‚Niemand wird am Wegesrand zurückgelassen! Da wäre er auch viel zu sichtbar.‘ (Foto: MKKP)

Ungarischer Graffiti-Künstler Basky schlägt wieder zu

„Niemand wird zurückgelassen“

Für Politiker ist es häufig unangenehm, mit ihrem „Geschwätz von gestern” konfrontiert zu werden. 180-Grad-Kurswechsel sind in den seltensten Fällen ohne Gesichtsverlust zu erklären. Vielen gilt ja die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Meisterin im Zurückrudern, jedoch wird sie in dieser Disziplin noch von Premier Viktor Orbán überflügelt. Niemand kann sich so ungeniert selbst widersprechen und trotzdem politisches Kapital daraus schlagen wie er. Das zeigen auch zwei Beispiele der jüngeren Vergangenheit.

Da wäre zum einen die Idee, die Universitäten des Landes komplett zu privatisieren. In den vergangenen Jahren wurde die Zahl der staatlich finanzierten Studienplätze Schritt für Schritt heruntergeschraubt – bis die Regierung nun endlich die Katze aus dem Sack ließ und bekannt gab, man wolle das Hochschulwesen komplett aus der staatlichen Finanzierung herauslösen. Dies würde bedeuten, dass Studiengebühren für all jene unumgänglich wären, die nicht eines der raren Stipendien ergattern.

Erinnerungslücken

Dabei ist es fast auf den Monat genau zehn Jahre her, dass das ungarische Volk – auf Initiative des damals in Opposition befindlichen Fidesz – darüber abstimmte, ob Studiengebühren eine gute Idee seien. Ohne zu viel zu verraten: Die Bevölkerung war wenig angetan von der Idee. Doch das scheint heute vergessen.

Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? „Niemand wird am Wegesrand zurückgelassen!” In einer Videobotschaft sprach Premier Orbán im September 2011 diese Worte zu seinem Volk. Die Finanzkrise schlug damals besonders hohe Wellen, immer mehr Menschen kamen mit der Bezahlung ihrer Devisenkredite nicht mehr hinterher und der Premier sah sich gezwungen, seinem Volk Mut zuzusprechen. Er versicherte, dass die Regierung alles tun werde, um den Menschen zu helfen.

Es waren große Worte, doch Orbán ließ ihnen nur wenig Taten folgen. Bis heute ist die Situation vieler Devisenkreditnehmer ungeklärt, unzählige Familien sind auf der Straße gelandet, wo, wie Regierungsoberhaupt Orbán einst sagte, niemand zurückgelassen würde. Eben auf diesen Satz spielt das neuste Graffiti des ungarischen, der Satirepartei des „Zweischwänzigen Hundes” angehörenden Künstlers Basky an. Die Namensähnlichkeit zum englischen Banksy ist sicher kein Zufall und auch der Stil beider Künstler ähnelt sich erkennbar.

Die Aufschrift von Baskys Graffiti ist eine klare Kampfansage an die Regierung und das Mitte Oktober in Kraft getretene Obdachlosengesetz: „Niemand wird am Wegesrand zurückgelassen! Da wäre er ja auch viel zu sichtbar!” Das bisherige Schaffen des ungarischen Straßenkünstlers lässt vermuten, dass uns dieses Bild demnächst häufiger in Budapest begegnen wird. Vielleicht wird sich dadurch ja auch der eine oder andere Politiker an sein „Geschwätz von gestern” erinnern.

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