„Es hätte nur einen Redakteur gebraucht, der eine Gegenrecherche startet – und die Sache wäre geplatzt.“ Fotos: BZ/ Theo Mainka

Gespräch mit dem Staatsrechtler und Publizisten Ulrich Vosgerau

Einstürzende Luftschlösser

Im September war Ulrich Vosgerau zu Gast beim MCC. Kurz vor seinem Vortrag über „Deutschlands Entwicklung im 21. Jahrhundert“ sprachen wir mit ihm über seine Erfahrungen mit den deutschen Massenmedien, die Zukunft des bürgerlichen Lagers und die Entkoppelung des deutschen Mainstreams von der Wirklichkeit.

Sie haben das „Wannseekonferenz-2.0-Narrativ“ von Correctiv zerstört. Sie vertreten Mandanten wie Björn Höcke und das Compact-Magazin und sind jetzt sogar Referent beim „verfemten“ MCC. Sie lassen nichts aus, um sich beim deutschen Main­stream „beliebt“ zu machen!

In der Potsdam-Sache, dem bestimmenden Medien-Thema des Jahres 2024, bin ich ohne meinen Willen und eher zufällig zum Gesicht des Potsdamer Treffens geworden. In den Rechtsfällen Björn Höcke und Compact Magazin GmbH bin ich als Rechtsanwalt tätig, das ist ganz einfach meine Arbeit. Es geht hier also nicht um politischen Aktivismus. Der freundlichen Einladung des MCC bin ich gerne gefolgt. Neben meiner Eigenschaft als Rechtsanwalt habe ich ja auch eine wissenschaftliche Vergangenheit. Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Budapest zunehmend zu einem Vernetzungsort für deutsche Wissenschaftler wird, die ein wenig über den Tellerrand hinausblicken wollen und sich freier unterhalten möchten, als es derzeit in Deutschland möglich ist.

Sie haben immens viel Zeit, Geld und sicher auch Nerven in die korrekte mediale Wiedergabe der Potsdamer Vortragsveranstaltung investiert. Trotzdem ist das frei erfundene Correctiv-Narrativ von der Massendeportation deutscher Staatsbürger nach wie vor quicklebendig.

Unser Vorgehen gegen die Correctiv GmbH sowie gegen zahlreiche öffentlich-rechtliche Sendeanstalten und sonstige Medien war aus meiner Sicht ein voller Erfolg. Zumindest in dem Maße, wie es das unter den gegebenen Umständen überhaupt sein kann. Deutlich zu merken ist, dass die Medien ihre Berichterstattung inzwischen angepasst haben. Die Sache ist zu einer gewaltigen Pleite für Correctiv geworden.

„Unser Vorgehen gegen die Correctiv GmbH sowie gegen zahlreiche öffentlich-rechtliche Sendeanstalten und sonstige Medien war aus meiner Sicht ein voller Erfolg.“

Man denke nur an den Verriss der Potsdam-Geschichte im eher linken Fachportal Über Medien. Endgültiger Wendepunkt war der große Artikel in der Zeit im Januar dieses Jahres, zum ersten Jahrestag der Correctiv-Geschichte. Die Glaubwürdigkeit von Correctiv hat erheblich gelitten. Wobei man ja immer sagen muss: die haben nach einem halben bzw. einem Jahr auch nichts geschrieben, als was andere Medien – u.a. die Junge Freiheit, Tichys Einblick und NiUS, aber auch Cicero, bereits nach drei Tagen wussten, und die Berliner Zeitung und die Welt dann nach wenigen Wochen. Aber sobald eben auch dezidiert linke Medien sagten, dass an der vermeintlichen „Recherche“, die ja in Wahrheit nur ein fiktives Theaterstück ist, nichts dran war, war es gewissermaßen „amtlich“.

Wie dem auch sei: Die Mainstream-­Medien sind, was die Zusammenarbeit mit Correctiv angeht, sehr vorsichtig geworden. Natürlich wird das nicht öffentlich bekanntgegeben, aber es fällt eben auf, dass Correctiv in der letzten Zeit gleich mehrere neue Medien-Geschichten aus der Serie „Kampf gegen Rechts“ zu lancieren versucht hat, die vom Mainstream gar nicht mehr aufgegriffen worden sind. Correctiv verhallt inzwischen. Andererseits haben die Öffentlich-Rechtlichen nie darüber berichtet, dass sie auf meine Anträge hin zur Unterlassung mehrerer Tatsachenbehauptungen verurteilt worden sind. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie darüber nicht begeistert waren. Daran geben sie jetzt natürlich auch Correctiv die Schuld.

Dabei steckten diese Medien möglicherweise mit Correctiv unter einer Decke!

Dieser Eindruck drängt sich einem auf. Nicht zuletzt wegen der zeitgleichen Veröffentlichung, der Intensität und der von allen beteiligten Medien unterlassenen journalistischen Prüfung. Es fällt auf, wie kritiklos sich insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten verhalten haben – zumal sie das Thema etwa fünf Wochen lang täglich in den Nachrichten behandelt haben. Es gab keinerlei Nachrecherche. Im Grunde hätte ja nur ein Redakteur des öffentlich-rechtlichen Fernsehens den zugrunde liegenden Text analysieren müssen, um festzustellen, dass darin streng genommen keine im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe relevanten Tatsachen stehen. Die Tatsachen, die drinstehen und eindeutig sind, betreffen allenfalls Banalitäten. An diese Tatsachen werden dann jedoch mehrstufige Spekulations- und Assoziationskaskaden geknüpft. Richtig ist aber auch, dass die Redakteure beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen unter Umständen gar nicht „gebrieft“ zu werden brauchten, da sie ohnehin Überzeugungstäter sind. Dennoch hätte es nur einen Redakteur gebraucht, der eine Gegenrecherche startet – und die Sache wäre geplatzt. Dass das überall unterblieb, ist ein Indiz dafür, dass die Aktion konzertiert war.

Das Ganze ist auch ein Supergau des Journalismus! Wurden in den betroffenen Redaktionen inzwischen personelle und rechtliche Konsequenzen gezogen?

Ich habe nichts dergleichen gehört. Nicht einmal bezüglich der inhaltlichen Darstellung ist etwas geschehen. Der erste Schritt, der wirklich von der Fairness geboten wäre, wäre ja, dass die betroffenen Sendeanstalten in den gleichen Nachrichtensendungen, in denen sie zuvor groß über die Sache berichtet und unhaltbare Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben, nun berichten würden, dass ebendiese Tatsachenbehauptungen jetzt aufgrund von Gerichtsbeschlüssen nicht mehr wiederholt werden dürfen. Das ist jedoch nicht geschehen. Man kann lediglich erkennen, dass die Sendeanstalten die Gerichtsbeschlüsse zur Kenntnis nehmen und ihre Äußerungspolitik entsprechend anpassen. Dass aber Verantwortliche ihren Hut nehmen mussten, davon habe ich schon gar nichts gehört.

Eine ähnliche Geschichte könnte sich also jederzeit wiederholen?

Ja, aber wahrscheinlich nicht auf Initiative von Correctiv, weil die jetzt ein gutes Stück weit verbrannt sind. Correctiv würde das jetzt kein zweites Mal hinbekommen. Es gibt jedoch zahlreiche weitere strukturell und politisch vergleichbare Organisationen in Deutschland. Es lässt tief blicken, dass sich wesentliche Leitnarrative des politischen Diskurses inzwischen auf Ereignisse beziehen, die sich so nie zugetragen haben. Denken wir nur an die Geschichte von den „Chemnitzer Hetzjagden“, die ja ebenfalls frei erfunden war, um von dem tatsächlichen Sachverhalt, nämlich dem Raubmord durch einen Asylbewerber, abzulenken.

Inzwischen ist es übrigens überflüssig geworden, überhaupt eine vermeintliche Reaktion des aufgebrachten Pöbels zu erfinden, um von der realen Tat eines Ausländers oder Asylbewerbers abzulenken. Nach Straftaten durch Asylbewerber gibt es inzwischen auch ohne erfundene Umleitung die gewünschten „Demos gegen Rechts“. Diese richten sich „auf Vorrat“ dagegen, jemand – also die Opposition – könne die Bluttat am Ende noch „instrumentalisieren“, um auf die Berechtigung ihrer Einwanderungskritik hinzuweisen.

Mit Ihren Klagen haben Sie den Drahtziehern der Kampagne gehörig in die Suppe gespuckt. Bekommen Sie „Gegenwind“?

Was mein Sicherheitskonzept, mögliche Bedrohungslagen und die dagegen ergriffenen und eingeleiteten Maßnahmen angeht, da bitte ich um Verständnis dafür, dass dies selbstverständlich strengster Geheimhaltung unterliegt. Dafür ist vor allem das Landeskriminalamt Berlin zuständig. Das macht einen sehr guten Job.

Im Landtag Nordrhein-Westfalen, in dem ich sachverständiges Mitglied der Corona-Enquête-Kommission war, wurde extra die Geschäftsordnung geändert, um mich aus dieser Kommission ausschließen zu können. Das geschah in der ersten Jahreshälfte 2024, als die Hysterie noch in vollem Gange war. Das ist jetzt keine Katastrophe. Die Bezahlung für diese Tätigkeit ist nicht besonders gut, dafür ist sie aber mit einiger Arbeit verbunden. Inzwischen bin ich übrigens wieder ordentliches, sachverständiges Mitglied in der entsprechenden Corona-Enquête-Kommission des Landes Thüringen.

Was mich jedoch sehr geschmerzt hat – hier gehe ich nicht ins Detail, da es sich um offene Rechtsfragen handelt, die noch geklärt werden müssen –, ist, dass es bereits im Januar 2024 eine Initiative gab, mich aus der Staatsrechtslehrervereinigung auszuschließen. Das war natürlich schnell vom Tisch, ein hanebüchenes Vorhaben! Stattdessen gab es dann aber eine hinter den Kulissen lancierte Intrige mit dem Ziel, auf der Mitgliederversammlung der Staatsrechtslehrervereinigung einen „Mißbilligungsantrag“ gegen mich zu beschließen.

„Die Absicht von Correctiv war eindeutig: Durch ihre Konstruktion wollten sie ein AfD-Verbot herbeiführen oder zumindest wahrscheinlicher machen.“

Was war die Absicht der Correctiv-Kampagne?

Die Absicht von Correctiv war eindeutig: Durch ihre Konstruktion wollten sie ein AfD-Verbot herbeiführen oder zumindest wahrscheinlicher machen. Das war jedoch von Anfang an eine völlig schiefe Kalkulation, die so nie aufgehen konnte. Unter den Teilnehmern befanden sich lediglich drei AfD-Mitglieder, und das auch nur als Gäste, also nicht etwa als Referenten: eine Bundestagsabgeordnete, ein Landtagsabgeordneter und ein Parteimitarbeiter. Alle selbstverständlich als Privatleute in einer rein privaten Runde von Selbständigen.

Wie erklären Sie sich den Fanatismus der etablierten Parteien bei ihrem Bestreben, die AfD zu verbieten? Haben diese jegliche Hoffnung begraben, die AfD, wie ursprünglich geplant, „inhaltlich zu stellen”?

In Deutschland gibt es seit ein paar Jahren ein merkwürdiges Phänomen: Politiker bringen sprachliche Wendungen und Metaphern in Umlauf, die es so eigentlich gar nicht gibt, und wiederholen sie dann immer wieder. Ein Beispiel ist die Wendung „sich einen schlanken Fuß machen”, die offenbar bedeutet, sich seiner Verantwortung zu entziehen oder keine wahrheitsgemäßen Antworten auf gestellte Fragen zu geben. Ein anderes Beispiel ist „jemanden hinter die Fichte führen“, was offenbar „jemanden täuschen oder betrügen“ bedeutet.

In diese Kategorie fällt auch die ständig wiederholte Ankündigung, die AfD „inhaltlich zu stellen“. Da es diese Wendung in der Standardsprache nicht gibt, weiß eigentlich niemand so recht, was damit konkret gemeint ist. Möglicherweise bedeutet sie, nachzuweisen, dass die Vorschläge der AfD, etwa in der Migrationspolitik oder bezüglich der inneren Sicherheit, unsinnig und untauglich sind, sodass die reale Staatspraxis somit goldrichtig und „alternativlos“ ist. Einen solchen Nachweis zu erbringen, ist angesichts der schwerwiegenden Probleme Deutschlands natürlich keine leichte Aufgabe, wenn nicht gar eine aussichtslose.

Mit einem Verbot der AfD könnten sich die etablierten Parteien diese mühselige Arbeit einfach sparen …

Ja, absolut! Ein Parteiverbot gegen eine vergleichsweise neue, äußerst erfolgreiche Partei, die ihren Konkurrenten verhasst ist, wird aber auch ganz einfach deswegen ins Auge gefasst, weil es diese Möglichkeit im deutschen Verfassungsrecht überhaupt gibt. Das ist alles andere als selbstverständlich. Normalerweise entscheiden in einer westlichen Demokratie allein die Wähler über das Schicksal einer Partei.

Die enorme Schärfe der derzeitigen politischen Auseinandersetzungen in Deutschland rührt auch daher, dass es nicht nur Probleme gibt, deren Lösung unter den Parteien strittig ist. Sondern: Eigentlich müsste Deutschland überhaupt keine nennenswerten Probleme haben. Alle größeren politischen Probleme von heute – die „Völkerwanderung“ in unsere Sozialsysteme, der Niedergang des Bildungssystems, die Deindustrialisierung Deutschlands infolge der „Energiewende“, die Abschaffung eines hervorragend funktionierenden Energiesystems und leider noch viele mehr – wurden durch von gesinnungsethischen und utopischen Ideologien getriebene Politiker verursacht.

Auch die Politiker der CDU/CSU haben dabei intensiv mitgemacht. Sie haben die Überzeugungen der Grünen übernommen, da sie nur so die Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erlangen können. Die AfD hält sich jedoch nicht an diesen Konsens der etablierten Parteien. Im Gegenteil: Sie spricht sämtliche Probleme des Landes offen an und zeigt praktikable Lösungsansätze auf. Im Grunde wissen selbst die Politiker der etablierten Parteien, dass die AfD bei den meisten Dingen Recht hat. Sie möchten ihren Wählern jedoch ungern erklären, dass sie seit mindestens 15 Jahren nahezu alles falsch gemacht haben und ihre Entscheidungen nun rückgängig gemacht werden müssen. Ein Verbot der AfD erscheint ihnen da deutlich risikoärmer.

Wie bewerten Sie die Aussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens?

Im Rahmen des Grundsatzes der wehrhaften Demokratie ist die Möglichkeit von Parteiverboten im Grundgesetz grundsätzlich vorgesehen. Das ist eine Besonderheit, durch die sich die Bundesrepublik von echten westlichen Demokratien unterscheidet. Normalerweise gibt es in einer westlichen, liberalen Demokratie nämlich keinen Oberschiedsrichter über den demokratischen Prozess; das Schicksal politischer Parteien wird ausschließlich durch die Wähler entschieden.

Nach herkömmlichen Maßstäben müsste sich die AfD bezüglich eines Parteiverbots jedoch keine Sorgen machen, denn eine Partei kann nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden – und das natürlich nicht entlang irgendwelcher willkürlicher Kriterien. Verboten werden könnte nur eine Partei, die den innersten Wesenskern des Grundgesetzes „aktiv und kämpferisch“ abzuschaffen sucht.

Die AfD müsste ein Parteiverbot also allenfalls dann fürchten, wenn sie die Abschaffung der Demokratie aktiv und kämpferisch proklamieren würde. All das tut die AfD aber nicht. Ganz im Gegenteil: Sie tritt beispielsweise für eine Ausweitung von Volksabstimmungen auf Bundesebene ein. Das heißt, sie ist sogar für eine Vertiefung des Demokratieprinzips. Allerdings ist auch zu erkennen, dass die Voraussetzungen für ein Parteienverbot bereits seit Jahren nicht mehr nur von Juristen, sondern zunehmend auch von staatlich finanzierten NGOs öffentlich umgedeutet werden.

So wird die Rechtsauffassung propagiert, dass ein Bürger, der sich dezidiert und unmissverständlich beispielsweise gegen die Einwanderung in den Sozialstaat äußert, dadurch vermeintlich zum „Verfassungsfeind“ würde, weil er angeblich die Menschenwürde von Asylbewerbern infrage stellt. Das ist freilich Unsinn, weil die Menschenwürdegarantie sich ausschließlich an den Staat richtet und nicht einen Moralkatechismus für Bürger bei der Ausübung der Meinungsfreiheit darstellt.

Man gewinnt inzwischen nicht selten den Eindruck, dass sich das Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland in zunehmender Auflösung befindet. Das erschwert Voraussagen unter Rückgriff auf bislang anerkannte verfassungsrechtliche Standards.

Wenn jedoch rechtsstaatlich sauber vorgegangen würde, dann müsste sich die AfD keine Sorgen machen?

So ist es.

Warum schiebt die Union der ganzen Verbotsdebatte dann nicht einfach klar und deutlich den Riegel vor?

Es ist geradezu offensichtlich, dass die CDU ein existenzielles Interesse daran hat, dass die AfD nicht verboten wird. Denn wenn die AfD verboten würde, dann hätte die CDU in praktisch keinem Parlament mehr die Mehrheit, sondern stünde einem stärkeren Linksblock gegenüber. An dem Tag, an dem die AfD verboten würde und ihre Abgeordneten ihre Mandate verlieren würden, wäre auch Friedrich Merz nicht mehr Bundeskanzler. Die SPD bräuchte die Union nicht mehr, sie hätte mit Grünen und Linken eine „eigene“, linke Mehrheit. Und, überdies: die marginalisierte CDU würde dann, als nunmehr „rechteste“ Partei, zum neuen Feindbild der sogenannten Zivilgesellschaft, also der ganzen staatlich finanzierten NGOs. Die würden vermutlich schon nach ein paar Tagen behaupten, dass jedenfalls Teile der CDU und CSU genauso „verfassungsfeindlich“ seien wie zuvor die AfD.

„Es ist geradezu offensichtlich, dass die CDU ein existenzielles Interesse daran hat, dass die AfD nicht verboten wird. “

Warum verhält sich die Union in dieser Frage dann so wankelmütig? Welcher Plan steht dahinter?

Es gibt keinen Plan. Es wäre schön, wenn unsere Politiker einmal planvoller vorgehen würden. Das tun sie erfahrungsgemäß aber nicht. Es gibt auch nicht „die“ CDU, sondern nur CDU-Politiker mit verschiedenen Funktionen. Sie alle hoffen, dass sie nicht von ihren Konkurrenten oder den Medien aus dem Spiel genommen werden, sondern sich noch ein wenig halten können.

Manche Leute denken, dass in diesem parlamentarischen System immer nur vier Jahre im Voraus gedacht wird. Aber das stimmt nicht. Kaum ein Politiker denkt vier Jahre im Voraus. Die Regel ist, dass sie eher die nächsten 14 Tage im Blick haben. Wenn der Zeithorizont aber nur etwa zwei Wochen beträgt, dann denkt ein Politiker natürlich auch nicht darüber nach, was in dieser kurzen Zeitspanne in Deutschland passieren sollte. Vielmehr denken sie darüber nach, wie sie in diesen beiden Wochen vermeiden können, Opfer einer Intrige oder einer Medienkampagne zu werden. Ein probates Mittel dagegen ist, nicht als „Rechter“ aufzufallen. Genau deswegen wagt sich natürlich kaum jemand aus der Deckung. Keiner will der Erste sein, etwa indem er klar und deutlich der einer Demokratie unwürdigen Debatte um das Verbot der stärksten Partei einen Riegel vorschiebt.

Formal ist die CDU die stärkste Regierungspartei. Sie könnte also durchaus beispielsweise auf der Beantwortung ihrer 551 Fragen bestehen oder den NGOs des linken Lagers finanziell den Stecker ziehen. Das ganze Gegenteil passiert jedoch. Warum?

Wir haben hier zwei große Wellen einer geschürten Massenhysterie erlebt, die im Wesentlichen von diesen NGOs, von denen nicht wenige maßgeblich staatlich finanziert sind, initiiert wurden. Im ersten Quartal 2024 gab es die bereits erwähnte Correctiv-Berichterstattung über die Potsdamer Vortragsveranstaltung. Anfang dieses Jahres gab es dann, aus Anlass einer Bundestagsabstimmung, bei der AfD-Abgeordnete einem CDU-Antrag zugestimmt hatten, eine weitere Hysterie-Welle. Die daraufhin vom linksgrünen Lager losgetretenen Krawalle gaben der CDU den Anstoß zu den berühmten 551 Fragen. Diese zu stellen, war erst einmal sehr gut, wenngleich viele davon handwerklich nicht sonderlich gut formuliert waren. Das liegt einfach daran, dass die CDU keine Oppositionspartei ist und sich in der Oppositionsrolle nicht zu Hause fühlt. Kleine Anfragen sind das typische Handwerkszeug der Opposition.

Dass man sich dann von diesem Fragenkatalog losgesagt hat und sich mit völlig nichtssagenden Antworten abspeisen ließ, ist zweifellos ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Solange die Brandmauer zur AfD besteht, hat die CDU, wenn sie regieren möchte, keine andere Option, als mit der SPD zu koalieren. Die CDU hat sich quasi selbst an die SPD gefesselt. Deshalb war es offenbar eines der ersten Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen, die 551 Fragen praktisch zu begraben.

In Berliner Kreisen herrscht die Überzeugung, dass jetzt die allerletzte Patrone verschossen wird, bevor die AfD an die Regierung kommt. Deshalb gibt es auf Seiten der CDU jedenfalls die kompromisslose Entschlossenheit, diese Koalition um jeden Preis weiterzuführen. Möglichst vier Jahre lang – was auch immer danach kommen mag. Gleichzeitig gibt es auf Seiten der SPD die feste Entschlossenheit, diesen Umstand gnadenlos auszunutzen. Jeder Beobachter der Berliner Politik gewinnt den Eindruck, dass Lars Klingbeil in Wahrheit die Richtlinienkompetenz innehat.

Warum erträgt die CDU all diese Demütigungen stoisch? Sie könnte doch mit der AfD koalieren und all ihre Wahlversprechen sofort mühelos umsetzen. Die Wähler würden dann endlich das bekommen, was sie wollen: eine Mitte-Rechts-Regierung, die Probleme löst statt immer neue zu schaffen.

Stellen wir uns ein Theater vor, in dem das Publikum immer weiter abbröckelt. Es kommen immer weniger Leute in die Vorstellung, weil ihnen das Programm vielleicht nicht so gut gefällt. Diese Analogie ist nicht zufällig gewählt. In Deutschland ist schließlich jedes Theater öffentlich subventioniert. Grundsätzlich müssen sie sich keine großen Gedanken darüber machen, ob sie ihre Säle füllen können. Irgendwann kommen dann gar keine normalen Zuschauer mehr, sondern nur noch Theaterkritiker der Medien. So kann man sich die Situation in der deutschen Politik in etwa vorstellen. Das heißt, die Politik spielt nicht mehr für das Publikum, sondern für die Medien, allen voran für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Das allem zugrunde liegende große Problem, die Selbstgleichschaltung der Medien ist in Deutschland spätestens seit den 1990er Jahren zu beobachten. Während Helmut Kohl noch gegen die Medien regierte, gab es unter Angela Merkel einen Paradigmenwechsel: Sie orientierte sich durchgehend an den Medien. So hat sie sich zu Beginn ihrer Regierungszeit noch dezidiert gegen die multikulturelle Gesellschaft und für die Kernenergie ausgesprochen, später handelte sie jedoch komplett entgegengesetzt. Das heißt, die großen Reformen, die sie eingeleitet hat, basierten nicht auf ihren inhaltlichen Überzeugungen, sondern auf denen der Leitmedien. Ihre entscheidende Weichenstellung war es, nicht mehr gegen, sondern mit den Medien zu regieren. Da diese politisch jedoch überwiegend links und grün verortet sind, war die resultierende Politik der Merkel-Regierungen keine Überraschung.

Warum haben sich die Atomenergiebetreiber ebenso wenig gegen die grüne Politik gewehrt, wie später etwa die Automobilhersteller?

Beim Übergang von der Demokratie zur Postdemokratie gewinnt ein Elitenkonsens zunehmend an Bedeutung. Es gibt nicht mehr den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition. Stattdessen gibt es einen allgemeinen Konsens, auf den quasi alle eingeschworen sind. Dieser Konsens wird meines Erachtens von den Massenmedien, allen voran dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht nur vermittelt, sondern auch gestiftet. Wer sich diesem Konsens nicht anschließt, gehört auch nicht mehr zur Elite. Diese Überlegung mag die Firmen dazu veranlasst haben, sich nicht zu wehren. Wenn die Politik dieses oder jenes so will, dann soll es eben so sein. Gleichzeitig setzte man natürlich auf Subventionen, Entschädigungen und anderes Entgegenkommen seitens des Staates. Die Firmenvertreter wählten den Weg des geringsten Widerstands und begannen, sich lieber mit dem Staat als mit dem Markt zu arrangieren. Bisher hat sich in der CDU noch niemand gefunden, der diese Fundamentalentscheidung von Frau Merkel, grundsätzlich nur mit den Medien zu regieren, zurücknehmen würde.

Die Union hat also weniger Angst vor der AfD als vor den linksgrünen Medien, den ganzen NGOs und gewissen Leuten, die aus politischen Gründen gerne mal ein Auto abfackeln oder ein Parteibüro zerstören.

Richtig! Vor denen haben die Unionspolitiker deutlich mehr Angst als vor der AfD. Die Union könnte sofort mit der AfD koalieren. Inhaltlich gäbe es da überhaupt keine Probleme. Beide sind bürgerliche Parteien. Im Falle einer schwarz-blauen Koalition gäbe es jedoch sofort Krawall von Seiten der Massenmedien, ergänzt durch die „Macht der Straße“. Es würde behauptet werden, Deutschland sei in die Hände von Faschisten gefallen, und so weiter. Letztlich will der Bürger aber Ruhe und Frieden und belohnt eine Regierung, die irgendwie für Ruhe und Frieden sorgt, selbst wenn dies mit großen Zugeständnissen an das Unvernünftige einhergeht.

Ist es nicht Erpressung, wenn Unionspolitiker nicht nach ihren Überzeugungen regieren, sondern unter Androhung entsprechender „Strafmaßnahmen“ stets das tun, was eine winzige Gruppe linker und grüner Entscheidungsträger in den Massenmedien für richtig hält?

Es gibt im Leben Situationen, in denen man immer tiefer in einer Art Sumpf versinkt. Wenn man sich, aus Bequemlichkeit oder Konfliktscheu, nicht rechtzeitig und konsequent dagegen wehrt, rutscht man immer tiefer in diese Situation hinein.

Wie sehen Sie als CDU-Mitglied die Zukunft? Haben Sie noch die Hoffnung, dass die fatale Spaltung des bürgerlichen Lagers eines Tages überwunden wird?

Es liegt im entscheidenden Interesse nicht nur der CDU, sondern auch Deutschlands, dass die CDU und die AfD endlich koalieren. Aus Sicht der CDU wäre es natürlich wünschenswert, dass es dann zu schwarz-blauen Koalitionen kommt. Wenn die CDU jedoch nicht bald die Zeichen der Zeit erkennt, wird es für sie nur noch die Option blau-schwarzer Koalitionen geben. In den östlichen Bundesländern könnte es sogar zu Alleinregierungen der AfD kommen.

„Es liegt im entscheidenden Interesse nicht nur der CDU, sondern auch Deutschlands, dass die CDU und die AfD endlich koalieren.“

Damit die CDU eines Tages tatsächlich die Kurve bekommt, ist es entscheidend, dass nicht alle Mitglieder mit Rückgrat und festen Überzeugungen die Partei verlassen. Ist das Ihr Motiv für Ihre weitere Mitgliedschaft?

Ich habe nicht vor, die Partei zu verlassen oder gar, wie Hans-Georg Maaßen, eine neue Partei zu gründen. Gerade in Westdeutschland ist es wichtig, andere politische Mehrheiten herbeizuführen. Wenn man aus lauter Empörung aus einem Verein austritt, kann man von diesem Zeitpunkt an auch nicht mehr an dessen Meinungsbildung mitwirken. Deshalb würde ich sehr zögern, aus irgendeinem Verein auszutreten. Sollen doch die anderen austreten! Wer den längeren Atem hat, lacht zuletzt. Und, ganz pragmatisch: um eine Koalition zwischen CDU und AfD auf den Weg zu bringen, braucht man eben auch auf der CDU-Seite Leute, die das befürworten und propagieren. Wenn die alle schon vorher zur AfD gehen, würde selbst der stärkste Kooperationswille nichts mehr bewirken, der sich dann ja nur noch auf der AfD-Seite manifestieren würde.

Zwischen der Causa Potsdam und der aktuellen Situation Deutschlands, beispielsweise in den Bereichen Energie- und Migrationspolitik, gibt es mindestens eine bemerkenswerte Parallele. In beiden Fällen wird eine Fiktion geschaffen, die dann jedoch ganz reale Folgen hat. Die banale Vortragsveranstaltung in Potsdam wurde zu einer Art „Wannsee-Konferenz 2.0” hochstilisiert – mit ganz realen Massenkundgebungen als Folge. In der Energiepolitik wurde die Fiktion geschaffen, eine moderne Industrienation könne ohne Kernkraft und Energie aus fossilen Energieträgern auskommen – die ganz reale Zerstörung von Kraftwerken war eine der Folgen. Bei der Migration verliebte man sich u.a. in die Fiktion mit den „Fachkräften“ – offene Grenzen sind das ganz reale Ergebnis. Immer mehr ganz reale Entscheidungen werden auf der Basis von Fiktionen getroffen. Wie konnte es in der Heimat der Aufklärung zu dieser Entkoppelung von der Realität kommen?

Das hat unter anderem mit dem Wandel der politischen Linken zu tun. Ursprünglich war diese eine wirtschaftspolitische Bewegung. Der Marxismus ist letztlich eine Wirtschaftsphilosophie, die materialistisch und überhaupt nicht moralisch war. Die klassischen Marxisten verachteten jegliche Moralisiererei. Nun hat sich jedoch gezeigt, dass die politische Linke ihre wirtschaftspolitischen Ideen des Marxismus nach deren totalem Scheitern nicht etwa aufgegeben, sondern lediglich deren Gestalt grundlegend geändert hat. Sie ist nämlich moralisch geworden.

Ursprünglich trat die politische Linke mit dem Versprechen von Massenkonsum und Massenwohlstand an. Diese würden im Kapitalismus jedoch nie erreicht, da dieser laut marxistischer Theorie zwangsläufig zur Verelendung des „Proletariats“ führt. Dies ist jedoch nicht eingetreten. Stattdessen hat sich gezeigt, dass es Massenkonsum und Massenwohlstand sehr wohl geben kann – allerdings nicht in Planwirtschaften, sondern nur im kapitalistischen System. Daraufhin hat sich die politische Linke völlig gedreht. Nun behauptet sie, den Menschen gehe es bereits viel zu gut.

Sodann folgte die plötzliche Begeisterung für den Klimaschutz. Man will zwar immer noch eine Planwirtschaft einführen, jedoch nicht mehr mit der Begründung, dass in einer Planwirtschaft mehr produziert und konsumiert werden könne als im Kapitalismus – denn das ist nicht der Fall. Stattdessen wird die Notwendigkeit einer Planwirtschaft damit begründet, dass beispielsweise der Klimaschutz sie erfordere.

Diese erste Umorientierung der modernen Linken wird in jüngerer Zeit zusätzlich überlagert durch einen spezifischen Import oder Reimport von Ideen der US-amerikanischen Linken. In den Vereinigten Staaten hat es nie einen wirklichen Klassenkampf gegeben. Es gab auch nie die Vorstellung von Verstaatlichungen oder, wie die Linken sagen, von der „Vergesellschaftung“ der Produktionsmittel, weil der Erwerbsindividualismus sozusagen in der DNA der Amerikaner verankert ist.

Worauf konzentrierten sich die Linken in den USA stattdessen?

Anstatt sich auf Verstaatlichung und Klassenkampf zu konzentrieren, kaprizierte sich die amerikanische Linke auf die Rassenfrage, die in den USA ja seit jeher sehr präsent ist. Sie konzentrierten sich auf den Kampf gegen reale und angenommene Rassendiskriminierung, auf das Kreieren von diversen Antidiskriminierungsmaßnahmen und schließlich auf teilweise recht abstruse Ableitungen aus der sogenannten Critical Race Theory. All dies wurde von den Linken im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts völlig unkritisch nach Europa importiert. Und das, obwohl es hier völlig andere historische und kulturelle Voraussetzungen gibt und die amerikanischen Debatten gar nicht hierherpassen.

Das machte aber nichts, denn die moderne westeuropäische Linke, die stark von den Ideen der US-amerikanischen Linken beeinflusst ist, ist im Kern keine politische Bewegung mehr. Auch für ganz reale Wirtschaftspolitik interessiert sie sich nicht mehr. Stattdessen mutiert sie immer mehr zu einer religiösen Bewegung, was ja tendenziell auch im Marxismus angelegt war. Bereits 1968 stellte der Rechtsphilosoph Gerd Roellecke in Bezug auf die 68er-Bewegung treffend fest, dass Marx und Engels das Christentum lediglich auf den Stand des 19. Jahrhunderts gebracht hätten. Die gegenwärtige Linke ist demnach eine religiöse Bewegung, und Religion entkoppelt sich stets von der Wirklichkeit. Sie nimmt es der Wirklichkeit sogar regelrecht übel, dass diese der Verwirklichung utopischer und radikal egalitärer Ziele immer irgendwie im Weg steht.

Muss eine gegen die Wirklichkeit gerichtete Politik nicht früher oder später scheitern?

Allgemein galt immer: Wer die Realität am besten erfasst, ist auch der erfolgreichste Politiker. Wer hingegen mit der Realität auf Kriegsfuß steht, kann nur scheitern. Nun zeigt sich aber, dass sich die Paradigmen in der Gegenwart zu ändern scheinen, denn es gibt ja jetzt die Massenmedien. Seit der Einführung des Internets sind sie sogar allumfassend präsent.

Durch diese „Vertotalisierung” der Massenmedien scheint es möglich zu sein, eine Alternativrealität zu schaffen, in der der Kampf gegen die Wirklichkeit politisch Erfolg verspricht. So ist es beispielsweise möglich, den Menschen nachhaltig einzutrichtern, die Rechte sei gefährlich und wolle ein zweites Hitler-Regime errichten. Würden die Menschen ihre Smartphones beiseitelegen und sich umschauen, würden sie bemerken, dass die Realität ganz andere, echte Gefahren bereithält, die jedoch von den herrschenden Parteien weitgehend ignoriert werden.

Erstmals ist es in der heutigen Zeit möglich, die Wirklichkeit derart aus dem Bewusstsein zu verdrängen, dass sie fast nicht mehr existiert. Genau das nutzt die politische Linke aus. Sie ist heute als wirkmächtige Religion an die Stelle des Christentums getreten. Die religiösen Bedürfnisse der Menschen sind heute offenbar nicht viel geringer als vor 500 oder 600 Jahren. In den westlichen Staaten erlischt die konventionelle Religion jedoch, während die Linke deren gesellschaftliche Position übernimmt. Plötzlich verkörpert sie ein Wahrheitssystem und ein Autoritätssystem, das auch Moral vermittelt und vorgibt, welche Dinge man sagen oder denken darf und welche nicht.

Wie kann Deutschland wieder auf den Boden der Tatsachen zurückfinden? Schließlich ist es in einer fiktiven Parallelwelt nur so lange gemütlich, wie die Realität nicht anklopft.

Am Ende geht es um die Wirtschaft. Die DDR brach schließlich wegen ihrer maroden Wirtschaft zusammen und nicht etwa durch die Aktivitäten einiger Bürgerrechtler, die größtenteils selbst überzeugte Marxisten waren. Insbesondere mit Bezug auf die frühen Schriften von Marx, in denen dem Individualismus noch in beträchtlichem Maße gehuldigt wird, forderten sie einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“.

Zum Zusammenbruch der DDR führte die Pleite der DDR-Wirtschaft, aber auch die der sowjetischen Wirtschaft. Die Sowjet­union konnte sich ihre westlichen Kolonien finanziell einfach nicht mehr leisten und verlor sie dann in rascher Folge.

Die DDR-Bevölkerung wollte wiederum mit erdrückender Mehrheit schnellstens mit Westdeutschland wiedervereinigt werden. Die letzte Phase der friedlichen Revolution in der DDR war somit auch eine Revolution gegen die Bürgerrechtler, die weitere Experimente durchführen und eine DDR mit „demokratischem Sozialismus“ eta­blieren wollten. Eine erdrückende Bevölkerungsmehrheit, mit der Helmut Kohl letztlich ein Bündnis einging, wollte jedoch keine Experimente mehr, sondern einfach zum Westen gehören und von dem dort bewährten Wirtschaftsmodell profitieren.

Sie vertrauen also darauf, dass die normative Kraft des Faktischen irgendwann auch in Deutschland wieder das Ruder übernehmen und dem Herumexperimentieren der politischen Klasse in einer Phantasiewelt ein Ende bereiten würde.

Im Nachhinein wird man es vermutlich als den historischen Fehler der Grünen betrachten, dass sie sich nicht damit begnügten, lukrative und gut bezahlte Posten an ihre Klientel zu vergeben und die Wirtschaft in Ruhe zu lassen. Schließlich kann nur dann etwas umverteilt werden, wenn es überhaupt etwas zu verteilen gibt. Die Grünen begingen jedoch den entscheidenden Fehler, als sie begannen, ihre eigene Propaganda selbst zu glauben und in die Tat umzusetzen. Am Ende glaubten sie sogar, dass Personen wie Robert Habeck oder Annalena Baerbock kluge und weise Entscheidungen treffen könnten. So begannen sie – flankiert von ähnlich denkenden Massenmedien –, unser einst zu den zuverlässigsten der Welt gehörendes Energieerzeugungssystem durch ein völlig anderes zu ersetzen. Dieses funktioniert jedoch nicht und lässt sich ganz gewiss nicht für den Betrieb einer Industrienation nutzen. Sie haben irgendwann selbst geglaubt, was sie den Leuten zuvor weismachten.

„Wenn die Gehälter der Redakteure im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr bezahlt werden können, dann werden diese Medien auch nicht mehr senden – und die von ihnen geschaffenen Luftschlösser werden in sich zusammenfallen.“

Bisher spürte man in der deutschen Politik von einer „Entgrünung“ genauso wenig wie von einer „Entmerkelung“. Alles geht so weiter wie bisher.

Ja, weil sich alle vor dem Offenbarungseid scheuen. Vor allem, weil die Massenmedien tagtäglich die Aufrechterhaltung dieser Traumwelt befeuern. Ein Heißluftballon schwebt aber nur, solange heiße Luft in ihn geblasen wird. Heiße Luft gibt es hingegen nur, solange Brennstoff vorhanden ist. Wenn die Gehälter der Redakteure im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr bezahlt werden können, dann werden diese Medien auch nicht mehr senden – und die von ihnen geschaffenen Luftschlösser werden in sich zusammenfallen.

9 Antworten auf “Einstürzende Luftschlösser

  1. Nach dem gestrigen Interview mit Dr. Hans-Georg Maaßen heute ein weiteres spannendes Gespräch, diesmal mit Dr. Ulrich Vosgerau. Es macht Mut, in diesen schweren Zeiten so klar strukturierte, couragierte Menschen zu erleben, welche die Wirklichkeit beschreiben, wie man sie selber kennt und dabei gleichzeitig viele interessante Informationen liefern. Beeindruckend auch, warum sich Dr. Vosgerau für einen Verbleib in der CDU entschieden hat.
    Prophetisch sein letzter Satz, demnach der Irrsinn in Deutschland so lange weitergehen wird, bis “die Gehälter der Redakteure im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr bezahlt werden können, dann werden diese Medien auch nicht mehr senden – und die von ihnen geschaffenen Luftschlösser werden in sich zusammenfallen.”
    Möge dieser Zeitpunkt nicht mehr allzu weit entfernt sein!

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  2. Macht Mut?
    Die beiden alten Herren sind so ziemlich isoliert in der deutschen Politlandschaft, auch wenn man dem Ein oder Anderen von Herrn Vosgerau zustimmen kann. Der Rest aber, insbesondere von Herrn Maaßen ist einfach nur rechts gerichtet.

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      1. Die CDU, die CSU sind links? Das ist einfach nur lächerlich. Die SPD ist seit Jahren nicht mehr für die arbeitenden Bevölkerung da und nicht mal die Linken sind links.

        Offensichtlich benutzen Sie den Begriff “links” für alles was Ihnen und Ihren Freunden nicht gefällt, weil Sie wissen das “rechts” als zurück zu den Werten des dritten Reichs interpretiert wird.

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        1. CDU/CSU gehorchen in der Praxis der SPD, und sie haben auch die Radikalen ins Bundesverfassungsgericht gehievt, auf denen die SPD besteht, mit der Erklärung, das Bundesverfassungsgericht diene zur Durchsetzung linker Politik, für die es im Parlament und im Volk keine Mehrheit gebe. Dies widerspricht keineswegs der richtigen Feststellung, daß die SPD längst nicht mehr fürs arbeitende Volk da ist: das ist die linke Ideologie auch nicht.

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  3. Herr Dr. Vosgerau mag zwar ein hervorragender Jurist sein, aber seine Äußerungen zur praktischen Politik finde ich ziemlich naiv.

    Die meisten Mitglieder der CDU beispielsweise, zu denen auch ich lange gehört habe, sind viel zu träge, um deren Entwicklung zur kapitalsozialistischen Blockpartei wieder umzukehren. Dafür müssten sie ja selber Verantwortung übernehmen und sich ins mediale Kreuzfeuer begeben. Das kann er vergessen! Mir jedenfalls war die Zahl der Schleimer und Feiglinge in diesem “Verein” zu groß geworden, als ich ihn vor gut 15 Jahren verlassen habe. Irgendwann sollte man halt merken, wenn der Opportunismus die Vernunft überflügelt und inhaltliche Grundsätze immer häufiger als vermeintlich unnötiger Ballast über Bord geworfen werden.

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