Tierschutzverein Herosz in Budapest
„Ich bete für jedes Tier“
Das Gelände des Tierheims liegt abgelegen am Ende eines langen Feldweges auf der Budaer Seite, im XXII. Bezirk. Mit der Bahn und dem Bus braucht Mónika Hörömpöly eine Stunde hierher. Sie kommt so oft, wie sie kann, meistens zweimal die Woche, um mit den Hunden Gassi zu gehen. Es ist ein freiwilliger Dienst, den sie neben ihrem Job als Yoga-Lehrerin leistet. Schon von Weitem bellen die Vierbeiner aufgeregt, wenn sie die Mittdreißigerin kommen sehen. Insgesamt 40 ausgewachsene Hunde warten im Tierheim Herosz darauf, ausgeführt zu werden. Sie sitzen in großen grauen Zwingern, eine Strichliste zeigt an, welches Tier als letztes draußen war. „Sie sind gelangweilt“, bedauert Hörömpöly. Die Hunde springen an die Gittertüren und ringen um ihre Aufmerksamkeit, als sie den Zwinger betritt. Heute darf „Pupi“ raus in die Natur. „Ich schaffe maximal sechs Runden, sprich sechs Hunde am Tag. Danach bin ich völlig kaputt. Pro Person darf ein Hund ausgeführt werden, alles andere ist zu riskant“, sagt sie. Neben ihr hat Herosz noch einige weitere freiwillige Helfer.
Vierbeiner und Exoten
Seit den 1990er Jahren leitet Gábor Szekeres den Tierschutzverein. Auf insgesamt 7.000 Quadratmetern leben hier neben den Hunden auch 50 Katzen, Hasen, Hühner, Truthähne, Meerschweinchen, Schweine und eine Boa constrictor. Zwei Schafe und ein Lämmchen sowie zwei Ziegen haben auf der großen Wiese vor den Käfigen und Zwingern ihr eigenes Reich. Die meisten Tiere wurden vernachlässigt oder falsch behandelt und schließlich von dem Verein gerettet. Einige stammen von der Straße, andere von verstorbenen Haltern. Auch werden manchmal Hunde von überforderten Adoptanten zurückgebracht.
Besonders exotische Exemplare wie etwa die acht Jahre alte Würgeschlange, die zurzeit im Büro von Gábor Szekeres lebt, stellen selbst das Heim immer wieder vor neue Herausforderungen. Sie brauchen eine spezielle Fütterung und Pflege. Auch eine Eule mit einem gebrochenen Flügel und ein Stinktier waren bereits in der Obhut von Herosz. „Im Zweifelsfall müssen wir selber recherchieren, welche Nahrung die Vögel, Schlangen und Nagetiere benötigen“, erklärt Mónika Hörömpöly.
Neben dem organisatorischen Aufwand sei die Versorgung der Tiere auch ein großer Kostenfaktor. Futter für die Kleintiere bekäme das Heim laut Gábor von einem Futterhersteller gespendet. Der Großteil der Kosten entstünde aber durch die Heumengen für die Schafe und die Tierarztrechnungen für Impfungen und Kastrationen. Das Haus auf dem Gelände müsse Tag und Nacht besetzt sein, das Tierheim beschäftige daher zwei Pfleger in Vollzeit. Ihr Gehalt sowie Miete, Strom und Wasser gehören zu den festen Ausgaben.
Finanziert werde der Verein vor allem durch das eine Prozent der Einkommenssteuer, das Ungarn für einen beliebigen Zweck spenden können. Aber auch private Spenden würden einen Teil der Einnahmen ausmachen sowie bezahlte Betreuungsplätze für Tiere, deren Halter im Urlaub sind. Als kleiner Verein habe Herosz nicht das Geld für eine große Werbekampagne. Hauptsächlich würden sie daher Facebook nutzen, um Fotos zu posten und so auf sich aufmerksam zu machen, beschreibt Mónika Hörömpöly.
Ältere Tiere sind unbeliebt
Auch habe das Tierheim ein Platzproblem. „Einige Halter fragen an, ob sie ihre Tiere bei uns abgeben können. Wir haben aber maximal Platz für 80 Hunde. Manchmal müssen wir Tiere ablehnen, weil wir schon voll sind. Dann kommen die Besitzer nachts wieder und werfen die Hunde einfach über den drei Meter hohen Zaun. Das ist natürlich sehr gefährlich“, ärgert sich die freiwillige Helferin. Manchmal kämen fünf bis zehn Welpen gleichzeitig an. So schnell wie die Tiere abgegeben werden, können sie aber nicht vermittelt werden.
Herosz hat feste Regeln für eine Adoption, damit die Leute nicht übereilt handeln und die Tiere am Ende wiederbringen. Es müsse zunächst finanzielle Sicherheit herrschen und auch ein fester Wohnort solle vorhanden sein. Die neuen Halter sollen laut Mónika Hörömpöly außerdem bereit sein, sich intensiv mit dem Tier zu beschäftigen oder im Falle von Verhaltensauffälligkeiten zum Beispiel zur Hundeschule zu gehen. Pro Tier ist eine Schutzgebühr von 50 Euro fällig.
Die Vermittlung gestalte sich manchmal schwierig, weil eine hohe Nachfrage an Welpen und Jungkatzen besteht. Die Welpen würden innerhalb weniger Wochen vermittelt werden. Ihre Chancen für eine Adoption stehen aber schon mit einem Alter von sechs Monaten bedeutend schlechter. Mit etwas Glück würden pro Jahr zwei oder drei ältere Hunde ein neues Zuhause finden. Dabei haben ältere Hunde ebenso ihre Vorteile, ist sich Hörömpöly sicher: „Es stimmt, dass Welpen, sich vollständig auf den Menschen einstellen, der sie aufzieht. Einen Welpen zu haben, erfordert jedoch viel mehr Aufmerksamkeit, ähnlich wie bei einem Baby. Ältere Hunde sind hingegen ruhiger und bereits sozialisiert.“
Das Problem liegt hinter den Wänden
„Der Grund, warum wir so viele Tiere retten müssen, sind nicht die Straßenhunde und -katzen. Das Problem liegt hinter den Wänden, in den Wohnungen der Halter“, erklärt Mónika Hörömpöly. Manche schaffen sich außergewöhnliche Tiere an, mit denen sie überhaupt nicht umzugehen wissen. Andere unterschätzen den Aufwand oder die Kosten, die ein Tier mit sich bringt.
Besonders in den Dörfern Ungarns gebe es große Probleme mit ungeimpften und nicht kastrierten Tieren. Sie würden schlichtweg nicht zum Tierarzt gebracht werden. „Es gibt viele arme Leute, das sehe ich ein, aber ich akzeptiere es nicht als Ausrede, um die Tiere schlecht zu behandeln. Der Respekt gegenüber dem Leben muss den Menschen bewusster werden.“ Um dieses Bewusstsein zu schärfen, lädt das Tierheim immer wieder Schulklassen ein. Die Kinder können die Schützlinge des Heimes kennenlernen und sollen so erfahren, was es bedeutet, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen und welche Schwierigkeiten dabei auftreten können.
Für Mónika Hörömpöly und Gábor Szekeres ist dies ein sehr wichtiger Teil ihrer Arbeit. „Gerade in der älteren Generation werden Tiere, die keine Nutztiere sind, wenig wertgeschätzt. Die Hunde und Katzen werden dann nicht als Familienmitglied angesehen, sie leben einfach neben den Menschen her. Wir glauben, dass sich durch solche Programme die Einstellung vieler Leute ändern wird“, so die freiwillige Helferin.
Während ihrer acht Jahre bei Herosz seien es vor allem die Erfolge, die sie durchhalten lassen: „Ich würde sagen, ich habe viele ignorante Taten gesehen. Nur die guten Taten der Menschen haben mir geholfen, das zu ertragen. Einige ältere Hunde kenne ich bereits seit Jahren. Wenn einer von ihnen schließlich adoptiert wird, dann ist das ein wirklich großartiges Gefühl. Ich bete jeden Tag dafür, dass so etwas öfter geschieht.“
Tierschutzverein Herosz
Budapest, XXII. Bezirk, Nyél utca 239
Weitere Informationen finden Sie auf www.herosz.hu