Humor ist ihr sechstes Bandmitglied. (Foto: Zorán Popovski)

Expat-Band Serial Chillers

Ernstzunehmende Gemütlichkeit

Die Serial Chillers sind wohl das Paradebeispiel für Budapests internationale Vielfältigkeit: Hier machen zwei Ungarn, ein Franzose, ein Kanadier und ein US-Amerikaner gemeinsam Musik. Aber nicht einfach nur Musik, sondern rockigen Tribalblues. Was genau darunter zu verstehen ist, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Dazu muss man die Serial Chillers wohl einfach live erleben.

Alles begann vor vier Jahren, als Tibor Vesselényi und Jeff Joyner an den wöchentlichen Open-Mic-Nächten im Budapester Jelen Bisztró teilnahmen. Tibor, genannt Tibi oder Banana Man, erinnert sich: „Das Jelen ist ein toller Ort, um mit anderen Musikern ins Gespräch zu kommen. Und genau das taten wir, Jeff und ich begannen uns zu unterhalten, stellten fest, dass wir auf derselben Wellenlänge sind, und ab da machten wir gemeinsam Musik.” Auch der Franzose Lancelot Chartier schloss sich ihnen etwa zu dieser Zeit an, doch es dauerte noch rund zwei Jahre, bis die Band komplett war. Zum harten Kern der Band gehört neben den drei genannten auch Bassist Márton Sütő, zu ihnen stößt häufig noch Schlagzeuger Sly Juhas.

Musik mit großem Unterhaltungswert

Lachen gehört bei den Serial Chillers zum Konzerterlebnis. Lernt man die Musiker privat kennen, ist schnell klar, warum ihr Unterhaltungswert auf der Bühne so hoch ist. Sie sind Freunde und Humor ist ihr sechstes Bandmitglied. Keine drei Sätze fallen, ohne dass ein spaßiger Kommentar gemacht wird.

Diese Leichtigkeit findet sich auch in ihren Songs wieder: Die Serial Chillers nehmen sich selbst und das Leben nicht zu ernst. Die Themen reichen dabei von Brotaufstrichen („Peanutbutter Jelly”) über weitere kulinarische Vorlieben der Bandmitglieder („The Banana Song”) bis hin zu Oden an bevorzugte Sexualpraktiken („69”). Doch auch die Kochkünste der Großmutter bleiben nicht unbesungen, wobei das Alkoholproblem des Opas ebenfalls zur Sprache kommt, wenn Jeff in der zweiten Strophe von „My Grandma‘s Cooking“ singt: „My Grandpa‘s drinking is worse than yours.”

Gitarrist Jeff Joyner.

Die Blueseinflüsse werden in Songs wie diesem extrem spürbar, wenn Lancelot mit viel Gefühl sein Saxophon zum Erklingen bringt. Andere Songs wie der „Three Cord Song” lassen die Herzen von Ska-Fans höherschlagen. Und während es generell schwerfällt, bei solchen mitreißenden Musiknummern still sitzen zu bleiben – was auch nicht erwartet wird –, sieht man im Publikum oft Menschen innehalten und lauthals lachen.

Obwohl viele Songs echte Schenkelklopfer sind, schlagen die Serial Chillers gelegentlich auch andere Töne an: „Dark Angel” beispielsweise hat eine düster-bluesige Atmosphäre, und auch der Text ist keineswegs so leichtherzig, wie viele andere Lieder der Band. Bei Live-Konzerten gelingt es den Serial Chillers aber mit Leichtigkeit, zwischen diesen musikalisch-textlichen Extremen zu wechseln.

Jeder kommt zu Wort

Zwar zeichnet Jeff für den Großteil der Texte verantwortlich, doch seine Bandkollegen sind ebenfalls als Schreiber aktiv. Allen voran Tibi, dessen eigenes Werk „Banana Song” absoluten Kultstatus bei den Fans der Band genießt. Tibi hat darin eine seiner liebenswerten Eigenheiten verewigt: Die Tatsache, dass er auf der Bühne stets Bananen als Energienachschub dabei hat – mittlerweile hält er sogar fürs hungrige Publikum immer ein paar bereit.

Die Musiker arbeiten stets an neuem Material. Derzeit sieht dieser Schaffensprozess aufgrund der Corona­virus-Krise jedoch etwas anders aus als in den Jahren davor. Insbesondere, weil Jeff zwischenzeitlich für fast ein halbes Jahr räumlich von seinen Bandkollegen getrennt war. Nachdem er drei Monate lang auf einem Kreuzfahrtschiff als Gitarrist engagiert war, ging er in den USA wieder an Land und geriet dort in den Lockdown. So war er für weitere drei Monate gezwungen, in Übersee zu verharren.

Foto: Zorán Popovski

Doch die musikalischen Freunde hielt dies nicht davon ab, weiter an neuen Songs zu arbeiten: „Ich habe Texte geschrieben und die Rhythmusgitarre dazu eingespielt. Das habe ich dann via einer speziellen App für Bands an den Rest der Serial Chillers geschickt”, erinnert sich Jeff. Lancelot ergänzt: „Ich habe es mir dann angehört und meinen Teil ‚draufgespielt‘. Zuerst erklang jedes Mal eine andere Melodie aus dem Saxophone, doch mit der Zeit legte ich mich fest.”

Auch die anderen Bandmitglieder arbeiten nach dieser Methode, und obwohl dies für Außenstehende vielleicht unkoordiniert oder gar chaotisch wirken mag, scheint es gerade dieser individuelle Zugang zu sein, der die Songs so vielfältig macht und sie doch als einheitliches Ganzes erscheinen lässt. Jedes Bandmitglied legt so einen Teil seiner Persönlichkeit in den Song, und gerade die beiden Vollzeit-Musiker, Bassist Márton Sütő und Schlagzeuger Sly Juhas, schätzen genau das an ihren Kollegen und ihrer gemeinsamen Arbeit.

Leben aus dem Koffer

Mittlerweile ist Jeff wieder im Land und die Band damit komplett. Tatsächlich hatten die Serial Chillers trotz der Krise vor allem seit dem Sommer viel zu tun. „Derzeit spielen wir einmal die Woche irgendwo, deswegen proben wir auch nicht gesondert”, erklärt Jeff. Zum Proben treffen sich die Serial Chillers momentan nur, um neue Songs zu probieren, ansonsten ist die Bühne ihr Probenraum.

„Gerade im Sommer sind wir viel am Balaton unterwegs, dann spielen wir für gewöhnlich am Samstagabend im Lovas Kikötő und nochmal am Sonntag zum Brunch.” Dabei ist gerade der Sonntagvormittag eine Herausforderung für die Band, denn Rituale wie das Fröccs-­Schwimmen gehören zu Balaton-Gigs dazu. Wobei der Franzose Lancelot darauf besteht, festzuhalten, dass er nur dann willens ist, Wein mit Sodawasser zu mischen, wenn er mehr als eine Zugstunde von Budapest entfernt ist und, wie er hinzufügt: „Mit Sicherheit keine anderen Franzosen in der Nähe sind.”

Die Band hält zusammen wie Pech und Schwefel, und obwohl sie gelegentlich nur zu dritt, in der Konstellation Jeff, Tibi und Lancelot, gebucht werden, fährt Bassist Márton oft mit – einfach der guten Gesellschaft und des Abenteuers wegen. Denn gerade bei Überlandfahrten und Auftritten in ländlichen Gegenden komme es vor, dass sie ohne festen Plan für Unterkunft und Verpflegung aufbrechen, erzählen die Musiker und geben zu, bei dieser Gelegenheit auch schon hier und da ein paar Früchte von Feldern stibitzt zu haben.

Die Band lebt für ihre Auftritte, das merkt man ihnen an. Nicht nur, wenn man sie auf der Bühne erlebt, sondern auch im Gespräch wird schnell klar: Obwohl drei der fünf Musiker reguläre Tagesjobs haben, schlägt ihr Herz doch für die Musik. Momentan ist ihre Lieblingsspielstätte das Pótkulcs in Pest. „Einfach, weil sich dort eine Freundschaft mit den Lokalbetreibern entwickelt hat”, erklärt Jeff. Doch er und seine Bandkollegen spielen überall gern, und natürlich kommen für sie auch größere Bühnen in Frage, wobei Lancelot scherzend klarstellt: „Wir haben es satt, in großen Stadien zu spielen, wir wollen den Rolling Stones auch noch etwas Raum geben.”

Jammen im Wald

Der Sommer, und damit auch die Balatonsaison, sind vorbei, die Serial Chillers konzentrieren sich nun wieder auf Gigs in Budapest und darauf, neue Songs zu machen, denn im Sommer veröffentlichten sie gleich mehrere neue Lieder, die sie teils auch schon dem Publikum vorgestellt haben – mit beachtlichem Erfolg!

Zwischen 3.000 und fast 10.000 Mal wurden die neuen Songs auf der Musik­plattform Spotify binnen weniger Wochen bereits angehört. Die Titel sind stark geprägt von einer Nacht im Wald, etwas, dass die Serial Chillers immer wieder gern erleben: „Im Sommer kommen wir gelegentlich mit befreundeten Musikern im Wald zusammen, mit absolut rudimentärer Technik, und dann jammen wir einfach nur.” Der Song „People of the Forest” gibt das Gefühl eines solchen Abends wohl am besten wieder. Und schnell wünscht man sich als Hörer, dabei gewesen zu sein.

Das ist vielleicht die größte Stärke und gleichzeitig auch das Erfolgsrezept der Serial Chillers: Wenn sie auf der Bühne stehen und Jeff jemanden direkt anspricht oder Tibi Bananen ins Publikum feuert, dann hat man das Gefühl, auf einer Party bei Freunden zu sein, wo jeder jeden kennt und alle einfach nur eine gute Zeit haben. Für Lancelot ist diese heimelige Atmosphäre ein weiteres Argument gegen Stadiongigs: „Da könnten wir die Leute nicht so ansprechen, das macht keinen Spaß!”

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