„Der Anspruch einer linksliberal geprägten Gesellschaft auf allumfassende Toleranz übersieht die Gefahren eines oft schon radikalisierten Islamismus.“ Foto: MCC / Dániel Holla

Vortrag von Prof. Dr. Susanne Schröter am Deutsch-Ungarischen Institut

Individuelle Freiheitsrechte in Gefahr

In der Debatte über die Integration von Muslimen sind die Fronten ideologisch verhärtet. Einen kritischen Blick auf die Debattenkultur warf bei einem Vortrag beim Deutsch-Ungarischen Institut am MCC die deutsche Ethnologin und Islamforscherin Prof. Dr. Susanne Schröter.

Dabei verlieh sie unter anderem ihrer Befürchtung Ausdruck, dass der Western bei der Inte­gration von Muslimen zu scheitern drohe. Schuld daran sei vor allem seine geistige Situation, eine Mischung aus Anmaßung und Selbsthass.

Verletzung von Tabus

Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Heinz Theisen, Professor für Politikwissenschaft an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln und Gastprofessor beim Mathias Corvinus Collegium (MCC), moderiert. Eingangs betonte er den Mut der Professorin, in Deutschland über den Islam zu forschen und sich dabei gegen die weit verbreitete Meinung zu stellen, westliche Normen könnten auf andere Kulturen übertragen werden. Mit dem thematisierten Zusammenhang zwischen Selbsthass und Anmaßung der westlichen Weltpolitik verletze sie gleich zwei Tabus.

Sowohl in den Kriegen in Afghanistan und Mali als auch in der Planlosigkeit westlicher Regierungen im Umgang mit Migration, Islamismus und Cancel Culture diagnostizierte Prof. Schröter einen zwischen Hybris und Selbsthass gefangenen Westen. In beiden Fällen sei die westliche Politik so ratlos und erfolglos, dass ihre Glaubwürdigkeit und Selbstbehauptung verloren zu gehen drohe. Sie kritisierte weiterhin, dass in Deutschland über Integration keine offene Debatte mehr geführt werden könne. „Wir müssen aufpassen, dass die individuellen Freiheitsrechte uns nicht verlorengehen“, warnte sie.

Den Schwerpunkt ihres Vortrages legte sie auf die Vorgänge in Afghanistan, in dem sich trotz des zwei Jahrzehnte währenden Engagements des Westens keine nennenswerte Zivilgesellschaft gebildet und sich niemand den Taliban entgegengestellt habe. Dies sei nur eines von vielen Beispielen, in denen der Westen fälschlicherweise angenommen habe, dass sein Einfluss in einer islamisch geprägten Gesellschaft auch Demokratisierungsprozesse auslösen würde. Hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine kritisierte sie die geringe Lernfähigkeit westlicher Außenpolitik. Im Gegenteil: Fehler würden schöngeredet und unter dem Deckmantel einer liberalen Modernisierungspolitik moralisiert.

Theoriegeleitete Abgehobenheit

Im zweiten Teil ihres Vortrags ging es um das Unverständnis, auf das sie zuweilen in Deutschland hinsichtlich ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Islam stoße. Der Anspruch einer linksliberal geprägten Gesellschaft auf allumfassende Toleranz übersehe die Gefahren eines oft schon radikalisierten Islamismus und führe umgekehrt dazu, dass die konservative Selbstbehauptung der eigenen Kultur als „rassistisch“ diffamiert werde.

Die Fehler der deutschen Migrationspolitik resultieren auch aus der theoriegeleiteten Abgehobenheit, die sich nicht mit den Realitäten befasst. Dazu gehöre auch, sich mehr mit den Problemen der Migranten auseinanderzusetzen und weniger mit den Problemen der Mehrheitsgesellschaft mit den Migranten. Professor Theisen schloss die Veranstaltung treffend mit den Worten: „Sie haben uns einen schmerzhaften Abend bereitet, aber vielleicht war es notwendig, denn ohne Schmerzen können wir nicht lernen.“

PROF. DR. SUSANNE SCHRÖTER, geb. 1957, studierte Ethnologie, Soziologie, Politikwissenschaften und Pädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie lehrte und forschte u.a. an der University of Chicago und der Yale University. 2004 wurde sie Inhaberin des Lehrstuhls für Südostasienkunde an der Universität Passau und 2008 auf die Professur für „Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen“ und an die Goethe-Universität Frankfurt berufen. Dort war sie 11 Jahre lang als Principal Investigator im Exzellenzcluster „Herausbildung normativer Ordnungen“ tätig und leitet seit 2014 das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“. Sie ist Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) sowie Gründungsmitglied des Thinktank R21. Kürzlich erschien ihr Buch „Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass”.

3 Antworten auf “Individuelle Freiheitsrechte in Gefahr

  1. Eine ausgezeichnet argumentierende Dissidentin.
    Ich habe viel von ihr gelesen und kann nur hoffen, daß sie nach diesem Vortrag nicht die obligatorischen “Besuche” bekommt, sei es von Staatsorganen persönlich oder deren hochgezüchteten Schlägermilizen.

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