Klaus M. Reiff, u.a. ehemaliger Kulturattaché der Deutschen Botschaft Budapest. (Foto: Privat)

Nachruf auf Klaus M. Reiff

„Ein Blick zurück nach vorn“

Lieber Klaus, mein Brief erreicht Dich seit dem 19. August nicht mehr. Doch bin ich zuversichtlich, Du weißt über diese Zeilen Bescheid, bevor sie gedruckt vorliegen. Im Januar 2021 wärst Du 80 geworden.

Monate hindurch hast Du gekämpft, um in der gewohnten Dimension unter uns bleiben zu können. Deine Ehefrau Gudrun hat Dich dabei ununterbrochen und hingebungsvoll unterstützt. Die obligatorische Sommerreise mit Deiner Familie nach Schweden hast im Juli noch absolviert. Gudrun und Eure Tochter Tatjana haben für Dich immer bewerkstelligt, neue Kräfte einzufangen und sie zur Wirkung bringen zu können. Nicht nur Leiden, auch Glücksmomente sind Dir immer wieder zuteil geworden.

Glücksmomente

Für Glücksmomente hast Du in Deiner Eigenschaft als Diplomat im Leben von vielen gesorgt. In den 1980er Jahren hast Du die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche in Polen vor Ort erlebt. Deine Erlebnisse sind in dem spannenden Buch „Polen: als deutscher Diplomat an der Weichsel“ zusammengefasst. Deine Studie ist „ein Blick zurück nach vorn“. Die im August 1980 plötzlich entstandene blühende Presselandschaft der „Solidarnosc“ fand mit der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Mitte Dezember 1981 ein abruptes Ende. Die sofort begonnene Untergrundpresse – ein empfindliches Material – war nur schwer zugänglich. Als Presseattaché hattest Du Dir vorgenommen, „alle nur irgendwie erreichbaren Materialien aus dieser Zeit zu sammeln als Dokumentation einer revolutionären Bewegung bei unserem polnischen Nachbarn, die, wie wir heute wissen, zum Fall des Kommunismus geführt hat und uns Deutschen schließlich die Einheit brachte.“ Geplant, getan. Deine umfangreiche Sammlung von gedruckten Untergrundmaterialien der Solidarnosc hast Du der Bibliothek der Friedrich Ebert-Stiftung Ende der 1980er Jahre geschenkt.

1993 hast Du als Kulturattaché in Ungarn begonnen und in diesem Amt unter anderem die kulturellen Anliegen der Ungarndeutschen effizient gefördert. Als damaliger Intendant der Deutschen Bühne Ungarn habe ich um Deine Hilfe bei der Beschaffung eines eigenen Hauses für das Theater in Szekszárd gebeten. Dein Einsatz war außerordentlich erfolgreich. Der ungarische Staat und die Donau­schwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg samt Partnerkreis und Partnerstadt finanzierten jeweils die Hälfte der Umbaukosten eines ehemaligen Kinos zu einer Spielstätte.

Klaus M. Reiff verkörperte Begriffe wie Ehre, Empathie und Zuverlässigkeit. (Foto: Privat)

Das neue eigene Haus des deutschsprachigen Theaters in Szekszárd wurde am 24. November 1994 mit Lessings „Nathan“ eröffnet. Ein feierlicher Anlass in Anwesenheit vieler Persönlichkeiten, unter anderem: Staatspräsident Árpád Göncz, Botschafter Dr. Otto-Raban Heinichen, Botschaftsrat Klaus M. Reiff und Komitatsvorsitzender József Príger als Rechtsträger des Theaters. An diesem Tag wurde Dir für Deinen „persönlichen Einsatz um die Förderung der kulturellen und menschlichen Beziehungen zwischen Ungarn und Deutschland“ das Kleinkreuz des Verdienstordens der Ungarischen Republik verliehen.

Unermüdlicher Einsatz für die Ungarndeutschen

Du bist immer und überall präsent gewesen, wo es einen Sinn machte, im Interesse der Ungarndeutschen Flagge zu zeigen. Du hast Spuren wahrscheinlich in allen ungarndeutschen Ortschaften hinterlassen. In jedem Dorf, in jeder Stadt sind viele Menschen zusammengekommen, um Dich sprechen zu können. Alle Programme sind nur an der Oberfläche perfekt abgewickelte diplomatische Anlässe gewesen. Die Menschen vor Ort haben durch die Gespräche begriffen, dass uns erst die aufrichtigen und stabilen menschlichen Beziehungen wirklich stark machen.

Nach präziser Orientierung hast Du mutig Pläne geschmiedet, die Du auch kompetent verwirklicht hast. Damit hast Du Werte geschaffen. Sind irgendwelche Koryphäen für die Umsetzung der Pläne erforderlich gewesen, so hast Du sie ins Boot geholt. Für unsere ungarndeutschen Anliegen hast Du Deine Chefs sensibilisiert. Du hast sie überzeugt und mitgerissen. Um keine kostbare Zeit etwa wegen Stau in der Stadt zu verlieren, bist Du jeden Tag in aller Frühe von Buda nach Pest gefahren. Bereits ab 7 Uhr bist Du gewöhnlich in Deinem Büro in der Deutschen Botschaft in der Stefánia út Deinen täglichen Aufgaben nachgegangen.

Mit Gudrun, Deiner Ehefrau an der Seite hast Du uns verstanden, Ihr habt mit uns zusammengelebt. Bald sind wir Freunde geworden. Die gemeinsam verbrachte Zeit hatte immer Tiefe, sie war immer ideenreich, belebend und anregend. Ihr habt regelmäßig ungarndeutsche Persönlichkeiten und Künstler in Eure Residenz eingeladen. Im Winter haben wir im Wohnzimmer gesessen, von Frühling bis Herbst haben wir im Garten gegrillt. Laut meiner Einschätzung sind das die Zeiten des stärksten Einvernehmens unter den Ungarndeutschen gewesen. Ein deutlicher Erfolg auch von Dir.

Freudentränen

Gegen Ende Deiner Dienstzeit in Ungarn hat die DBU auch aus Anlass Deines bevorstehenden Abschieds von Ungarn einen Galaabend zu Ehren ihres Ehrenmitgliedes organisiert. Als Überraschung habe ich Dir – mit Gudruns wertvoller Hilfe – Deinen ehemaligen Kumpel und Freund, Stani aus Polen nach Szekszárd eingeladen. Jahrelang habt Ihr Euch persönlich nicht getroffen und einander vermisst. Die Scheinwerfer haben Dich auf der Bühne geblendet, Du hast nicht sehen können, wer aus Richtung des Zuschauerraums auf die Bühne kam. Die Freudentränen in Deinen Augen wird keiner vergessen. Im Verlauf des weiteren Programms gab es dann noch – dank Emmerich Kálmán – viel musikalischen Paprika: „Braunes Mädel von der Puszta“, „Wo wohnt die Liebe, wer kann’s ergründen?“ und einige mehr. An jenem Abend waren alle Anwesenden in unserem kleinen Theater sehr glücklich.

Später hast Du in verschiedenen leitenden Positionen für die Friedrich Ebert-Stiftung gearbeitet. Privat seid Ihr aber regelmäßig nach Ungarn zurückgekehrt. Wo immer Ihr Euch auch in Deutschland niedergelassen habt, gab es in Eurer Speisekammer stets ungarischen Honig von Marika aus der Markthalle, Unicum von Zwack und Cabernet Sauvignon von Vesztergombi aus Szek­szárd. Über 56 Jahre Ehe hat Dir Gudrun die zum Erfolg unentbehrliche stabile familiäre Basis gesichert.

Ehre, Empathie, Zuverlässigkeit – Begriffe, die einem als erstes einfallen, wenn es um Dich geht. Wo immer Du auch tätig warst, hast Du anderen geholfen, viel Selbstloses getan und Dinge effizient bewegt. Für Menschen Deines Schlages gibt es keinen Ersatz, wir werden Dich schmerzvoll vermissen. Um die Früchte Deines Einsatzes für uns zu genießen, brauchen wir aber nicht in die Vergangenheit zu reisen. Die Ergebnisse Deines Wirkens sind von Dauer.

Es ehrt mich, Dein Freund zu sein. Dankeschön.

Auf ewig Dein András (Frigyesi)

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