia unterrichtende Dozentin. „In den USA kann man seine Meinung zwar immer frei zum Ausdruck bringen“, erklärte sie. Man wisse jedoch nie genau, ob man mit seinen Aussagen nicht gerade seinen Job riskiere.
Bezogen auf die Regeln und Gesetze, „die unsere Freiheiten garantieren“, verändere sich nun sehr viel, stellte Constantin-Parke fest. „Überall werden die Freiheitsrechte massiv eingeschränkt.“ Viele hätten inzwischen Angst vor einer Diktatur. Man müsse sich nur an den „Patriot Act“ erinnern, der nach den Anschlägen auf das World Trade Center zwar „sicherlich aus gutem Grund“ erlassen wurde, die darin verordneten Einschränkungen der Freiheitsrechte seien jedoch anschließend nie wieder rückgängig gemacht worden.
Überall lese Constantin-Parke nun, wie wichtig es sei, „die Bewegung der Leute zu beobachten“. Das hätten die Behörden zwar sowieso die ganze Zeit über getan. „Jetzt aber gibt es einfach noch einen zusätzlichen Grund“, erläuterte sie. Man müsse immer wachsam bleiben, wenn es um die individuellen Rechte gehe, so Constantin-Parke. „Immerwährende Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“, zitierte sie Thomas Jefferson, einen der Gründerväter der Vereinigten Staaten.
Die Einschränkungen einschränken
Auch der italienische Rechtsanwalt Luca Bolognini, einer der führenden Datenschutzexperten Europas, wähnte sich äußerst besorgt. Auf der einen Seite müsse man natürlich das Leben der Menschen schützen, erklärte er. Andererseits würden nun überall auf der Welt Regierungen Maßnahmen ergreifen, „welche die individuellen Freiheiten einschränken“.
„Natürlich müssen wir den Virus bekämpfen“, betonte er. Gleichzeitig komme es aber darauf an, dass man den Regierungen nicht erlaube, auch in Zukunft unsere Freiheiten einzuschränken. Es bestehe eben die begründete Gefahr, „dass die Notstandsgesetze aufrecht erhalten bleiben“. Am Ende gebe es immer vermeintliche Gründe, die Bürger zu überwachen. Hier spiele das ganze Thema des Datenschutzes eine entscheidende Rolle. „Wir müssen eine Balance finden!“, appellierte Bolognini eindringlich. Das Tracing der Menschen müsse seinerseits durch Schutzmaßnahmen begrenzt werden – und zwar nicht erst morgen.
Eine große Herausforderung für die Gesetzgeber
In Schweden gebe es dahingegen weniger Regulierungen, erläuterte der Unternehmer und Berater schwedischer Industrie- und Wirtschaftsorganisationen, Anders Ydstedt. In einer Rede an die Nation habe der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven gesagt, dass es nun vor allem auf „gute Manieren“ ankomme. Man müsse also den Menschen vertrauen, dass sie freiwillig Rücksicht aufeinander nehmen würden. In Schweden gab es zum Zeitpunkt des Webinars weder Ausgangsbeschränkungen noch Reiseverbote.
Gleichzeitig fürchte aber auch Ydstedt die vielen Regulierungen, welche die Freiheiten auch in Zukunft einschränken könnten. Als Beispiel nannte er die Tatsache, dass die Schweden kaum noch Bargeld benutzen würden. „Natürlich kann man dadurch jeden unserer Schritte nachverfolgen“, betonte er.
Die Regierungen würden neue Systeme ausprobieren, erläuterte er, neue „Tracing-Tools“ kämen zur Anwendung, sodass immer größere Mengen an Informationen über die Bürger gesammelt würden. „Was passiert, sobald die Situation vorüber ist?“, fragte er besorgt. Definitiv rühre die größte Gefahr von den verschiedenen Regierungen her.
„Manche Aspekte, wie zuhause zu bleiben, werden nie normal werden“, erläuterte Luca Bolognini in diesem Zusammenhang. Andere seien jedoch eher unsichtbar: „Wenn die Regierung dich beobachtet, bekommst du es gar nicht mit“, meinte er. Deshalb müssten die neuen Gesetze auch auf jeden Fall ausbalanciert werden. Für den Gesetzgeber sei dies eine echte Herausforderung, die Mut und Weitsicht erfordere. Die „Freiheitsrechte müssen genauso geschützt werden, wie die Gesundheit der Menschen“, sagte Bolognini eindringlich.
Erziehung zur Wachsamkeit
„Wenn wir über die Privatsphäre sprechen, dann geht das Interesse am Seminar zurück“, stellte Paganini fest. „Wie können wir den Menschen klar machen, dass die Privatsphäre wichtig ist?“, fragte er in die Runde.
Im Grunde müsse man mit Daten umgehen, wie man es mit dem Virus tut, meinte Bolognini. Es gehe nicht nur um die Fähigkeit zum Bedienen von Geräten. Schon den Kindern müsse man dabei helfen, dass sie ein Bewusstsein von den möglichen Konsequenzen im Zusammenhang mit der Datensicherheit entwickeln.
„Das kann man natürlich nicht dem Staat überlassen“, betonte Constantin-Parke. Das liege eindeutig in der Verantwortung der Eltern, wenn es um die Sicherheit von Daten geht. Man könne diesbezüglich die Erziehung damit beginnen, „dass man mit den Kindern Huxley’s „Brave New World“ und Orwell‘s „1984“ vorliest“, sagte sie.
Anschließend könne man ihnen erklären, dass sich solche Dinge, wie sie in diesen Romanen beschrieben werden, bis in die Gegenwart hinein ereignen. Man sollte also auch über den Kommunismus und über das heutige China sprechen. „Man muss den Kindern einfach vor Augen führen, dass ihnen so etwas durchaus auch selbst passieren könnte.“