Die Causa Szájer wird sogar auf einer italienischen Häuserwand thematisiert.

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Szájer und kein Ende

József Szájer hat – nach seiner Kleidung – nun auch alle Ämter abgelegt. Seine Partei, die ihm noch vor Bekanntwerden seines spektakulären Fluchtversuchs vollmundig für seine Arbeit dankte, wandte sich nach einigen Tagen des Schweigens letztlich von ihm ab. Der Fidesz hofft wohl, der Affäre damit ein Ende zu bereiten, aber die Netzgemeinde ist noch lange nicht mit Szájer fertig: Internethumoristen überbieten sich seit einer Woche mit Bildmontagen, und auch in der Offline-Welt wurden Szájer bereits Denkmäler gesetzt.

Zwei Aktionen kommen besonders einfallsreich daher. So hat sich die Offline-Netzgemeinde beispielsweise einen passenden „Wallfahrtsort” auserkoren.

Gedenktafel an Regenrinne

Doch zunächst tauchte Ende der vergangenen Woche an einer Häuserwand in Italien ein Kunstwerk auf, welches einen in Bondage gekleideten József Szájer vor dem Logo des Fidesz zeigt. Hinter dem Bild mit dem Titel „F**k Orbán: I am what I am“ steckt die italienische Popart-Künstlerin Laika, die mit ihrem Schaffen nicht zum ersten Mal für die Rechte der LGBT+-Gemeinde eintritt. Das Werk wurde auch in Ungarn hundertfach geteilt und zieht viel Aufmerksamkeit auf sich.

Ebenfalls im Ausland befindet sich eine „Gedenktafel” für József Szájer. Genauer gesagt befindet sie sich an eben jener Regenrinne, über die Szájer Ende November zu flüchten versuchte. In Brüssel lebende junge Ungarn hatten die Regenrinne ausfindig gemacht und ein laminiertes Schild mit ungarischer und englischer Aufschrift angebracht. Seitdem haben zahlreiche Schaulustige den Ort des Geschehens aufgesucht, fotografiert und die Bilder vielfach im Netz geteilt.

Den Marketing-Streich des Jahres – mit absolut ernstem Hintergrund – landeten jedoch die Veranstalter der Budapest Pride. Sie boten nach Bekanntwerden der Causa Szájer dem Fidesz ihre Hilfe an, „ein Land zu bauen, in dem niemand so leben muss wie József Szájer.” Wie sie auf ihrer Homepage schreiben, verrät es viel mehr über die politische Kultur des Fidesz als über Szájer selbst, dass „Fidesz-Mitglieder seit 30 Jahren davon wussten, dass József Szájer sich (auch) zu Männern hingezogen fühlt, und er es trotzdem verheimlichen musste.”

Fragen um Partyveranstalter

Doch neben allem Spaß tauchten in der letzten Woche auch immer mehr Fragen auf. Insbesondere die Belastbarkeit der Aussagen des Partyveranstalters David Manzheli wird derzeit vielerorts hinterfragt. Denn diese werden immer detaillierter und widersprechen sich zum Teil. Während der Veranstalter am Anfang noch sagte, er habe Szájer nicht persönlich gekannt, da dieser nur als Anhang eines geladenen Gastes erschienen sei, behauptet Manzheli nunmehr, von Szájer zu einer ähnlichen Soiree eingeladen worden zu sein. Laut Manzheli seien außerdem mehrere, vor allem polnische und ungarische – konservative – Politiker regelmäßig Gäste seiner Parties. Dazu, um wen es sich dabei handeln könnte, sind bisher jedoch keine weiteren Informationen bekannt geworden.

Mehr behauptet der regierungsnahe Publizist Zsolt Bayer zu wissen. Dieser sprach in einer Sendung auf HírTV davon, dass ein „einstiger Kampfgefährte” ihm schon vor 20 Jahren zuerst seine Homosexualität, später auch seine pädophile Neigung gestanden habe. Das regierungsnahe Portal Pesti Srácok ermittelte anhand der gegebenen Hinweise, dass es sich bei jenem „Kampfgefährten” heute um einen Mitarbeiter der regierungskritischen Wochenzeitung Magyar Hang handeln könnte. Gegenüber der liberalen Wochenzeitung hvg sagte Magyar-­Hang­-Chefredakteur Zsombor György, dass Bayers Aussagen auf einer riesengroßen Lüge beruhen und nur der Rachsucht geschuldet sind, da „Szájers Verhalten die ungarische Regierung vor ganz Europa lächerlich gemacht hat”.

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