Gespräch mit dem Schweizer Bildhauer Urs Albert Anton Stöckli
Frieden, Freundschaft und freie Gedanken
In Ihrer Selbstbeschreibung bezeichnen Sie sich als experimentellen Künstler und Reisenden in jeder Hinsicht. Wo hat Ihre Reise als Künstler begonnen und wohin führt sie?
Ich bin in der Zentralschweiz aufgewachsen und habe an den Kunstgewerbeschulen in Luzern und Zürich studiert. Mein künstlerisches Schaffen begründete ich zuerst in der Druckindustrie, später in der Werbegrafik, im Messebau und im Grafik-Design als Marketing-Koordinator. Im Alter von 37 Jahren entschied ich mich, mich voll und ganz meiner Berufung als Kunstschaffender zu widmen. Seit 1997 bin ich als solcher international unterwegs.
Damals nahm ich mir vor, mich neben meiner künstlerischen Tätigkeit mit Gleichgesinnten zu vernetzen, mich persönlich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Ein eigenes Holzbildhauersymposium zu organisieren, war zunächst eine spontane Idee. Durch persönliche Kontakte und über die sozialen Medien kenne ich mittlerweile viele Bildhauer aus der ganzen Welt. Wir stehen in regem Kontakt, unterstützen uns bei gemeinsamen Ausstellungen oder neuen Projekten und pflegen einen freundschaftlichen Umgang.
In Somogymeggyes habe ich ein Grundstück mit zwei kleinen Häusern und Land für einen Skulpturenpark erworben. Die Vision, gemeinsam mit Bildhauern einen Ort der Kraft zu schaffen, wollte ich unbedingt verwirklichen. Mit viel Herzblut und Engagement gelang es mir schließlich, im vergangenen Jahr das erste Holzbildhauersymposium zu organisieren.
Wer kann daran teilnehmen?
Die Kunstschaffenden wähle ich aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt aus. Ich selbst arbeite sowohl abstrakt als auch figurativ, oder kombiniere beide Stilrichtungen miteinander. Es war und ist mir ein Anliegen, Künstler aktiv miteinander zu vernetzen. Es ist sehr spannend, während des Symposiums gemeinsam, nebeneinander Werke aus den Holzrohlingen entstehen zu lassen – mitzuerleben, wie sich die Bildhauer kreativ entfalten und eine Harmonie sowie eine Gruppendynamik entsteht.
Mich mit Hingabe auf diesen Prozess einzulassen, ist mein ständiger Antrieb. Mich intuitiv auf das Rohmaterial einzulassen, im Fluss mit dem Werkstück zu sein, in ständiger Bewegung, gibt meinem Schaffen eine wunderbare Eigendynamik. In dieser Bewegung alle Sinne wach zu halten, um Kunst zu schaffen, ist wie loslassen – sich befreien.
Das erste Symposium war für mich die Nagelprobe, ob ich diesen Weg weitergehen werde. Die Erwartungen wurden jedoch bei weitem übertroffen. Die teilnehmenden Künstler wuchsen mir ans Herz, und es entstanden daraus persönliche Freundschaften, welche ich auch in Zukunft weiterpflegen werde. Wir haben neben der Arbeit viel miteinander gelacht, philosophiert, über weitere Pläne und laufende Vorhaben gesprochen, welche nach Möglichkeit auch gemeinsam durchgeführt werden könnten.
Angebote über gegenseitige Besuche im jeweiligen Heimatland gehören auch dazu. Beim letzten Symposium waren bei mir zu Gast: Jolanta Switajski aus Polen, Vladyslav Volosenko aus der Ukraine, Martin Bill und Anatol Stäheli aus der Schweiz sowie Özlem Yilmaz aus der Türkei.
Sie selbst nehmen am Symposium sowohl als Organisator als auch als mitwirkender Künstler teil. Wie verbinden Sie beides?
Ich plante Schritt für Schritt, kreative Menschen an einen Ort zu laden, welcher einen freien Austausch unter den Künstlern gewährleistet. Die Planung fiel mir mit meiner Berufserfahrung und früherer Tätigkeit im Messebau und Marketing nicht schwer. Innerhalb weniger Wochen hatte ich im letzten Jahr das erste Symposium von der Idee bis zur Durchführung durchgedacht und umgesetzt. Sodann wurde eine Künstlergruppe gebildet und interessierte Teilnehmer eingeladen.
Der andere Teil war die Finanzierung, die ich aus meinen privaten Mitteln bestritten habe. Ich würde mich aber natürlich freuen, wenn ich in Zukunft auch Sponsoren bekommen würde. Natürlich ist eine kontinuierliche Unterstützung bis zum Start der Veranstaltung mit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden.
Wie fühlt es sich an, vor einem Stamm zu stehen, um mit seiner Idee zu starten?
Es ist ein unglaublich gutes Gefühl, seine Vorstellungen in eine Form zu bringen. Sich unbelastet in den Stamm zu bewegen, konzentriert und frei. Sich untereinander zu motivieren und voneinander zu lernen, wie der einzelne Künstler seine Formen auf individuelle Art freilegt, kommt einer Reise gleich.
Einige gehen von einer Skizze oder einem massstabsgetreuen Modell aus. Meine Vorgehensweise beinhaltet meist eine Grobskizze, die mir erlaubt, mich während des Schaffens wie in einer Art Tunnel ohne feste Vorgabe zu bewegen. Die Stämme sind alle mindestens zwei Meter hoch und haben einen Durchmesser von 40 bis 70 Zentimetern.
Woher beziehen Sie das Holz?
In Ungarn ist es schwierig, passendes Holz für großformatige Skulpturen zu finden. Ich hatte aber das Glück, dass bei uns im Dorf eine große Ulme einem Sturm zum Opfer gefallen war. Diese wurde mir vom Bürgermeister kostenlos überlassen und sogar angeliefert. Im Gegenzug habe ich der Gemeinde eine Skulptur gewidmet, die jetzt im Park unseres Ortes steht. Der Ulme unseres Ortes wurde also durch meine Kunst ein neues Leben geschenkt. Auf diese Weise konnte ich auch meine Wertschätzung und Dankbarkeit gegenüber der Dorfgemeinde und meinem Gastland auf eine mir entsprechende Weise ausdrücken.
Was geschieht mit den Werken der Teilnehmer an einem Symposium?
Die Künstler haben die Möglichkeit, ihre Skulpturen während der Veranstaltung zu verkaufen, ohne dem Veranstalter eine Provision zahlen zu müssen. Es steht jedem frei, sein Werk mit nach Hause zu nehmen oder es, wie im letzten Jahr, in den Skulpturenpark zu integrieren.
So entsteht ein Skulpturenpark für die Öffentlichkeit, der Jahr für Jahr wächst. Ein Ort für Kunstinteressierte, die in der freien Natur die Kreativität von weltweit aktiven Bildhauern kennenlernen wollen. Eine Symbiose zwischen dem Betrachter und dem Künstler schafft Verbindungen in eine wertfreie Welt, steht für Frieden, Freundschaft und freie Gedanken.
Mir ist es sehr wichtig, dass sowohl die Künstler als auch die Gäste eine familiäre Atmosphäre antreffen und sich willkommen fühlen. Da die Besuchstage wie ein freies Atelier gestaltet sind, sollen auch Menschen angesprochen werden, die sich vielleicht nicht in eine Kunstgalerie trauen, weil sie möglicherweise die Vorstellung belastet, etwas kaufen zu müssen.
Wie geht es mit Ihren Symposien weiter?
Für das kommende Jahr haben mir schon jetzt einige Künstler ihre Teilnahme zugesagt. Die definitiven Planungen laufen dann über die Winterpause.
Welche Pläne haben Sie noch?
Ich baue gerne an elektromotorbetriebenen Rauminstallationen, die sich mit wenig Kraftaufwand bewegen. Die zwei weltberühmten und leider verstorbenen Schweizer Eisenplastiker Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl haben mich dabei inspiriert und persönlich motiviert, dieses Vorhaben umzusetzen.
Vielleicht finde ich in Ungarn ein stillgelegtes Fabrikgebäude, in dem ich einen Eventpark für die Öffentlichkeit schaffen könnte. Meine Idee wäre, zwischen 30 und 50 elektromotorbetriebene Installationen aus Alteisen, Holz und anderen Materialien zu bauen. Bei diesen Arbeitsprozessen wird das Kind in mir geweckt. Dieses neue Genre würde mir sehr großen Spaß bereiten.
Arbeiten Sie schon jetzt auch anderen Materialien als mit Holz?
2018 wurde ich von meinem Freund Thomas Reichstein, einem Bildhauer aus Dresden, nach Thailand eingeladen. In Ban Pong, etwa zwei Stunden von Bangkok entfernt, befindet sich eine Kunstgießerei mit rund 300 Angestellten. Da habe ich zwei Monate lang 15 Messing- und Bronzeskulpturen geschaffen.
Die Herstellung von Metallskulpturen verläuft, vereinfacht gesagt, in umgekehrten Schritten zu den Holzarbeiten. Beim Metallguss beginnt der Akteur mit Lehm, welcher Schicht für Schicht aufgetragen wird. Dies geschieht solange, bis das gewünschte Endergebnis erreicht wird. Daraus wird dann ein Negativ abgeformt, aus dem dann ein Positiv gegossen wird.
Bei Ton- oder Lehmarbeiten empfinde ich ein tiefes, erdiges und gefühlsbetontes Kreieren von Formen, welche mich durch beide Hände bis in die Fingerspitzen mit dem Rohmaterial verbinden und eine Einheit bilden. Bei der Holzbearbeitung wird das Material schrittweise vom Rohling abgetragen. Gearbeitet wird mit Kettensäge, Klöppel und Meißel, Schleifmaschine und Raspel. Alternativ kombiniere ich beide Materialien in ein Kunstwerk. Mich faszinieren beide Arten von Materialien und beide Prozesse, um Kunst zu schaffen.
Wann genau findet Ihr nächstes Symposium statt? Steht es auch Zuschauern offen?
Das Symposium kann vom 14. bis zum 17. August täglich von 13 bis 17 Uhr besucht werden. Wir alle freuen uns über interessierte Gäste, die bei freiem Eintritt herzlich eingeladen sind.
Welche Künstler werden dieses Jahr dabei sein?
Heinrich Schorno (Schweiz/Ungarn), Paolo Frattari (Italien), Dávid Ferenc (Ungarn), Martin Hoffmann (Deutschland/Ungarn) und Daniel Rickenbacher (Schweiz). Die Besucher haben die Möglichkeit, sich mit den Künstlern persönlich auszutauschen und natürlich auch über einen Kauf oder Auftrag zu verhandeln.
Wie kann man Sie kontaktieren?
Da ich abwechslungsweise in Ungarn und der Schweiz wohne und arbeite, bitte ich Interessenten, mich am besten per E-Mail oder telefonisch zu kontaktieren. Auf meiner Webseite können Sie sich über mein Schaffen und das aktuelle Holzbildhauer-Symposium in Somogymeggyes informieren. In der Schweiz kann man zwischen Wuppenau und Hosenruck meinen Skulpturenweg mit zwanzig Werken besuchen. Dieser ist permanent geöffnet.