Analoge Fotografie
Eine Zeitmaschine in der Hand
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Über die letzten Jahre erlebt die analoge Fotografie ein Comeback der besonderen Art. Vor allem Generationen, die in die Digitalisierung hineinwuchsen, entdecken diese besondere, entschleunigte Art der Fotografie für sich.
Sorgfältig sucht man den idealen Film für sein Einsatzgebiet aus und kommt nur durch das Studieren von Belichtungstabellen auf die perfekten Einstellungen für die gewünschte Belichtung. 36 Bilder kann man schießen, dann braucht man die nächste Filmrolle und Geduld zum Einlegen. Sicherlich ist das kein Hobby für jedermann, aber die Szene wächst mehr und mehr. Auch in Budapest scheinen sich die Anhänger der analogen Fotografie wohlzufühlen – was angesichts der vielen reizvollen Fotoobjekte in der malerischen Stadt, in der stellenweise scheinbar die Zeit stehen geblieben ist, auch nicht verwunderlich ist.
Kameras und Kaffee
In einem kleinen An- und Verkaufsladen, nahe der Großen Synagoge im 7. Bezirk, mit dem Namen „Soós Fotó“ herrscht immer reger Betrieb. Alte Kameras werden in einem großen Schrank hinter dem Ladentisch präsentiert. Verschiedenste Modelle, beginnend bei Faltenbalgkameras über Messsucher- und Spiegelreflexkameras, bis hin zur einfachen „Touri-Knipse“ findet man dort. Kameraenthusiasten werden hier auf namhafte Hersteller wie Praktica, Canon und Leica stoßen.
Auf Nachfrage darf man sie gerne in die Hand nehmen und erhält vom Personal sogar eine detailreiche Einführung. Neben diversen Objektiven findet man auch eine breite Auswahl an Filmen, die man sogar im Laden innerhalb von zwei Tagen entwickeln und digitalisieren lassen kann. Erwähnenswert sind auch die Onlineauktionen auf der Website von Soós Fotó, bei der man mit etwas Glück das eine oder andere Schnäppchen ergattern kann.
Ein ebenso interessantes Geschäft für Fotografen ist das Café Analóg, ein paar Straßen weiter in der Kazinczy utca. Hier findet man alles, was man zur analogen Fotografie benötigt. Man kann sich hier sogar bei einem Kaffee mit Gleichgesinnten austauschen. Das Café hat sich zu einem Treffpunkt für Analog-Fotografen entwickelt. Aus der Liebe zur analogen Fotografie eröffneten die beiden Eigentümer vor zehn Jahren ein Geschäft für Fotobedarf samt Fotolabor. „Dann stellten wir fest, dass es in Budapest ziemlich schwierig ist, die Art Kaffee zu bekommen, den wir so gerne trinken. Durch unser vorheriges Fotostudio hatten wir Beziehungen zum italienischen Kaffeeunternehmen Cagliari, welches uns eine Kooperation anbot – und so starteten wir ein Fotolabor-Café“, erklärt Anett Kaposvári, eine der Eigentümer des Café Analóg. Seitdem kann man hier, einigen Stammgästen zufolge, den besten Kaffee der Stadt genießen, während man auf die fertig entwickelten Endprodukte seiner Arbeit wartet.
Faszination Entschleunigung
András Soós, Eigentümer von Soós Fotó, fällt auf, das die Kundschaft im Laden zum einen Teil aus jungen Menschen um die zwanzig besteht, die müde von der heutigen Technik sind und nach einer größeren Herausforderung in der Fotografie suchen. Menschen über fünfzig machen den anderen Teil der Kundschaft aus. Sie wollen die Bilder ihrer Enkelkinder nicht mehr nur ansehen, sondern sie auch selbst entwickeln.
Genau das ermöglicht besonders die Schwarz-Weiß-Fotografie dem Fotografen: Seine eigenen Werke von der Aufnahme über das Negativ bis hin zum fertigen Foto zu begleiten. Für umgerechnet rund 100 Euro kann sich jeder die Ausrüstung für ein Fotolabor zulegen. Nach dem Studieren einiger Anleitungen im Internet ist es jedem möglich, Negative selbst zu entwickeln. Von da ist es nicht mehr weit zu den Papierfotos.
„Die im Labor entwickelten Schwarz-Weiß-Bilder haben heute die gleiche Faszination für junge Menschen, wie damals die Farbfotos für die Generation, die jetzt über 50 ist“, findet Soós.
Aber das ist nicht der einzige Grund, um auf Farbe zu verzichten. Ein Anhänger der Analogfotografie beantwortete die Frage nach der Wahl dieses Filmmaterials folgendermaßen: „Wir leben in einer Zeit der Reizüberflutung, die Reduzierung auf schwarz-weiß stellt den Fotografen vor die Herausforderung, sich auf das Wesentliche des Motivs zu konzentrieren.“
Außerdem schult diese Art der Fotografie, das Hier und Jetzt besser zu genießen. „Mit einer analogen Kamera zu fotografieren, lehrt, den Moment zu leben und nicht nur einen Knopf zu drücken und weiterzugehen, wie wir es im Alltag immer mit unseren Smartphones tun“, bekräftigt auch Anett Kaposvári.
Budapest als Inspiration
Es ist kaum unmöglich, in Budapest und allgemein in Ungarn nicht mit dem Thema analoge Fotografie in Berührung zu kommen. Und das liegt nicht nur an den Verbänden, die es im ganzen Land gibt. Der Landesverband der ungarischen Fotokunstgruppen (ungarisch: Magyar Fotóművészeti Alkotócsoportok Országos Szövetsége) bringt diese alle unter einen Hut.
Budapest selbst ist der Geburtsort eines der größten analogen Fotografen: Robert Capa. Dem Kriegsfotografen, der 1913 in Budapest unter dem Namen Endre Ernő Friedmann geboren wurde, widmete man hier ein Museum. Das Robert Capa Contemporary Photography Center zeigt neben einer Dauerausstellung mit Fotografien von Capa auch immer wieder beeindruckende Fotoausstellungen verschiedenster anderer Künstler, die meist analog arbeiten.
Auch wenn die analoge Fotografie sicherlich nicht jedermanns Sache und die Digitalfotografie nicht mehr wegzudenken ist, nur ein kurzlebiger Trend ist ihr Wiederaufleben bestimmt nicht.
Weitere Informationen finden Sie auf Englisch oder Ungarisch unter:
SOÓS FOTÓ
Wesselényi utca 10. | 1077 Budapest | www.soosfoto.hu
Beispielspreise:
– Filmentwicklung Schwarz-Weiß-Filme: 950 Forint
– Filmentwicklung Farbfilme: 900 Forint
– Entwicklung von Bildern auf Fotopapier: 50-600 Forint pro Bild, je nach Größe
CAFÉ ANALÓG
Kazinczy utca 35. | 1075 Budapest | cafeanalog.hu
Beispielspreise:
– Filmentwicklung Schwarz-Weiß-/Farbfilm: 1.190 Forint
– Entwicklung Diafilm: 1.990 Forint
– Entwicklung von Bildern auf Fotopapier: ab 70 Forint pro Bild
– Digitalisierung der Negative: ab 1.500 Forint pro Filmrolle