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Möge der Wahlkampf beginnen!
Denn der Fidesz wirbt nicht etwa als Partei für die Wahlen, sondern zieht erneut sein liebstes Ass aus dem Ärmel: die Regierungsinformation.
Mit diesem Wundermittel umging die Regierungspartei bereits vor den Parlamentswahlen die Regularien eines fairen Wahlkampfes. Von einigen internationalen und nationalen Beobachtern wurde die unverhüllt dem Fidesz in die Hände spielende „Informationskampagne” im Nachhinein als einer der Gründe angeführt, warum sie die ungarischen Parlamentswahlen 2018 zwar für frei, keinesfalls aber für fair halten.
Doch zurück zu dem nun vorgestellten Plakat. Die Reizschwelle der Wähler in Ungarn ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Wer heute noch wahrgenommen werden will, braucht da schon reißerische Inhalte. Dem Fidesz, Pardon, der Regierung scheint dies erneut gelungen zu sein: Gemeinsam lächeln EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Milliardär György Soros vom Plakat herab. Daneben steht die Aussage: „Auch Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was Brüssel plant.” Etwas kleiner ist darunter noch zu lesen: „Sie wollen die verpflichtende Flüchtlingsquote einführen, den Grenzschutz der Mitgliedsstaaten schwächen und Migranten mit Visa zur leichteren Einreise verhelfen.”
Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen sei dahingestellt, sicher ist jedoch, dass die EU-Kommission – die ohnehin schon ungut auf die ungarische Regierung zu sprechen ist – wenig begeistert von diesem neuerlichen Affront war. Binnen 24 Stunden präsentierte die EU-Kommission daher auf Facebook eine Art Gegenentwurf. Ebenfalls in Plakatform. Darauf sind der ungarische Premier Viktor Orbán und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu sehen. Darunter die folgenden Sätze: „Auch Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was Tatsache und was Fiktion ist. Es gibt kein „sie”, es gibt nur die Europäische Union, in der auch Ungarn mit am Tisch sitzt. Die EU verstärkt den Grenzschutz der Mitgliedsstaaten, statt ihn zu schwächen. Die EU plant nicht die Einführung sogenannter Humanitärer Visa. Die Mitgliedsstaaten entscheiden selbst darüber, in welchem Maße sie legale Einwanderung erlauben.”
Jean-Claude Juncker legte sogar noch nach: Am Dienstag sprach der EU-Kommissionspräsident im baden-württembergischen Landtag davon, dass „für die Partei von Viktor Orbán in der Europäischen Volkspartei kein Platz” sei. Er bekräftigte damit erneut die Forderungen nach einem Ausschluss des Fidesz aus der größten Fraktion des EU-Parlaments.