Die Letzte Seite: Kantinenaffäre im Ministerpräsidentenamt
Wenn man seinen Politikern die Nockerln nicht gönnt
Zum Hintergrund: Mit Beginn des Jahres zog Ministerpräsident Orbán und mit ihm das gesamte Ministerpräsidentenamt ins Budaer Burgviertel um, genauer: in die frisch renovierten Räumlichkeiten des ehemaligen Karmeliterklosters. Wie in vergleichbaren Institutionen üblich wurde eine Angestelltenkantine eingerichtet, für die man im Vorfeld einen Betreiber suchte. Gewonnen hatte bei der entsprechenden Ausschreibung das Pester Gourmetrestaurant Gundel.
Schon das sorgte für erste hochgezogene Augenbrauen. Als jedoch das Pressebüro des Ministerpräsidenten zwei Fotos veröffentlichte, die zum einen Viktor Orbán und Gergely Gulyás bei einem „puritanischen Mahl“ zeigten, zum anderen aber auch das aktuelle Menü der Kantine inklusive der mehr als günstigen Preise, setzte sich etwas in Gang, das im Nachhinein nur als „Shitstorm“ zu bezeichnen ist. Suppen für 300, Hauptgerichte für 700 bis 900 und Schomlauer Nockerln für 260 Forint? Das, so waren sich viele Internetnutzer sofort einig, ist geradezu ein Verbrechen.
Frust über Missstände entzündet sich am Kantinenmenü
Ein wenig verstehen kann man die Frustration der Menschen, wenn man sich die Essensversorgung in anderen öffentlichen Institutionen anschaut. So klagen viele Eltern darüber, dass das Essen in den Schulen seit der „Mensareform“ vielerorts geradezu ungenießbar sei. Ähnlich sehe es bei der Krankenhauskost aus, schreiben einige Internetnutzer. Diese bestünde noch dazu häufig nur aus einer Scheibe Brot und etwas fragwürdigem Aufschnitt. Wer es sich leisten könne, lasse sich daher lieber sein Essen von daheim mitbringen. Hinzukommt, dass in Ungarn wohl kaum eine andere Kantine mit dem Preis-Leistungsverhältnis im Karmeliterkloster mithalten kann. Kein Wunder also, dass sich viele wünschen, das Gundel könnte auch in ihrem Betrieb den Service übernehmen.
Währenddessen zeigte sich das Internet aber auch von seiner dunklen Seite: So wurde das Gourmetrestaurant online aber auch telefonisch mit Hassbotschaften bombardiert. Dabei könnte man es doch eigentlich eher bemitleiden, kann es dem Anschein nach doch wohl kaum an diesem Geschäft verdienen. Die Entscheidung den Betrieb der Kantine zu übernehmen begründet Geschäftsführer Peter Knoll mit einem Paketdeal, der neben der Essensausgabe auch das Catering für alle Events des Ministerpräsidentenamtes einschließt. „Wenn es nur um einen Auftrag für die Kantine des Ministerpräsidentenamtes gegangen wäre, hätten wir uns wahrscheinlich nicht beworben“, so Knoll. Den Preisunterschied zwischen Edelrestaurant und Kantine erklärt er mit den offensichtlichen Unterschieden im Ambiente und im Service.