Nach Ungarn ausgewandert: Bäckereiberater Markus Messemer
Zurück in ein unbeschwertes Leben
In der 30 Quadratmeter großen Backstube duftet es nach frisch gebackenem Brot, während durch die geöffnete Tür Vogelgezwitscher hereindringt. Vor drei Jahren entschloss sich der gebürtige Deutsche fürs Auswandern nach Ungarn. Seine bisherige Heimat ließ er hinter sich. Das gesellschaftliche Klima in Deutschland hatte ihm nicht mehr zugesagt.
Markus ist Geschäftsführer eines Großhandels für deklarationsfreundliche Backgrundstoffe, also spezielle Zutaten, die zur Herstellung von „ehrlichen“ Broten, Brötchen und Kuchen genutzt werden können. „Wenn ein Bäcker seinen Kunden sagen würde, was er verbäckt, würden die es nicht mehr zu einem höheren Preis als beim Discounter kaufen. Also bieten wir die Alternative, mit Know-how und den passenden Rezepturen eben auf vieles verzichten zu können, was man nicht mit ruhigem Gewissen über die Theke geben könnte“, erklärt Messemer. Diese Tätigkeit erledigt er, dank seines Kollegen vor Ort, komplett von Ungarn aus im Homeoffice. Somit sind seine sehr seltenen Reisen nach Deutschland heute rein familiär bedingt.
Die frühere Bäckereiberatung ist inzwischen zum unentgeltlichen Hobby geworden: „Wenn jemand eine Brotrezeptur oder eine Einschätzung zur Sortimentsgestaltung braucht, helfe ich gerne am Telefon weiter. Falls jemand in Ungarn leckeres deutsches Brot und aromatische Brötchen anbieten möchte, kann ich auch gerne meine Unterstützung anbieten, sei es bei der Optimierung vorhandener Backstuben oder bei der Neugründung einer kleinen Bäckerei.“ Nachdem er in seinem Berufsleben bis dato über 1000 Brot- und Brötchenrezepturen für Bäckereien entwickelt habe, gebe er dieses Know-how gerne weiter.
Was hat Sie dazu bewogen, Deutschland den Rücken zu kehren?
Da kam vieles zusammen. Bereits vor der Pandemie fühlte ich mich in Deutschland zunehmend unwohl, aber die Corona-Zeit war der entscheidende Auslöser. Plötzlich bestimmten Restriktionen und ein Klima der Angst den Alltag. Ich denke, dass dieses „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Gefühl komplett verloren ging. Zum Glück stritt man sich zumindest im Kreis von Freunden und Familie nicht über die Maßnahmen, jedoch war außerhalb klar zu erkennen, wie sehr sich die Gesellschaft gespalten hatte. Mir wurde klar, dass ich so nicht mehr leben wollte. Statt mich ständig über Politik und Vorschriften zu ärgern, habe ich die Reißleine gezogen. Ich wollte irgendwo neu anfangen, wo sich das Leben wieder normal und frei anfühlt. Wenn ich mir heute die Situation in Deutschland anschaue, bin ich umso glücklicher, weggegangen zu sein.
Warum ausgerechnet Ungarn? Was hat Sie an Ihrer neuen Heimat gereizt?
Ungarn war immer wieder im Gespräch als Land, in dem man konservativer leben kann. Weit ab von links-grün-woker Meinungsmache. Einfach nur wieder ganz normal. Ich begann, mehr Informationen zu sammeln, und fuhr schließlich mit einer Bekannten, die ebenfalls auswandern wollte, nach Ungarn, um Häuser anzusehen. Drei Monate später kam ich mit dem Umzugswagen hierher und blieb dann endgültig.

Wie sieht Ihr Alltag in Ungarn im Vergleich zu früher aus?
Für mich persönlich ist das Leben hier um einiges entspannter. Es weckt auch irgendwie nostalgische Erinnerungen an frühere Tage. Die Uhren ticken langsamer, die Leute hetzen nicht so sehr durchs Leben. In meinem Dorf kennt man sich, man grüßt sich auf der Straße, setzt sich auch mal auf einen Schwatz zusammen. Diese dörfliche Herzlichkeit und Gemeinschaft habe ich in Deutschland zuletzt als Kind erlebt. Es erinnert mich an meine Jugend, als alles noch etwas unaufgeregter war. Klar muss man sich auch an Dinge gewöhnen, die hier etwas anders laufen.
Sie backen regelmäßig größere Mengen Brot. Einfach so aus Spaß?
Alle zwei bis drei Wochen, sobald im Gefrierschrank die letzten Laibe zur Neige gehen, ist Backtag. Da ich ineffektives Arbeiten nicht sonderlich mag, also sowas wie einzelne Kuchen, machen wir immer 2 bis 4 Teige, was dann insgesamt etwa 50 bis 70 kg Backwaren ergibt. Das lässt sich dann sehr gemütlich innerhalb von 6 Stunden schaffen, wobei das „Nadelöhr“ die Backfläche in Holz- und Elektro-Ofen von insgesamt zwei Quadratmetern ist. Es gibt immer irgendjemanden, der gerade Zeit hat zu helfen und dabei noch lernen möchte, wie man Brot herstellt. Ursprünglich wurde die Backstube für Rezepttests für unsere Kunden genutzt. Und was an Brot übrig war, wurde verteilt.
Mittlerweile fragen auch Schule oder Kindergarten bei Festen an, ob ich etwas beisteuern kann. Manchmal klingeln auch Leute und möchten wissen, ob sie nicht ein Brot kaufen könnten. Aber ganz so einfach mache ich es ihnen nicht. Wer Brot haben möchte, muss sich etwas einfallen lassen, mit was er sich revanchieren kann. Forint oder Euro zählen nicht als Zahlungsmittel. Mit etwas Nachdenken haben die Leute dann doch Ideen. Man merkt aber, dass die Zeiten, in denen das Tauschen den Menschen das Leben gesichert hat, lange vorbei sind.
Inzwischen brauche ich aber kaum noch Gemüse zu kaufen, meine Friseuse wird in Brot entlohnt, das Nähen der Vorhänge wurde ebenfalls im Tausch abgegolten. So hat sich das verselbständigt. Inzwischen habe ich einen kleinen Kreis im Dorf, für den ich regelmäßig backe – natürlich alles im gediegenen Rahmen. Für mich fühlt sich das herrlich unkompliziert an. Und nebenbei lernt man sich im Dorf besser kennen, wenn man sich gegenseitig hilft und austauscht. Mein Brot hat mir sozusagen Türen geöffnet – sowohl sprichwörtlich als auch wortwörtlich.
So etwas wie Roggenmischbrote gibt es bei mir nicht, da der Unterschied zum gewohnten Weißbrot hier zu groß wäre. Stattdessen entwickle ich Sorten mit einem Weizen- oder Dinkelanteil von 70 bis 100 Prozent, die eine kompaktere Textur als das „aufgeblasene Kenyér“ von hier haben. Besonders beliebt sind das Dinkel-Buchweizen-Brot, das Joghurt-Brot, die Bratkartoffelbrötchen und mein eigenes „ungarisches Weißbrot“.

Ungarisch gilt als schwierige Sprache. Wie haben Sie das bewältigt?
Ich hatte zunächst in Deutschland versucht, mit einer im Internet viel beworbenen Online-Sprachenlern-Webseite Ungarisch zu lernen. Schnell merkte ich, dass dieser Ansatz nicht wirklich brauchbar war, da solche Tools oft nicht die Besonderheiten des Ungarischen berücksichtigen. An einem bestimmten Punkt merkte ich, dass eine logische Vorgehensweise, die Wortstämme mit Endungen, weiteren Endungen und nochmal Endungen oder gegebenenfalls auch Vorsilben verbindet, es einem viel leichter macht. So begann ich mir die Verbstämme genauer anzuschauen und habe die grammatikalischen Regeln gelernt, wie man mit Anhängseln die Wörter erweitert. Wichtig ist es auch zu realisieren, dass es nicht wirklich „18 Fälle“ im klassischen Sinne gibt, mit denen einem immer Angst vor dieser ach so komplizierten Sprache gemacht wird, sondern genau diese „Fälle“ konkrete Aussagen deutlich erleichtern. Inzwischen bin ich überzeugt – auch wenn mir das viele Ungarn kaum glauben –, dass es für Ungarn deutlich schwieriger ist, Deutsch zu lernen, als umgekehrt.
Für meine Webseite erstelle ich mittlerweile kostenlose Lerntools, genau so wie ich mir diese am Anfang selbst gewünscht hätte. Beim Ausarbeiten all dieser Lern-Unterlagen habe ich auch festgestellt, dass ich es, je mehr ich die Sprache erforsche, desto faszinierender find, wie man Wörter bildet und ableitet. Ungarisch ist ganz anders strukturiert als Deutsch, und genau diese Logik erkläre ich nun in unseren Sprachlektionen, so dass sie auch für andere deutschsprachige Auswanderer nachvollziehbar ist.
Was hat es mit der erwähnten Internetplattform auf sich?
Sie heißt „Wir in Ungarn“ und ist mein absolutes Herzensprojekt. Die Idee entstand aus meiner eigenen Erfahrung, als ich feststellte, wie viele Fragen beim Start in ein Leben in Ungarn auftreten. Auch ich stand anfangs vor zahlreichen Herausforderungen: Wo beantrage ich eine Lakcím-Kártya? Was ist bei der Autoummeldung, der Krankenversicherung oder der Beantragung einer Steuernummer zu beachten? Hinzu kommen alltägliche Themen wie notwendige Behördengänge, Einkaufsmöglichkeiten, das Abschließen eines Internetvertrages oder potenzielle Fallstricke beim Hauskauf.
Natürlich gibt es viele offizielle Informationen auf Ungarisch im Internet – aber nicht jeder versteht diese direkt. Auch in Internetforen und Facebook-Gruppen findet man viele Informationen, aber oft sind diese mit allen möglichen Nuancen verbunden, erfordern viel Suchaufwand oder führen bei Nachfragen zu Widersprüchen und teilweise zu endlosen Diskussionen. Daher habe ich “Wir-in-Ungarn” bewusst anders aufgebaut. Ich begann mit einigen Informationen aus meinem eigenen Erfahrungsschatz, die ich auf die Webseite stellte. Dabei fiel mir schnell auf, wie umfangreich der Informationsbedarf tatsächlich ist, um bei einem Start in Ungarn alles richtig zu machen. So wuchs das Projekt stetig, und mittlerweile sind daraus über 200 Artikel zu den verschiedensten Themen entstanden.
Auf öffentliches Kommentieren verzichten wir ganz bewusst. Da ich selbst zehn Jahre lang das größte deutsche Forum für Bäcker mit zum Schluss 230.000 Beiträgen moderiert habe, weiß ich, wie schnell Meinungen aufeinanderprallen und jeder glaubt, es besser zu wissen. Solche Polemik wollte ich vermeiden. Stattdessen sammeln wir die Informationen zentral und prüfen alle Einsendungen von Nutzern, über die wir immer sehr dankbar sind, sorgfältig, bevor wir sie innerhalb kürzester Zeit in unsere Artikel integrieren. So stellen wir sicher, dass die Informationen in dem Kontext zu finden sind, wo man sie vermutet. Es geht mir darum, die kollektive Weisheit – die Erfahrungen vieler fleißiger Helfer – auf eine strukturierte Weise zu veröffentlichen. Mir liegt es fern, Zensor zu spielen. Es geht vielmehr darum, im Interesse aller den Nutzwert der Webseite auf einem hohen Niveau zu halten.

Wie ging es weiter?
Nach und nach entstanden so immer mehr praxisorientierte Inhalte, die sich gezielt an deutschsprachige Auswanderer und Interessierte richten, egal ob diese schon bzw. egal wie lange diese bereits hier wohnen. Gefühlt gibt es auch immer wieder etwas zu ergänzen, so eine Seite wird nie fertig. Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, fällt einem immer wieder etwas ein, worüber noch geschrieben werden sollte.
Ein weiterer Fokus liegt auf unseren Sprachtools. Aktuell bieten wir 14 unterschiedliche, kostenlose und komplett werbefreie Tools an, mit denen Nutzer individuell Ungarisch lernen können. Angefangen hat das ursprünglich mit einer Grammatik-Referenz auf Deutsch, die ich für mich zusammengetragen habe. Dabei merkte ich jedoch schnell, dass es noch viel mehr Möglichkeiten gibt, Ungarisch auf zugängliche Weise zu vermitteln. So entstand die Idee für interaktivere Formate wie Online-Kreuzworträtsel in verschiedenen Sprachlevels oder auch kleine Browserspiele. Ein Beispiel ist unser Spiel ‘SuffixHero’, bei dem man einen Hubschrauber steuert und Ballons mit den passenden Wortendungen für vorgegebene Sätze einsammeln muss. Unsere Tools sind so aufgebaut, dass man für jedes Alter und für jeden Beginner-Sprachlevel (A1, A2, B1) umfassende Möglichkeiten findet, oftmals didaktisch „ganz anders“, als man es sonst kennt.
Mir war es von Anfang an ein zentrales Anliegen, dass „wir-in-ungarn.hu“ absolut werbefrei bleibt. Ich möchte, dass unsere Nutzer sofort merken: Hier soll niemandem etwas verkauft werden, hier gibt es keine versteckten Werbebotschaften oder kommerziellen Hintergedanken. Wir haben uns ganz bewusst für diesen Weg entschieden, um unsere Unabhängigkeit zu wahren. Ich finanziere das gesamte Projekt privat und investiere täglich viel Zeit und Herzblut, damit wir unabhängig bleiben. Unsere Inhalte stehen allen frei zur Verfügung, weil ich wirklich helfen möchte, nicht weil ich jemanden als potenzielle Einnahmequelle sehe.
Besonders stolz war ich, als ich „Wir in Ungarn“ zu Ostern erstmals öffentlich präsentieren konnte. Die durchweg positive Resonanz bestärkt mich darin, das Angebot weiter auszubauen. Es freut mich einfach, mit meinem Projekt anderen deutschsprachigen Menschen den Start in Ungarn erleichtern zu können. Und ich bin wahrscheinlich der, der am meisten dabei lernt.
Wie erleben Sie generell das Leben hier in Ungarn im Vergleich zu Deutschland? Was schätzen Sie besonders?
Für mich ist das Leben in Ungarn vor allem eines geworden: ein Ruhepol. Während ich in Deutschland oft eine permanente Reizüberflutung empfunden habe – sei es durch Nachrichten, Termine, Verkehr oder einfach den allgemeinen Alltagstrubel – ist hier in Südungarn alles vieles entspannter. Ich genieße es, morgens aufzuwachen, aus dem Fenster zu schauen und einfach nur die Natur zu genießen. Das gibt dem Tag von Anfang an eine ganz andere Qualität. Natürlich gibt es auch Herausforderungen, und nicht alles ist immer einfach –, ich will hier nichts schönreden. Aber die Atmosphäre ist insgesamt viel gelassener, und das tut mir gut.
Politik und Weltgeschehen verfolge ich zwar noch, aber sie bestimmen meinen Alltag nicht mehr so stark wie früher. Ich kann mich viel mehr auf die unmittelbaren Dinge konzentrieren: meine Projekte, den eigenen Garten, Tagesausflüge, das abendliche Zusammensitzen mit den Nachbarn, kleine alltägliche Dinge, die mir hier wieder richtig wichtig geworden sind. Dieses einfache, entschleunigte Leben gibt mir eine innere Ruhe, die ich in Deutschland irgendwann verloren hatte.
Natürlich gibt es auch Aspekte, an die ich mich gewöhnen musste. Die traditionelle ungarische Küche ist sehr fleischlastig, was es mir als Vegetarier manchmal nicht ganz leicht macht. Gerade auf dem Land ist die Auswahl an vegetarischen Gerichten begrenzt, aber in den Städten – vor allem in Budapest – entwickelt sich die Szene rasant, und es gibt immer mehr vegetarische und vegane Restaurants, die ich, wenn ich mal dort bin, auch gerne besuche. Trotzdem ist das für mich nur eine sehr kleine Herausforderung im Vergleich zu dem, was ich hier an Lebensqualität gewonnen habe.
Was hat Ihre Partnerin schließlich dazu bewogen, in Ungarn zu bleiben?
Rita kam im März letzten Jahres gemeinsam mit einer Freundin eher zufällig für einen Spontanurlaub nach Ungarn – und gar nicht mit dem Plan, länger zu bleiben. Doch schon vier Wochen später kehrte sie zurück, zunächst für eine Woche. Kaum wieder daheim angekommen, folgte einen Monat später bereits der nächste Besuch, diesmal für zwei Wochen. Schließlich entschied sie sich während ihres darauffolgenden Aufenthalts, ganz hier zu bleiben.

Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war vor allem die deutlich bessere Lebensqualität in Ungarn – weniger Stress, mehr Entspannung und keine Hektik wie in Deutschland. Auch finanziell ist das Leben hier einfacher und besser bezahlbar, insbesondere in Bezug auf die Lebenshaltungskosten. Als echtes Dorfkind genießt Rita auch das Landleben und verbringt viel Zeit in ihrem Garten.
Mittlerweile hat sie sich ein schönes kleines Schwabenhaus in Mórágy gekauft, einem idyllischen Dorf, das vor 300 Jahren von Pfälzern gegründet wurde. Die Renovierung wurde pünktlich zum Frühling abgeschlossen, sodass wir den Sommer und Herbst bevorzugt dort verbringen können – nicht zuletzt, weil es dort deutlich weniger Stechmücken gibt als hier direkt an der Donau. Im Winter und Frühling bleiben wir hingegen häufiger in Báta. Diese Kombination bietet uns das Beste aus beiden Welten, passend zur Flexibilität ihres Rentnerlebens und meiner selbständigen Tätigkeit.

Was hat hat es mit diesem Auto hier auf sich?
Diesen Lada habe ich mir letztes Jahr als Weihnachtsgeschenk gegönnt. Der ist Baujahr 72 und komplett neu aufgebaut, von einem berühmten ungarischen Rennauto-Mechaniker. Ich wollte schon immer einen „kleinen Oldtimer“. Ein Freund aus dem Dorf meinte scherzhaft: „Wenn der Lada mal kaputt ist, brauchst du nur einen Hammer … und noch einen Hammer.“ Viele Ungarn wundern sich, warum ich freiwillig so ein altes Auto fahre – die meisten sind froh, modernere Fahrzeuge zu besitzen. Aber vielleicht ist genau das der Reiz: Wenn man immer nur aktuelle Autos hatte, dann freut man sich irgendwann auch mal über etwas eher Ursprüngliches, Rustikales.

Diese Fahrten mit dem 2101-er bedeuten für mich echte Entschleunigung. Da fährt man einfach mal zum Markt nach Baja, gemütlich mit maximal 80 km/h über die Landstraße. Kein Zeitdruck, einfach die Landschaft genießen – genau so habe ich mir mein Leben in Ungarn vorgestellt: tiefenentspannt und authentisch. Für mich ist der Lada das Tüpfelchen auf dem i meines neuen Alltags und steht sinnbildlich für das bodenständige, unkomplizierte Glück, das ich hier gefunden habe.
Was sind Ihre nächsten Ziele hier in Ungarn?
Ein weiteres wichtiges Vorhaben von mir ist derzeit der Umbau eines alten Stalls mit 65 qm Grundfläche zu einer Lebensmittelwerkstatt. Fertig werden soll diese bis Ende August. Für mich ist das ein soziales Gemeinschaftsprojekt: Menschen aus der Umgebung können hier zusammenkommen, um gemeinsam Lebensmittel herzustellen – etwa aus den Erträgen des eigenen Gartens, der Milch der eigenen Kühe oder den Eiern der eigenen Hühner. Dabei lernen wir voneinander, teils unter meiner Anleitung, teils aber auch, indem wir auf das wertvolle Fachwissen der „Alten“ aus dem Dorf zurückgreifen.

So entstehen auf handwerkliche Weise Köstlichkeiten, für die man anderswo als „Delikatesse“ viel Geld bezahlen müsste. Das Ganze funktioniert auf einer sehr lokalen, gemeinschaftlichen Basis: Wer mitmacht und die hiesigen Ressourcen nutzt, kann sie am Ende einfach in Form eines Glases Marmelade oder etwas Kuchen bezahlen. Wichtig ist uns auch, dass immer ein Teil der hergestellten Produkte für soziale Zwecke bestimmt ist, sodass auch die ärmeren Menschen im Dorf davon profitieren. Vielleicht gründen wir dafür irgendwann auch mal einen Verein, das wird sich nach diesem Herbst zeigen, wenn alles rund läuft.
Gezielt möchten wir auch Kurse für Kinder anbieten. Hier in der Schule lernt man jahrelang Deutsch, aber meistens bleibt davon wenig hängen. In unserer Werkstatt können die Schüler dann praktisch erleben, wie man „auf Deutsch“ gemeinsam Lebensmittel herstellt – und dabei ganz nebenbei auch erfahren, wie gesunde Ernährung aussieht und wie viel Freude es macht, selbst aktiv zu werden.
Gerade in einer Zeit, in der in Deutschland immer mehr Unternehmen aus dem Gastronomie- und Lebensmittelbereich schließen, ergibt sich für uns eine besondere Chance: Aus diesen Betriebsauflösungen werden uns regelmäßig hochwertige Gerätschaften sehr günstig oder kostenlos angeboten – von Maschinen für Eiscreme, Wurst und Konditoreiwaren bis hin zu kompletten Mensaküchen. Diese Geräte bringen wir nach Ungarn und können so dann, ohne gravierende Kosten, nur mit der passenden Idee, ein breites Spektrum an handwerklichen Techniken vermitteln.
Ich sehe in diesem Projekt auch eine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Die wirtschaftliche Lage wird durch Automatisierung, Robotik und KI immer schwieriger, viele klassische Arbeitsplätze werden wegfallen, was sicher auch uns hier in der Gegend deutlich treffen wird. Deshalb glaube ich, dass regionale Wertschöpfung und das Weitergeben von praktischem Fachwissen wieder an Bedeutung gewinnen. Mit der Lebensmittelwerkstatt möchte ich genau dafür einen Ort schaffen: für gemeinsames Lernen, für Austausch und für die Stärkung von Kompetenzen, die uns auch in unsicheren Zeiten weiterbringen.
So lange unser Geld noch nicht alles an Wert verloren hat, werde ich nicht damit aufhören, mir irgendwelche neuen sozialen Konzepte auszudenken, die ich umsetzen kann.
Das hört sich ja ganz gut an…bald ist alles besser als Deutschland , die Bananen Republik der niederen Renten. Rundum abgezockt und mit Gentechnik abgespritzt :-). Höre auch “Weimar, Hexenjagd”, die Menschen sind nicht böse,die Menschen sind nur dumm”…