Nach Ungarn ausgewandert: Selfmade-Frau Sonja Kaufmann
„Entscheidung keinen einzigen Tag bereut!“
Warum haben Sie erst Österreich und dann Deutschland verlassen?
Die Entscheidung, Österreich zu verlassen, lässt sich kurz erklären: Es geschah aus Liebe. Ich lernte in Deutschland meine spätere Frau kennen. Deutschland habe ich schließlich aufgrund zahlreicher Veränderungen, insbesondere seitens der Politik, verlassen. Diese sind allgemein bekannt, und ich möchte sie hier nicht weiter ausführen.
Es gab aber auch noch einen weiteren Grund: Als Halbungarin kenne ich die Realität der Ukraine und wollte die Waffenlieferungen Deutschlands über meine Steuern nicht mehr mitfinanzieren. Zuvor hatten besonders die Pandemiemaßnahmen meine Situation erschwert. Dadurch ging sogar die Beziehung zu meiner Frau in die Brüche.
Warum haben Sie gerade Ungarn als Ihr neues Zuhause gewählt?
Da ich Halbungarin bin, lag es nahe, wieder in meine zweite Heimat zurückzukehren. Österreich war politisch gesehen keine Option für mich.
Was machen Sie beruflich, und wie finanzieren Sie sich?
Bereits im jungen Alter begann ich, vorzusorgen. Inzwischen besitze ich vermietetes Eigentum in mehreren Ländern. Das sichert derzeit meinen Lebensunterhalt. Ich suche auch weiterhin nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten. Ich habe übrigens auch in ungarische Staatsanleihen investiert.
Ich halte es für bedenklich, von Arbeitgebern abhängig zu sein, und bin daher sehr froh, mich auf andere Finanzierungsquellen stützen zu können. Außerdem gehe ich in Richtung Selbstversorgung. Ich baue zahlreiches Obst und Gemüse an, und werde mir bald auch einige Hühner zulegen. Auf jeden Fall möchte ich meine Grundversorgung sicherstellen.
Hatten Sie Schwierigkeiten beim Hauskauf?
Nein, nicht zuletzt, weil ich die Kaufsumme auf einmal begleichen konnte. Ich hatte einen prima Rechtsanwalt, der sich um alles gekümmert hat. Für mich war am Anfang besonders wichtig, schnell eine Wohnadresskarte (ung.: lakcímkártya) zu erhalten, damit ich im Falle einer abermaligen Krise jederzeit problemlos nach Ungarn einreisen kann.
Wie sind die Nachbarn Ihnen gegenüber?
Ich schätze den Kontakt zu einer Familie hier in meiner Umgebung sehr. Mit ihnen kann ich frei und offen über alles sprechen. Die Herzlichkeit und Ehrlichkeit, die mir diese Familie entgegenbringt, habe ich in Deutschland schon lange nicht mehr erlebt. Hier gibt es generell kein Lästern, keine unangenehmen Bemerkungen oder das Gefühl, unten durch zu sein, nur weil man nicht dem Mainstream folgt. Die Nachbarschaftshilfe ist ebenfalls unglaublich, alle sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Und gelegentlich bekommt man sogar etwas geschenkt, wie zum Beispiel Eier. In meinem Dorf wissen übrigens alle bezüglich meiner Familiensituation Bescheid, aber niemand nimmt daran Anstoß. Es kommt höchstens mal ein „Oh, interessant!“, aber dann wird schon wieder über andere Themen wie beispielsweise die Hühnerhaltung gesprochen.
Können Sie als Halbungarin noch Ungarisch sprechen?
Als Kind habe ich es besser gesprochen, obwohl ich es nie richtig gelernt habe. Seit knapp einem Jahr spreche ich nun wieder vermehrt Ungarisch. Ich musste aber bei nahezu Null anfangen.
Was halten Sie von der LGBT-Bewegung?
Früher war es so, dass Lila die Farbe der Lesben und Pink die der Schwulen war. Für mich ist das auch heute noch so. Ich verstehe nicht, was es mit Regenbogenkult auf sich hat. Es erscheint mir alles recht institutionalisiert und irgendwie aufgesetzt. Meiner Meinung nach haben wir längst staatliche Absicherung und Toleranz erreicht. Es geht zu weit zu erwarten, dass die Gesellschaft spezielle Rücksicht aufgrund der sexuellen Orientierung nimmt. Das steht auch nicht im Einklang mit dem, wofür wir vor 20 Jahren demonstriert haben. Heute hat sich die Bewegung meiner Ansicht nach weit von den ursprünglichen Zielen entfernt. Ich kann die heutige Bewegung nicht mehr nachvollziehen oder unterstützen, absolut nicht. Es gibt viele homosexuelle Menschen, die ganz ähnlich denken wie ich. In Ungarn sehe ich übrigens keine Unterdrückung von Homosexuellen. Leute, die etwas anderes behaupten, kann ich nicht verstehen.
Welche Ziele haben Sie in Ungarn?
Ich strebe die Selbstversorgung an, insbesondere durch Aquaponik und Fischzucht. Zusätzlich biete ich demnächst Mietplätze für Wohnmobile und ähnliches an. Ein weiteres Ziel ist es, gemeinsam mit einer Nachbarin das gesamte Dorf so autark wie möglich zu gestalten. Und wenn all das erreicht ist, kann ich mich wieder auf die Suche nach einer Partnerin machen. (schmunzelt)
Welchen Ratschlag würden Sie Auswanderern mit auf den Weg geben?
Vor allem erst einmal den Mut zur Auswanderung zu fassen. Für mich war es durchaus ein steiniger Weg mit Tränen und schweren Momenten, trotzdem habe ich meine Entscheidung, nach Ungarn zu ziehen, bisher keinen einzigen Tag bereut.
Man muss begreifen, dass der Weg in Deutschland für einen möglicherweise nicht mehr weiter noch oben geht. Es geht aber nicht nur darum, zu sagen: „Ich will weg“, sondern sich auch zu entscheiden, wohin. Hier in Ungarn findet man für viele Probleme eine Lösung, nicht zuletzt durch den hiesigen Gemeinschaftssinn und die Gastfreundschaft der Ungarn. Du findest hier auch ein Umfeld, das dich liebevoll aufnimmt, dich versteht und sich auf Dich einlässt, ganz egal, was passiert. Das kannte ich aus Deutschland kaum noch.
Weitere Teile der BZ-Serie „Nach Ungarn ausgewandert“:
BZ Magazin 06/2021: Kabarettist Detlev Schönauer
BZ Magazin 18/2022: Ehemalige Kommunalpolitikerin Christiane Wichmann
BZ Magazin 19/2022: Webdesignerin und Biografin Emily Paersch
BZ Magazin 20/2022: Gesundheitsberaterin Dorothea Heinzel
BZ Magazin 21/2022: Zweifache Mutter Conny S.
BZ Magazin 22/2022: Ehemaliger Polizist Klaus Kauder
BZ Magazin 01/2023: Marketingexperte Viktor Végh
BZ Magazin 03/2023: Einwanderungsberaterin Diana Bednar
BZ Magazin 06/2023: Die Handwerkerfamilie Kittel
BZ Magazin 09/2023: Ungarisch-Lehrerin und Übersetzerin Anna Berg
BZ Magazin 11/2023: Die Familie Scherer
BZ Magazin 12/2023: Die Pferdeliebhaber Petra und Wilfried Böske
BZ Magazin 13/2023: Finanzdienstleister Jürgen Schwarz
BZ Magazin 13/2023: Violinist Erwin Lindenbaum
BZ Magazin 14/2023: Ferienwohnungsanbieter Raquel und Philipp Wiech
BZ Magazin 15/2023: Bürgerrechtler Martina und Mick Schmidt
BZ Magazin 16/2023: Autorin, Designerin und Bloggerin Yvonne Cork
BZ Magazin 18/2023: Heilpraktikerin Katrin Staffhorst