Zu Besuch beim Virtual Tuning-Künstler Tamás Jakus
Extravagantes Motorrad-Design aus Győr
Wir treffen Tamás Jakus, einen jungen Designer, der seinen Jugendtraum verwirklicht hat und seine Berufung im Fahrzeugdesign fand, in seinem Büro. Wir bitten ihn, unseren Lesern seinen schulischen und beruflichen Werdegang zu skizzieren.
Fasziniert von der Welt der Autos
„Ich habe schon als Kind viel und gerne gezeichnet, war künstlerisch interessiert und wusste schon damals, dass ich einmal eine berufliche Laufbahn auf dem Gebiet von Grafik und Design einschlagen werde. Mein Lieblingsmotiv war, wie bei den meisten Jungen, die Welt der Autos, aber ich beschäftigte mich ausschließlich mit dem äußeren Erscheinungsbild, war nur an der Ästhetik interessiert“, erzählt er.
Jakus besuchte die Fachoberschule für Kunstgewerbe in Győr und machte sein Fachabitur in Glaskunst. Auch während dieser Zeit fühlte er sich eher zum Design hingezogen. Das Entwerfen, Ideen bildlich darzustellen, das war seine Passion, die Realisierung war für ihn weniger attraktiv. Er zeichnete und fertigte später Entwürfe nach eigenen Vorstellungen im individuellen Stil an, damals noch in traditioneller Technik am Reissbrett, also auf klassische Weise mit Papier und Bleistift.
„Nach meinem Studium an der pädagogischen Hochschule in Szombathely war ich als Zivildienstleistender in einem öffentlichen Bildungszentrum eingesetzt, wo ich zunächst das Logo der Einrichtung und später die Plakate der dortigen Veranstaltungen entwarf. Hier stand mir erstmals ein Computer zur Verfügung, mit dessen Hilfe ich auch meine Liebe zum Zeichnen ausleben konnte.
Die Möglichkeit, detailgenaue Zeichnungen anzufertigen, die aussahen wie echte Fotos, faszinierte mich. Ab dem Zeitpunkt waren der Realisierung meiner Ideen keine Grenzen mehr gesetzt, die technischen Möglichkeiten beflügelten meine ohnehin schon blühende Phantasie und für mich war klar: Automobildesign ist meine Berufung.“
Langwieriger, oft mühevoller Lernprozess
Seinem Berufswunsch folgend absolvierte Jakus an der Hochschule für bildende Kunst in Budapest ein Studium und erwarb ein Diplom in visueller Erziehung.
Während seiner Studienjahre entwickelte er eine echte Leidenschaft für virtuelles Automobiltuning, anfangs fertigte er Entwürfe nur für eigene Zwecke an, später nahm er erfolgreich an diversen Wettbewerben teil. Gleichzeitig begann er, mit Photoshop zu arbeiten und digitale Zeichnungen zu erstellen.
„Rückblickend hört sich das relativ einfach an, aber das war ein langwieriger, oft mühevoller Lernprozess. Mit zunehmender Erfahrung gelang es mir, qualitativ immer bessere Zeichnungen anzufertigen. Obwohl ich stets mein Ziel, mich einmal beruflich mit Fahrzeugdesign zu beschäftigen, vor Augen hatte, schlug ich zunächst doch die pädagogische Laufbahn ein: an meiner ehemaligen Schule unterrichtete ich 17 Jahre lang Kunst und war mit Leib und Seele Lehrer“, erinnert sich Jakus.

Neben dem Schuldienst widmete er den größten Teil seiner Freizeit nach wie vor dem Automobildesign, immer öfter errang er Erfolge bei Wettbewerben, die ihn weiter motivierten. So belegte er zum Beispiel im Jahre 2006 den ersten Platz beim ungarischen Virtual Tuning-Wettbewerb. Auf diese Weise errang er schon nach relativ kurzer Zeit einen Platz unter den Besten der Szene.
Vom Lehrer zum Innenarchitekten
„Im vergangenen Jahr war ich dann an einem Punkt angelangt, an dem mir bewusst wurde, dass ich eine Entscheidung treffen musste. Ich entschied mich dafür, den Lehrerberuf aufzugeben. Das fiel mir nicht gerade leicht, denn ich war gerne Lehrer und hatte einen guten Draht zu den Kindern. Aber ich wollte mich mehr mit Design beschäftigen.“
In seinem derzeitigen Job als künstlerischer Leiter in einem Büro für Innenarchitektur ist er verantwortlich für Corporate Design und Produktentwicklung, was sich gut mit seinem Engagement im Bereich Fahrzeugdesign vereinbaren lässt.
Auf die Frage, was den tatsächlichen Durchbruch in seiner Designerlaufbahn brachte, antwortet der 41-Jährige, dass er seine Bekanntheit und den Kontakt zu den internationalen Fachkreisen eindeutig dem Internet zu verdanken hat.
„Obwohl ich als Lehrer immer eine gewisse Skepsis gegenüber Social Media gehegt hatte, muss ich jetzt zugeben, dass ich ohne die dadurch eröffneten Möglichkeiten wahrscheinlich nie so weit gekommen wäre. Ich veröffentlichte meine Entwürfe auf einschlägigen Webseiten, im ungarischen Magazin Motor Revue hatte ich sogar eine eigene Rubrik. Auf Empfehlung eines Freundes nahm ich mit dem Redakteur einer Fachplattform Kontakt auf, der ab sofort meine Automobilentwürfe veröffentlichte“, erzählt er.

„Gleichzeitig waren meine Kreationen auch auf ausländischen Webseiten zu sehen, wodurch ich bald schon eine gewisse Anerkennung erlangte. Die Anfrage einer US-Website, beim Virtual Tuning-Masters 2006 teilzunehmen, stellte für mich und mein damaliges Team eine riesige Herausforderung dar. Darüber hinaus war es ein einzigartiges Erlebnis, als wir den ersten Preis erhielten und die Italiener und die US-Mitbewerber auf die Plätze verwiesen.“
Der Schritt aus dem virtuellen Raum in die „Wirklichkeit“
2008 bekam der angehende Fahrzeugdesigner unerwartet den Auftrag, einen Supersportwagen, ein E-Auto, zu entwerfen, das später den Namen Triango erhielt. Nach einem langen und beschwerlichen Weg mit etlichen Richtungswechseln wurde dieses Automobil schließlich 2015 in Kasachstan realisiert. Damit gelang der Schritt aus dem virtuellen Raum in die „Wirklichkeit“, das erste von Jakus entworfene Fahrzeug rollte nun tatsächlich auf der Straße.
Worauf ist das Konzept und der einzigartige Stil von Jakusa Design gegründet? „Mein Anspruch war stets absolute Perfektion. Meine Entwürfe sollten so echt wie möglich wirken, als wären es wahrhaftige Fahrzeuge. Der Wunsch, meine Entwürfe einmal aus dem virtuellen Raum herauszuführen, hat mich nach dem Triango-Projekt immer motiviert und inspiriert. Mittlerweile kann ich schon mehrere realisierte Arbeiten vorweisen. Seit 2016 wurden schon sechs Motorräder nach meinen Entwürfen gebaut. Das erfüllt mich natürlich mit einem gewissen Stolz.“
„Die Chance meines Lebens“
Betrachten wir den aktuellen Erfolg des Projekts „Golden Age“, das ihm großen internationalen Ruhm einbrachte! Wie kam es dazu? „Schon im Vorfeld veröffentlichte ich mein Portfolio auf einschlägigen Design-Webseiten. Meine Entwürfe waren in der Fachliteratur präsent und mein Instagram-Account erfreute sich einer beachtlichen Anzahl von Followern. In der Ausgabe des Forbes Magazine vom März 2020 waren einige meiner Kreationen zu sehen. Daraufhin, just zu Beginn der Corona-Pandemie, fragte NMoto aus Miami bei mir an, ob ich bereit wäre, ein besonderes Motorrad zu designen. Was für eine Frage, selbstverständlich war ich bereit! Selbst wenn mir die Aufgabe anfangs noch gehörigen Respekt einflößte, wusste ich, dass dies womöglich die Chance meines Lebens sein würde. Die Herausforderung beziehungsweise der besondere Reiz lag in der Kombination des Prototypen des 1936-er Henderson KJ Streamliners mit dem neuesten BMW C400X-Modell.“

Die außergewöhnliche Entstehungsgeschichte vom Design bis zur Produktion umspannt die halbe Welt von Győr über NMoto Miami bis Zillers Motorcycles in Moskau. Das Endprodukt dieser internationalen Kooperation war so gut gelungen, dass es 2021 im BIKEEXIF-Ranking der 10 weltbesten „Custombikes“, also maßgeschneiderten Motorräder, einen beachtlichen 5. Platz belegte.
Das Leichtgewicht aus Kohlenstofffaser im Art Deco-Stil mit den charakteristischen BMW-Nieren ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber es ist mit einem Preis von rund 12.500 US-Dollar ein durchaus erschwinglicher Design-Feuerstuhl, der es immerhin auf eine Höchstgeschwindigkeit von 144 km/h bringt. Vom Blickfangeffekt ganz zu schweigen…
Die Machbarkeit vor Augen
Interessant zu wissen wäre noch, wie die Herangehensweise an ein Projekt aussieht, wie sehr muss der Designer das „Innenleben“ eines Motorrads kennen, schränkt es die Phantasie ein?
„Wenn das Ziel ein funktionstüchtiges Fahrzeug ist, dann muss man im Sinne der Machbarkeit selbstverständlich auch als Designer die technischen Gegebenheiten beachten und alle relevanten Gesichtspunkte im Auge behalten. Zum Glück hatte man mir im Falle von Golden Age innerhalb des locker umrissenen Designrahmens freie Hand gegeben, so konnte ich meine Ideen in Sachen Ästhetik restlos verwirklichen, selbst die verschiedenen Farbkombinationen waren mir überlassen.“
Nach laufenden Projekten und Zukunftsplänen gefragt, erwähnte der Győrer Motorraddesigner – der übrigens selbst absolut keinen Hang zum Motorradfahren verspürt – verschiedene Bikeprojekte, über die er allerdings noch keine weiteren Details verraten will. Auf seiner Wunschliste steht außerdem die Erweiterung seines Tätigkeitsbereichs auf Automobile und Boote.
Weitere Informationen zu Jakusa Design finden Sie hier: jakusadesign.com.