Landwirt Peter Vihl: „Ich bin ein typisches Dorfkind.“ Fotos: Privat

Nach Ungarn ausgewandert: Landwirt Peter Vihl

„Hier ist die Natur noch in Ordnung“

Wenn man in Ungarn das Wort Csákány benutzt, weiß man als Ungar, dass es sich um eine Spitzhacke handelt. Dass es auch einen kleinen Ort in der Nähe von Marcali gibt, der genau dieses Wort als Namen trägt, habe ich erst erfahren, als ich mich mit Peter Vihl in seiner neuen Heimat verabredete.

Peter ist ein junger Mann von 24 Jahren, der nach seinem Abitur und dem Berufsabschluss als Florist und Gärtner seine Zelte in der Nähe von Dillingen abgebrochen und nach Ungarn gezogen ist. Von November 2023 an pendelte er noch zwischen Deutschland und Ungarn, seit März 2024 ist er fest hier und ist nach eigenem Befinden angekommen.

Was hat Sie ausgerechnet nach Ungarn verschlagen?

Der Gedanke, Deutschland zu verlassen, geisterte schon länger in den Köpfen der Familie, vor allem bei den Eltern und wirklich konkret seit 2015. Aber ich war ja noch in der Schule und eine Ausbildung brauchte ich ebenfalls. Also hieß es, einen günstigen Moment abzuwarten.

Der kam nach meinem Berufsabschluss und dem Ende der Pandemie. Die Überlegung war, in Europa zu bleiben, möglichst nicht so arg weit von Dillingen entfernt, aber doch in einer Gegend, wo Grund und Boden noch nicht so überteuert sind wie in Deutschland, und Landwirtschaft noch auf eine Weise möglich ist, wie ich sie liebe.

Ungarn stand bei uns deshalb auf der Liste, weil meine Eltern 2019 in Hévíz im Urlaub waren und mir anschließend begeistert von dem Land erzählten. Irgendwann wollte ich mir selbst ein Bild machen. Was soll ich sagen? Sie hatten völlig recht!

Ich bin ein typisches Dorfkind, habe mich schon immer abseits vom Lärm und den vermeintlichen Verlockungen des Stadtlebens wohlgefühlt. In Ungarn hatte ich von Beginn an den Eindruck, dass die Natur hier größtenteils noch in Ordnung ist. Es gibt mehr Insekten, viele Pflanzen und Tiere sind hier heimisch, die es in Deutschland fast nur noch in geschützten Gebieten gibt. Dazu kommen die Lebensfreude und die Herzlichkeit der Menschen, von denen wir umgeben sind.

Nicht ganz nebensächlich war die Tatsache, dass die Vorfahren meiner Mutter aus dem Banat stammen und sie als kleines Kind auch ungarische Wörter aufgeschnappt hat. Seit sie öfter hier in Ungarn ist, holt sie immer mehr Vokabeln aus dem Hinterkopf und freut sich, wenn sie sich wieder an etwas erinnert.

Wie haben Sie die Immobilie in Csákány gefunden?

Meine Mutter und ich haben uns unabhängig und unwissentlich voneinander auf den gleichen Internetseiten nach Häusern in der Gegend südlich des Balaton umgesehen. Unabhängig voneinander haben wir mit derselben Immobilienmaklerin einen Termin zur Besichtigung derselben Immobilie ausgemacht. Das klärte sich dann auf und wir sahen es als ein positives Zeichen. Am Besichtigungstermin standen wir vor dem Haus, blickten uns an und hatten uns auch schon für den Kauf entschieden. Es lief alles sehr schnell und unkompliziert ab.

Wie ging es weiter? Sie waren ja noch in Dillingen.

Das Pendeln begann schon kurz nach dem Erwerb der Immobilie. Ich habe mich mit meinen Eltern beraten, denn meine Pläne sahen vor, den Eltern in Ungarn einen schönen Lebensabend zu ermöglichen. Sie sind zwar noch fit und rührig, aber irgendwann will man vielleicht doch einmal seine Ruhe haben und nicht mehr von morgens bis abends schuften.

Zunächst einmal mussten die entsprechenden Wohnmöglichkeiten geschaffen werden. Das Haus ist ein altes Lehmhaus, von dem ich anfangs dachte, es müsse komplett abgerissen werden. Also haben mein Vater und ich eine Menge Provisorien eingebaut und wollten dann im Frühjahr mit den ersten Arbeiten beginnen. Aber der Winter hier hat uns gezeigt, welche Qualitäten das Haus hat. Lehm ist ein ausgezeichneter Baustoff, dessen positive Eigenschaften so vielfältig sind, dass ich sie hier gar nicht alle aufzählen kann. Am wichtigsten ist das Raumklima. Mir wurde gesagt, ich müsse mit feuchten Wänden rechnen und solle nur ja nicht die teuren Möbel aus Deutschland mitbringen, weil sie wegen der Feuchtigkeit sehr schnell kaputtgehen würden. Aber Lehm atmet, bindet Schadstoffe aus der Luft und wirkt ausgleichend auf die Raumluft. Wir haben – mal gemeinsam, mal ich allein –einen Winter in diesem Haus erlebt und sind uns mittlerweile einig, dass wir es bewahren wollen.

Gelegentlich packen auch die Eltern an.

Ihre Eltern leben also mit Ihnen auf dem Grundstück?

Nein, sie sind nach wie vor in Deutschland selbstständig und kommen aber so oft wie möglich zu mir. Es wird der Zeitpunkt kommen, da sie Deutschland ebenfalls verlassen werden.

Was machen Sie hier beruflich?

Ich habe ein Gewerbe als Gärtner, Dienstleister und Händler angemeldet, werde im Frühjahr 2025 die ersten selbst gezogenen Pflanzen verkaufen und später das selbst angebaute Obst und Gemüse zum Verkauf anbieten. Im Hintergrund dient mir das geballte Fachwissen meines Vaters und meiner Mutter, die Gärtnermeisterin ist. Die ersten Samen haben wir gemeinsam im Frühjahr 2024 in die Erde gebracht, Bäume gepflanzt und begonnen, einen Teil des ca. 6.000 m2 großen Grundstücks zu nutzen.

Wie beurteilen Sie Ihre Aussichten, mit den hiesigen Erzeugern konkurrieren zu können?

Mein Traum ist es, alte Obst- und Gemüsesorten zu bewahren. Ich möchte alte Obstsorten nachziehen, unter Umständen mit Elektrokultur retten, Saatgut erzeugen und verkaufen. Auf meinem Land möchte ich die Vielfalt, die uns die Natur bietet, bewahren. Und ich habe bereits von mehreren Seiten gehört, dass das Bewusstsein für diese Art Anbau wächst. Natürlich hoffe ich auf die Solidarität der deutschsprachigen Auswanderer und der hiesigen Bevölkerung, dass sie gewillt sind, mich als Jungunternehmer durch ihre Käufe zu unterstützen. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich auch Kräuter und Heilpflanzen anbiete, diesbezüglich gerne berate und bei Bedarf auch Rezepturen beispielsweise nach Maria Treben weitergebe.

Ich träume davon, meinen zukünftigen Kunden vom Samen bis zur Jungpflanze alles anbieten zu können. Durchaus möglich, dass sich dadurch auch die Einstellung der Menschen zu den Produkten ändert. Wenn man vom Samen bis zum Gemüse alles vor Augen hat und erlebt, wie es wächst und gedeiht, weiß man eher zu schätzen, was man auf dem Teller hat.

Die ganzheitliche Gesundheit erhält man durch bewusste Ernährung mit Gemüse, Obst, Kräutern und Heilkräutern. Die mit großer Sorgfalt erzeugten und weiter verarbeiteten Produkte verkaufe ich und gebe sowohl Rezeptvorschläge als auch Verwendungsmöglichkeiten an meine Kunden weiter.

Im Übrigen bedeutet das ungarische Wort „egészség“ soviel wie Ganzheit, obwohl es mit „Gesundheit“ ins Deutsche übersetzt wird. Die sehr bildreiche ungarische Sprache lässt also durchklingen, dass ein ganzheitlicher Mensch gesund ist.

Was ist Elektrokultur?

Das Thema ist sehr umfassend und es liegt mir fern, eine fachliche Abhandlung dazu zu liefern. Ich sehe den Schwerpunkt der Elektrokultur darin, ein gesundes Wachstum der Pflanzen zu erreichen, dabei Ressourcen zu schonen, Umweltzerstörung zu verringern und trotzdem als Landwirt wirtschaftlich rentabel arbeiten zu können. Sogenannte „atmosphärische Antennen“ werden aus Holz, Kupfer, Zink oder Messing hergestellt und versorgen die Pflanzen mit der unsichtbaren, vibrierenden Kraft elektrischer Felder. Das macht sie widerstandsfähiger, der Ertrag wächst und man hat weniger Probleme mit Schädlingen. Ich habe dieses Verfahren hier bereits erfolgreich angewendet.

Mehr Erträge und weniger Probleme durch Schädlinge mit Elektrokultur.

Wird alles im Außenbereich angebaut?

Nein, nicht ausschließlich, obwohl in diesem Jahr wirklich alles hervorragend gewachsen ist. Ich plane, bis zu zehn Gewächshäuser zu errichten und darin Gemüsepflanzen zu ziehen.

Wie hat Ihr Umfeld in Deutschland auf Ihren Entschluss reagiert, nach Ungarn zu ziehen?

Es gab größtenteils positive Reaktionen, die meisten meiner Freunde und Bekannten freuen sich für mich.

Eins von bald zehn Treibhäusern.

Haben Sie viele Freunde zurückgelassen?

Schon einige, aber ich bin der Meinung, dass wirkliche Freundschaften eine derartige Entfernung aushalten. Wir sind schließlich nicht am anderen Ende der Welt. Sie besuchen mich hier, ich fahre ab und zu nach Deutschland und dann wird es sich erweisen, ob es wertvolle menschliche Verbindungen sind oder nicht.

Was gefällt Ihnen hier in Ungarn besonders?

Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier noch andere Wertvorstellungen haben. Sicher, in den großen Städten ist es ähnlich wie in Westeuropa, aber Ungarn hat zum Glück nur wenige wirklich große Städte. Ich habe beobachtet, dass es viele Kinder gibt. Die Spielplätze, die ich gesehen habe, sind sauber und ordentlich. Es gibt gute Anreize für junge Menschen, eine Familie zu gründen. Auch für die Zukunft der Familien wird hier viel getan. Irgendwie fühlt man sich in eine Zeit zurück versetzt, die wesentlich friedlicher und nicht so schnelllebig ist. Selbst ich als junger Mensch habe schnell gemerkt, dass es hier ein entspannteres Leben ist als in Deutschland.

Hinzu kommt, dass ich mir keine Sorgen um meine Mutter oder meine Freundin machen muss, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit allein unterwegs sind.

Sie haben eine ungarische Freundin?

Ja, sie lebt im selben Ort.

Dann werden Sie sehr schnell Ungarisch lernen?

Na ja, eher nicht, denn wir sprechen die meiste Zeit Deutsch miteinander. Aber ich habe mir fest vorgenommen, die Landessprache zu lernen. Meine Produkte sollen schließlich von der ansässigen Bevölkerung gekauft werden und ich möchte sie in ihrer Muttersprache beraten können.

Haben Sie Heimweh?

Definitiv nicht! Ich möchte in Frieden leben und der ungarische Ministerpräsident ist einer der wenigen Spitzenpolitiker Europas, dem es wirklich ernst damit ist, Frieden zu schaffen. Die Diffamierungen in der deutschen Medienlandschaft kann ich absolut nicht nachvollziehen. Ich bin wirklich kein Mensch, der sich groß für Politik interessiert, aber die ungarische Einstellung gegenüber der illegalen Migration und dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland empfinde ich als wesentlich gesünder und logischer, als das, was in Westeuropa propagiert wird.

Würden Sie unter bestimmten Bedingungen nach Deutschland zurückkehren?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Es spricht so vieles gegen meine ursprüngliche Heimat. Die Sicherheit der Bevölkerung ist nicht mehr gegeben, die Wirtschaft wird wissentlich kaputtgemacht, die deutsche Kultur, die deutsche Sprache werden bis zur Unkenntlichkeit verändert. Das alles gefällt mir nicht. Außerdem erschweren Politik und die Wetterkapriolen in Deutschland die Landwirtschaft. Ich möchte mit Freude in meinem Beruf arbeiten.

Haben Sie noch einen letzten Gedanken für die Leser, eventuell einen Wunsch für die nahe Zukunft?

Ich würde gerne andere junge Menschen kennenlernen, die kürzlich – oder auch schon länger – hier in Ungarn eine neue Heimat gefunden haben, und mich mit ihnen austauschen. Über eine Kontaktaufnahme unter petervihl10@gmail.com freue ich mich.

4 Antworten auf “„Hier ist die Natur noch in Ordnung“

  1. Viel Erfolg!
    Seine Einwände gegen Deutschland sind richtig. Aber die Leute, die außer mir aus Deutschland in meine Straße gezogen sind, verstehen das nicht. Also merkwürdig, daß sie nach Ungarn gezogen sind, wo doch die deutschen Medien (höfliche Bezeichnung für die ewigen Verdreher) ständig gegen Ungarn hetzen und diese Leute eigentlich auf sie hören.

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      1. Großartiger junger Mann . Einer von denen bei “denen die Saat” aufgegangen ist. Ich hatte letztes Jahr auch ein Gespräch mit solch großartigen ,selbstdenkenden jungen Menschen die bereits mit Anfang 20 nach Ungarn ausgewandert sind und hier jetzt von dem leben was sie selbst erwirtschaften. Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen,so jung und schon so selbstständig und frei denkend.

        @dirk Hohensohn und Frau Westermann, der eine sollte es unterlassen hier öffentlich seine Nachbarn zu verunglimpfen und Sie Frau Westermann müssen auch nicht auf jeden Zug aufspringen und die nächste Sau durchs Dorf jagen bloss weil hier jemand irgendwelche Behauptungen aufstellt die privater Natur sind.
        Man flüchtet aus Deutschland ins schöne Ungarn um dann hier also mit diesem Denunziantenttum das man in Deutschland angeblich verabscheut hat ,weiter zu machen?
        Kein feiner Zug , um ehrlich zu sein muss ich zugeben das ich Menschen verachte die öffentlich über andere in dieser unschönen Art und Weise herziehen.

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        1. Auch halte Daumen für den jungen Mann. Ich freue mich auf positive Impulse und Beispiele.Für Ungarn war und ist Denunziantettum nicht typisch. Sonst hätten sie die viele Unterdruckungssysteme nicht überlebt.
          Am Mittwoch ist das Hochwasser in Ungarn weitergegeben. Keine Tote, kein Dammbruch, keine Plünderungen. ( bis heute) . Schön und erfreulich, dass es geschafft wurde!

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