Gespräch mit Kammersänger Johannes von Duisburg über ein unangenehmes Reiseerlebnis
Grenzschließung mit Kommunikationsproblemen
Dieser Artikel ist Teil unseres Bezahl-Angebots BZ+
Wenn Sie ein Abo von BZ+ abschließen, dann erhalten Sie innerhalb von 12 Stunden einen Benutzernamen und ein Passwort, mit denen Sie sich einmalig einloggen. Danach können Sie alle Artikel von BZ+ lesen. Außerdem erhalten Sie Zugang zu einigen speziellen, sich ständig erweiternden Angeboten für unsere Abonnenten.
Wie begann Ihre Reise?
Ich erreichte zwei Stunden vor Abflug pünktlich den Flughafen Berlin-Schönefeld und ging sofort zum Ryanair-Schalter. Dort wurde ich von einem jungen türkischstämmigen Ryanair-Mitarbeiter bedient, der anfangs freundlich und korrekt meinen Koffer entgegennahm und nach meinem Pass fragte. Als ich ihm meinen deutschen Reisepass und die meine Budapester Wohnadresse enthaltende Wohnadressenkarte (Lakcímkártya) sowie die Registrationsbescheinigung für EWR-Bürger vorlegte, bekam ich zur Antwort, dass nur ungarischen Staatsbürgern die Einreise erlaubt sei. Nach langem Hin und Her überzeugte ich den Mitarbeiter, sich den offiziellen Gesetzestext der ungarischen Regierung anzuschauen, den ich ihm sogleich unter die Nase hielt.
Er nahm meine beiden Karten, beäugte sie argwöhnisch und meinte: „Die sehen aber wie ein Fake aus, die kann ich ja problemlos selbst am Computer herstellen“. Ich dachte im ersten Moment, falsch gehört zu haben und sagte nur: „Wie bitte?“. Daraufhin legte er nach und sagte: „Wer sagt mir, dass Sie die Karten nicht selber hergestellt haben. Ich kann kein Ungarisch und verstehe nicht, was da draufsteht“. Nun war ich kurz davor, mich zu vergessen, blieb aber noch freundlich und sagte: „Mein Herr, was Sie in Ihren Kreisen wie herzustellen in der Lage sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich jedenfalls käme nicht einmal auf den Gedanken, ein offizielles Dokument, noch dazu meiner Wahlheimat zu fälschen. Was erlauben Sie sich? Sie wissen wohl, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie mir eine Straftat unterstellen?“
Er sagte mir, die Airline habe das Recht, jeden Passagier ohne Nennung von Gründen abzulehnen, woraufhin ich ihm entgegnete, dass er dies nur tun solle, dann aber mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe, da ich eine solche Beleidigung meiner Person nicht einfach so hinnehmen werde. Ich verlangte nach einem Beamten der Grenzpolizei, der sich der Prüfung der Echtheit meiner Dokumente annehmen sollte.
Damit war das Problem dann schnell vom Tisch, oder?
Das dachte ich anfangs auch, sollte aber schnell eines Besseren belehrt werden, denn dieser Mensch fragte mich, ob ich denn überhaupt ein Visum für Ungarn hätte. Viel hatte ich erwartet, aber eine derartige Inkompetenz nicht. Ich versuchte dem Herrn mit dem Vorzeigen meines Passes zu erklären, dass auf den Reisepässen oben zuerst Europäische Union und erst darunter Bundesrepublik Deutschland stehen würde und man in keinem EU-Land ein Visum benötigen würde. Meine Erklärungen interessierten ihn jedoch nicht die feuchte Bohne. Er gab weiter irgendwelche haarsträubenden Falschinformationen zum Besten. Dann legte er mir ein die Einreisebestimmungen betreffendes Schreiben der Pressechefin des Budapester Flughafens vor, dass zu meinem Pech die fehlerhafte Formulierung „nur ungarische Staatsbürger“ beinhaltete.
Ich sagte sofort, dass das Schreiben einer Pressechefin rechtlich überhaupt nicht bindend sei, sondern allein der von der ungarischen Regierung verfasste Gesetzestext Rechtskraft besäße. Außerdem bat ich, meine beiden ungarischen Karten von den Budapester Behörden direkt prüfen zu lassen, was er dann auch tat.
Wohlwissend, dass der Check-in-Schalter in Kürze geschlossen würde, ging er gemächlichen Schrittes nach oben in sein Büro und kam ebenso entspannt wieder zum Schalter herunter, natürlich nachdem der Ryanair-Mitarbeiter den Flug geschlossen hatte. Er bemerkte noch frech, ich sei ja zu spät gekommen, was eine glatte Lüge war. Ein hinzugezogener Polizeibeamter meinte, auch er könne nicht feststellen, ob die ungarischen Karten echt seien. „Wie eine Fälschung sehen sie eigentlich nicht aus“, bemerkte er immerhin gelassen.
Ihr Flieger war aber weg. Wie ging es für Sie weiter?
Ich ging dann hoch zum Polizeibüro, wo mittlerweile ein anderer sehr netter Beamter saß, der sich meine Karten kopierte und sie für die Beamten der Spätschicht zurechtlegte. Er bat mich, vor dem Abflug der nächsten Budapest-Maschine am Abend noch mal vorbeizuschauen, um die Angelegenheit zu klären. Er war wirklich sehr hilfsbereit und freundlich.
Hatten Sie denn den Abendflug schon gebucht?
Das tat ich gleich nach Verlassen des Polizeibüros. Ich dachte mir, es sei wohl ratsam, mich gleich bei WizzAir vorzustellen, um dort zu fragen, ob man meine Dokumente akzeptiere. Die Mitarbeiterin, eine unglaublich freundliche und zuvorkommende junge Dame, hörte sich alles aufmerksam an und meinte dann, dass ich wohl einer der ersten deutschen Staatsangehörigen mit diesen Karten sei, die nach der ungarischen Grenzschließung eine Einreise nach Ungarn begehrten, da man diese Dokumente bisher noch nicht gesehen habe. Sie nahm meine Karten und mailte eine Kopie zur Prüfung an den Budapester Flughafen. Nach vier Stunden kam dann eine Antwort und meine Einreise wurde gestattet.
Da waren Sie sicher erleichtert….
Ja, sicher. Ich war ja seit früh um 7 Uhr auf den Beinen und musste viele Stunden inmitten der durch die Corona-Situation panischen Menschen auf dem Flughafen ausharren. Immer auf der Hut, nicht etwa angehustet zu werden oder so.
Hatten Sie dann einen guten Flug?
Es war etwas gespenstisch, denn wir waren nur etwa 10 bis 15 Personen in der Maschine. Ich traf noch einen guten Freund, der mit einer Sondergenehmigung einreisen durfte und sogar das Glück hatte, nicht in Quarantäne gehen zu müssen, was mir sogleich nach der Ankunft für 14 Tage verordnet wurde. Das war aber kein Problem für mich, da ich schon damit gerechnet hatte.
In Budapest angekommen wurde Fieber gemessen, bei mir eine Temperatur von 36,6 Grad, ich war und bin völlig gesund. Die ungarischen Behörden waren unglaublich nett und freundlich und ich war selten so dankbar, endlich wieder zu Hause zu sein.
Eine unangenehme Sache war freilich das rote Schild, das ich an meine Wohnungstüre heften sollte: „Vorsicht – Betreten verboten. Lebensgefahr“. Ich dachte mir, beim nächsten Todesfall im Hause würde man sicher mir die Schuld in die Schuhe schieben, obwohl ich weder Corona-positiv bin, noch irgendwelche Grippesymptome habe.
Täglich kam netter Besuch von der Behörde. Vor ein paar Tagen erkundigte sich sogar der sehr freundliche Vizebürgermeister des 1. Bezirks, Ferenc Gelencsér, persönlich nach meinem Wohlbefinden und fragte mich, ob ich irgendetwas bräuchte. Man würde mir alles liefern. Das hat mich wirklich sehr gerührt und gefreut.
Haben Sie von ähnlichen Fällen bei der Einreise nach Ungarn gehört?
Ein deutscher Bekannter, der seit Jahren in Budapest lebt und mit einer Ungarin verheiratet ist, kam erst vergangenen Mittwoch aus Frankfurt zurück und bekam vorher telefonisch die unterschiedlichsten Auskünfte. Angeblich reichen die beiden Karten nicht mehr aus, er solle auch seine Heiratsurkunde mitführen. Bei seiner Einreise wurde dann alles kontrolliert und er bekam gesagt, die Grenzbeamtin müsse erst ihren Chef fragen, ob das in Ordnung sei.
Nachdem er das Okay bekam, durfte er einreisen. Bei keinem einzigen Passagier der drei Viertel vollen Maschine aus Frankfurt wurden übrigens Fiebermessungen vorgenommen und keiner bekam Quarantäne verordnet. Das verstehe, wer will! Ich kann es nicht.
Einen anderen Fall bekam ich von einer Ungarin mit deutschem Pass zu hören, die aus England zurückkehrte und mit der Wohnadressenkarte einreisen wollte. Zunächst wurde ihr in Budapest von einer Grenzpolizistin die Einreise verweigert. Sie ging dann zu einem anderen Beamten, der ihr die Einreise gestattete. Das alles kann doch nicht so sein! Recht und Gesetz müssen eingehalten und dürfen nicht von jedem Grenzbeamten willkürlich individuell interpretiert werden können!
Wie könnten Ihre Erfahrungen anderen Reisenden erspart bleiben?
Ganz einfach, indem allen betroffenen Stellen von offizieller ungarischer Seite, also nicht von irgendeiner PR-Verantwortlichen, die entsprechende korrekte Passage aus dem Gesetz nebst Übersetzung ins Englische zugesandt wird. Hilfreich wäre, dieses Schreiben zudem mit einem Foto der beiden erwähnten Karten zu ergänzen. Langfristig wäre es aber sicher überlegenswert, für die Dokumente eine fälschungssichere Lösung zu finden, die nicht zuletzt auch weniger informierten Beamten einen gewissen Respekt abnötigt. Schließlich wäre es mit Blick auf den jetzt notwendigen internationalen Einsatz dieser Karten sinnvoll, zumindest die Registrationsbescheinigung für EWR-Bürger zweisprachig zu gestalten, also Ungarisch und Englisch.
Ihre Liebe zu Ungarn hat durch dieses unangenehme Erlebnis aber hoffentlich nicht gelitten, oder?
Ich liebe dieses wunderbare Land mit seinen Menschen und bin dankbar, hier meine Wahlheimat gefunden zu haben. Niemals werde ich vergessen, was Ungarn 1989 für meine deutschen Landsleute getan hat, als es die Grenzen öffnete und ihnen dadurch den Weg in die Freiheit ermöglichte. Diese edle und großartige Tat wird nicht nur in die Geschichte eingehen, sondern vor allem in die Herzen späterer Generationen für ewig und alle Zeiten eingegraben sein. Es hat unsere Völker zu Brudervölkern gemacht und unzertrennlich miteinander verbunden. Allein deshalb ist es für uns deutsche Wahlungarn so besonders wichtig dazuzugehören, denn wir fühlen uns hier nicht als Ausländer, sondern als Mitbürger.
Gott schütze Ungarn!