Nach Ungarn ausgewandert: Unternehmensberaterin Dörte Preuß
„Ich mag die Kreativität und Lebensfreude der Ungarn“
Was hat Sie nach Ungarn verschlagen?
Kurz gesagt: Ich mag Ungarn, die Mentalität der Menschen und das gute ungarische Essen. Natürlich hat auch ein finanzieller Aspekt eine Rolle gespielt. Sich in Deutschland mit einem kleinen Vermögen eine solide private Altersvorsorge aufzubauen, wird immer schwieriger, erst recht für Alleinstehende. Deshalb möchte ich mein Geld lieber in Ungarn investieren, um letztlich auch hier zu bleiben.
Wie kamen Sie ausgerechnet auf Ungarn?
Ich wollte meine deutsche Heimat verlassen, aber Ungarn war nicht meine erste Wahl. Zuerst dachte ich an Bulgarien und sogar an Odessa in der Ukraine, weil ich dort mit der Sprache besser zurechtgekommen wäre. Aber dann waren andere Faktoren wichtiger. Damals, also 2021/2022, war meine Mutter schwer erkrankt und ich habe mich teilweise um sie gekümmert. Eine längere Abwesenheit wäre damals nicht möglich gewesen. So rückte ein näher gelegenes Land in den Fokus und schließlich kam ich auf Ungarn.
Wie haben Sie Ihr Haus gefunden?
Über eine Immobilienanzeige auf Facebook. Ursprünglich wollte ich in die Nähe von Budapest ziehen, Székesfehérvár schien mir ein guter Ort zu sein, weil ich dachte, dass ich dort eher eine gut bezahlte Arbeit finden würde. Von Bekannten habe ich dann den Tipp bekommen, mir die Gegend um Hévíz anzuschauen. Mittlerweile gefällt es mir hier auch landschaftlich sehr gut. Außerdem wohnen hier in der Nähe nette Bekannte von mir aus Deutschland.

Waren Sie schon einmal in Ungarn?
Ein Jahr bevor ich mich entschieden habe, meine Zelte in Deutschland abzubrechen, habe ich Ungarn schon einmal während der Corona-Zeit erlebt und festgestellt, dass die Menschen hier viel entspannter und weniger panisch mit dem Thema umgehen. Das hat mich beeindruckt und mein Interesse geweckt.
Außerdem war ich als Kind mehrmals in Ungarn. Meine Familie war wirklich begeistert von diesem Land. Mein Vater hatte gute Kontakte zu ungarischen Eisenbahnern.
Wie hat es bei Ihnen mit der Arbeit geklappt?
Nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Als Betriebswirtin und Businesscoach kann ich zwar online arbeiten, aber natürlich nur in meiner Muttersprache. Das heißt, ich unterrichte digital von Ungarn aus und werde von den jeweiligen Partnern im deutschsprachigen Ausland bezahlt.
Anfangs hatte ich in Ungarn ein Einzelunternehmen angemeldet und mit Hilfe eines Steuerberaters vor Ort alles in die Wege geleitet, um meine Leistungen auch deutschen Kunden in Rechnung stellen zu können. Leider ist das jedoch nach kurzer Zeit gescheitert, weil meine Kunden die Umstände nicht mochten, vielleicht waren die Gründe auch ideologischer Natur. Möglicherweise wollten sie kein Geld nach Ungarn überweisen.
Jetzt arbeite ich also wieder in Deutschland und pendle notgedrungen. Aber viel lieber würde ich in Ungarn arbeiten, meine Freizeit dem Hausumbau widmen und hier endlich richtig ankommen.
Den ersten Schritt haben Sie bereits getan …
Aus meiner Erfahrung als Unternehmerin hier sind mir viele Dinge aufgefallen, die ich hätte besser machen können. Zunächst habe ich die Abhängigkeit von meinem Steuerberater als negativ empfunden. Auch sein Umgang mit mir als Mandantin war nicht unbedingt positiv. Ich musste mir viel Wissen mühsam selbst aneignen und habe dann auch noch durch eine falsche steuerliche Einstufung richtig Lehrgeld zahlen müssen.
Aus Fehlern lernt man ja bekanntlich und mein Gedanke war, wie toll es wäre, wenn es ein Buch oder eine Internetseite in deutscher Sprache gäbe, die mir alle Informationen gesammelt und aufbereitet zur Verfügung stellt. So etwas gab es aber noch nicht. Also habe ich mein bereits vorhandenes Wissen geordnet, aufgeschrieben und überlegt, was man noch braucht, um sich als Ausländer in Ungarn selbstständig zu machen.
Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage in Deutschland hat ergeben, dass etwa 30 Prozent der Kleinunternehmer den Standort Deutschland nicht mehr positiv bewerten und das Land verlassen wollen. Viele orientieren sich nach Polen, Tschechien oder in die Schweiz. Ungarn gehört für die meisten noch nicht einmal zur engeren Wahl, vielleicht, weil es viel zu wenig Informationen über das Land und seine vielen – nicht nur steuerlichen – Vorteile gibt. Quasi aus dieser Not heraus entstand die Idee, selbst einen Leitfaden zu erstellen. Seit kurzem ist dieser sowohl online als auch in Buchform erhältlich.

An wen richtet sich das Buch?
Ich lese immer wieder, dass Menschen aus Deutschland nach Ungarn auswandern wollen und sich vorher erkundigen, wie es mit den Arbeitsmöglichkeiten aussieht. Es sind ja nicht nur Rentner, die das Land verlassen wollen, sondern zu einem nicht geringen Teil gut ausgebildete Frauen und Männer, die noch mitten im Leben stehen. Viele von ihnen haben gute Ideen für eine Existenzgründung, nur wissen die meisten nicht, wie sie diese umsetzen sollen. Hinzu kommen in Ungarn ein anderes Steuersystem, andere gesetzliche Bestimmungen und andere landesspezifische Gegebenheiten.

Das Buch allein hilft aber niemandem ohne ungarische Sprachkenntnisse bei Behördengängen und ähnlichem…
Mittlerweile habe ich mein eigenes kleines Netzwerk für fast alle Belange des täglichen Lebens. Wenn ich Hilfe brauche oder Fragen habe, weiß ich genau, an wen ich mich wenden kann. Natürlich muss ich die Leistungen bezahlen, aber ich kann den nächsten Schritt machen.
Wie können Sie mit Ihrem Know-how Geld verdienen?
Meine Idee ist es, angehende Unternehmer genau dort zu unterstützen, wo sie Hilfe brauchen. Wenn also jemand, der noch nie selbstständig war, mit dem Entschluss nach Ungarn kommt, hier ein Unternehmen zu gründen, dann bekommt er von mir eine umfassende Gründungsberatung und -begleitung.
Unternehmer mit Erfahrung brauchen natürlich eine andere Art von Unterstützung. In diesem Fall berate ich bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, bei der Standortanalyse, begleite die ersten Planungsschritte und mache Vorschläge für die weitere Vorgehensweise. Bei Behördengängen kann ich aus sprachlichen Gründen natürlich noch nicht persönlich helfen. Ich kann aber immer jemanden empfehlen. Bei anderen Dingen, wie zum Beispiel der Eröffnung eines Bankkontos, kann ich wiederum direkt helfen. Ich habe viele Jahre lang Unternehmer in Deutschland beraten und mache das immer noch mit Begeisterung. Ich kann auch auf ein umfangreiches betriebswirtschaftliches Wissen zurückgreifen. So kann ich bei Verlagerungen oder Neugründungen zu einem reibungslosen (Neu-) Start beitragen.
Welche Pläne haben Sie darüber hinaus?
An erster Stelle steht der Umbau meines Lehmhauses. Ich renoviere es Stück für Stück. Was körperlich nicht zu anstrengend ist, mache ich selbst. Das ist ein schöner Ausgleich zu meiner kopflastigen Arbeit. Lehm ist ein tolles Material, aber man muss auch damit umgehen können. Ich habe vor 23 Jahren in Deutschland ein neues Haus gebaut und dort schon mit Lehm gearbeitet und erste Erfahrungen sammeln können. Inzwischen gibt es hier deutsche Mitstreiter, die ebenfalls Lehmhäuser gekauft haben und diese renovieren. Wir helfen uns gegenseitig. Es macht mir Spaß, altes Wissen zu sammeln und genau zu überlegen, wie man so ein altes, ehrwürdiges Haus richtig renoviert.
Was gefällt Ihnen an Ungarn? Was sind Ihre prägendsten Eindrücke?
Die Lebensfreude der Menschen hier ist beeindruckend und mitreißend. Sie arbeiten hart und wissen trotzdem zu feiern. In meinem kleinen Dorf werden mit einfachen Mitteln wunderschöne Dorffeste organisiert, bei denen traditionelle Musik und Gesang eine große Rolle spielen und möglichst viele Bewohner des Ortes einbezogen werden. So wird der Zusammenhalt der Gemeinschaft gepflegt und gestärkt. Das gefällt mir! Auch wir Deutschen sind immer herzlich eingeladen.
Was mich auch immer wieder begeistert, ist, dass es hier noch den Hang gibt, defekte Geräte oder Fahrzeuge zu reparieren. Die Einheimischen sehen das wahrscheinlich anders, aber im Vergleich zu Deutschland ist es viel besser. Ich liebe die Kreativität der Ungarn, wenn es darum geht, etwas zu reparieren.
Wie steht es mit Ihrem Ungarisch?
Die häufigen Aufenthalte in Ungarn während meiner Kindheit sind nicht ganz spurlos an mir vorübergegangen. Kurze Redewendungen und ziemlich viele Wörter sind mir im Gedächtnis geblieben. Ich fange also nicht bei Null an und verstehe eine Menge. Vor allem der Klang der Sprache ist mir nicht fremd. Leider kann ich nicht so schnell reagieren, wie ich es mir wünsche, und ich bin wirklich traurig, dass ich noch keine tieferen Gespräche mit meinen Nachbarn führen kann. Da ich meine Einkäufe nach Möglichkeit in kleinen ungarischen Läden oder auf dem Markt tätige, versuche ich immer, das Wenige, was ich schon kann, auch anzuwenden. Und natürlich lerne ich immer wieder neue Vokabeln. Ich hoffe, so schnell wie möglich auch sprachlich in Ungarn anzukommen!
Was wünschen Sie sich noch?
Wenn ich wirklich einmal frei habe, mache ich gerne Musik. Ich spiele Tenorhorn, aber leider habe ich hier noch niemanden gefunden, mit dem ich regelmäßig musizieren kann. Am liebsten wäre mir eine Blaskapelle. Vielleicht finde ich ja über die Budapester Zeitung ein paar Leute, die mit mir musizieren wollen.
Was für Musik spielen Sie?
Meistens spiele ich traditionelle deutsche Musik, aber auch klassische Stücke. Ich finde es sehr schade, dass in Deutschland immer weniger traditionelle Musik gespielt wird. Die Ungarn dagegen pflegen ihre Musik sehr eindrucksvoll. Es gibt kaum ein Dorf, in dem es nicht mindestens einen Singkreis gibt. Vielerorts gibt es auch Tanzgruppen. In den Schulen wird viel Wert auf die Pflege und Aufführung traditioneller Tänze und Lieder gelegt.
Warum auch sollten aus dem Irrenhaus Deutschland die wenigen nicht fliehen, die Verstand haben?
Endlich mal jemand der nicht aus Deutschland “flieht” und mit Groll zurück schaut.
Ich wünsche ganz viel Erfolg und Freude in der neuen Heimat.
Ist das etwa kein Groll: “Sich in Deutschland mit einem kleinen Vermögen eine solide private Altersvorsorge aufzubauen, wird immer schwieriger, erst recht für Alleinstehende.”
Das ist kein Groll, das ist die Wahrheit. Die darf man ruhig sagen.
Das tut sie ohne den bei so manchem üblichen Schaum vorm Mund.